Cori S. Socaciu

Autorin | Social Entrepreneur | Consultant, Ffm

15 Abos und 2 Abonnenten
Artikel

Blockupy: Ideen für ein alternatives Europa

Auch Politiker wie Katja Kipping (Linke) beteiligten sich an der Debatte. Foto: Rolf Oeser

Wie mobilisiert man die Massen im Kampf um mehr Teilhabe? Beim Blockupy-Festival tauschen sich Aktivisten aus Europa im Studentenhaus über Streik und Revolution, Kapitalismus und Demokratie aus.


Durch die geschlossenen Fenster dringen dumpfe Bassklänge und reges Geschnatter. Während die ersten Blockupy-Teilnehmer am Samstagabend vor dem Studentenhaus feiern, herrscht drinnen im ersten Stock Stille unter den fast 100 Anwesenden. In einem der letzten Workshops des Blockupy-Festivals haben die Teilnehmer auf dem Boden sitzend und stehend jeden Meter des Raums K2 besetzt. Schweiß und leichter Bierdunst liegen in der warmen Luft. Nur eine Person spricht.

Ein italienischer Student berichtet von seinen Erfahrungen beim Generalstreik am 14. November. In 20 Städten hatten Arbeiter gemeinsam mit Arbeitslosen und Studenten gegen die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt und den „Job Act" der Regierung Renzi demonstriert. Aus Mailand ist er angereist, um sein Wissen mit den Blockupy-Aktivisten zu teilen und sich zu vernetzen.

Im Workshop „Jenseits der Mobilisierung des 14N" trifft er auf Teilnehmer aus Griechenland, Portugal und vielen weiteren EU-Ländern. Eine E-Mail-Liste kursiert, während Strategien für einen transnationalen Generalstreik auf europäischer Ebene erarbeitet werden. In gebrochenem Englisch wird debattiert. Eine deutsche Teilnehmerin mit lockigem, silbernen Haar bremst die Euphorie einiger junger. „In Deutschland ist es sehr schwer, Arbeiter, Studenten und Arbeitslose gemeinsam gegen die Zustände auf dem Arbeitsmarkt zu mobilisieren. Alles läuft über Gewerkschaften", kritisiert sie.

Im Workshop nebenan „Das Recht, Europa zu entscheiden", stehen sich sechs Teilnehmer gegenüber, die wild durcheinander reden und über Teilhabe am politischen Prozess streiten. Moderatorin Lotta Tenhunen greift ein. „In einem Punkt sind wir uns einig, die repräsentative Demokratie befindet sich in einer Krise", stellt sie fest und führt die Charta des Gesellschaftsvertrags von Rojava als Gesprächsgrundlage ein. Das autonome Gebiet im Norden Syriens sei ein Beispiel dafür, dass ein demokratischer Prozess unter sehr unterschiedlichen Völkergruppen möglich sei.

Suche nach neuen Wirtschaftsmodellen

„Die Vorbildfunktion Rojavas ist aber keine Frage, sondern eine Tatsache", wendet ein Aktivist aus Tübingen ein. „Das Problem sind die unterschiedlichen Ziele innerhalb der politischen Landschaft", ergänzt eine Studentin aus Rom. „Genau deshalb brauchen wir ein neues Modell für den politischen Prozess", sagt die aus Spanien angereiste Aktivistin Marisa Pérez. Sie berichtet über das Projekt „Ganemos", an dem sich viele Politiker parteiübergreifend beteiligen, um einen Strukturwandel herbeizuführen. „Wir müssen die Bedeutung des Wortes Revolution neu definieren. Eine gelungene Revolution muss die Demokratie sein", sagt sie. Innerhalb einer Demokratie müsse es wiederum möglich sein, über Wohlstandsverteilung und alternative Wohn-, Schul- und Arbeitsmodelle zu entscheiden.

Mit volkswirtschaftlichen Fragen einer antikapitalistischen Demokratie befasste sich der Workshop „Degrowth". „Wirtschaftswachstum kann keine Universalantwort auf die Eurokrise sein", sagte Antonis Zovbas. „Wir produzieren ohne Limit bei begrenzten Ressourcen."

Zum Original