Der Deutsche Bundestag hat am 2. Juni 2016 mit großer Mehrheit und fast einstimmig über die sogenannte Armenien-Resolution abgestimmt und damit das Massaker an den Armeniern als Völkermord anerkannt. 100 Jahre Schweigen, das war lange genug, so Kulturzeit-Redakteur Cornelius Janzen in einem Kommentar.
Erst jetzt hat der Deutsche Bundestag in einer Resolution von SPD, CDU und Grünen den Begriff "Völkermord" verwendet und damit ein wichtiges Signal in die Welt gesendet: die deutschen Parlamentarier erkennen das unermessliche Leid von Opfern, Überlebenden und Nachkommen an und stellen sich der deutschen Mitverantwortung an diesem Menschheitsverbrechen. Mit großer Mehrheit wurde der Antrag am Vormittag angenommen. Eine Sternstunde des Bundestages. Doch weder die deutsche Bundeskanzlerin, noch der Vize-Kanzler oder der Außenminister waren bei der Verabschiedung der Armenien-Resolution im Bundestag anwesend. Terminprobleme oder politische Symbolik?
In der Resolution des Deutschen Bundestages wird auch die "unrühmliche" Rolle der Deutschen als wichtigster Bündnispartner des Osmanischen Reichs während des Ersten Weltkrieges thematisiert: Das Deutsche Reich habe nicht versucht, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen - trotz eindeutiger Informationen von Seiten deutscher Diplomaten und Missionaren. Die Deutschen wurden Zeugen eines Jahrhundertverbrechens und: blieben untätig. Dass die Deutsche Reichsregierung bestens über die Gräueltaten ihres Bündnispartners informiert war, zeigen Briefwechsel zwischen Diplomaten vor Ort und dem Auswärtigen Amt in Berlin. So schreibt der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Hans von Wangenheim, im Juli 1915. "[...] die Art, wie die Umsiedlung durchgeführt wird, zeigt, dass die Regierung tatsächlich den Zweck verfolgt, die armenische Rasse im türkischen Reiche zu vernichten."
Mit dieser Dolchstoßlegende wird der Völkermord an den Armeniern legitimiert - die Armenier werden zum inneren Feind stilisiert, deportiert oder erschossen, dabei gehen einzelne Massaker auch auf Kosten deutscher Offiziere. Bis zu 1,5 Millionen Armenier werden Opfer der Politik der "Jungtürken". Im Windschatten des Krieges setzen sie ihre Vision eines homogenen, türkischen Nationalstaats um. 1923 gründete Mustafa Kemal Atatürk die Türkei - ein Volk, eine Nation, das wurde zum Gründungsmythos. Doch ohne den Völkermord an den Armeniern wäre eine solche Homogenisierung wohl kaum möglich gewesen. Die moderne Türkei fußt auf dem Genozid an den Armenieren, so formuliert es der türkische Historiker Taner Akçam. Und genau das erklärt, warum sich die Türkei noch immer so schwer tut mit dem Begriff des Völkermords.
"Aghet", die große Katastrophe, so nennen die Armenier den Völkermord an ihrem Volk. Bereits 1909 hatte der deutsche Kaiser Wilhelm die Devise ausgegeben, dass die Armenier die Deutschen nichts angehen würden. Bis heute herrschte in der deutschen Regierung eine Kontinuität dieses Schweigens, mit allen Mitteln wollte man die Türkei an seiner Seite halten - auch auf Kosten der historischen Wahrheit. Es ist gut, dass die deutschen Parlamentarier nun ein Anfang gemacht haben, mit diesem Schweigen zu brechen und den Völkermord beim Namen zu nennen. Die Diplomatie stand der Aufarbeitung der historischen Tatsache des Völkermords an den Armeniern lange genug im Weg.