Cori S. Socaciu

Autorin | Social Entrepreneur | Consultant, Ffm

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Zeitgeschichte: Wehranlage unter den Bankentürmen

Die Kasematten sind nach dreijähriger Schließung wieder für Führungen freigegeben. Es besteht keine Einsturzgefahr mehr, wie eine Untersuchung ergab.

Die rußigen Basaltpfeiler wirken solide. Doch eine leichte Berührung reicht an manchen Stellen bereits aus, damit ein Stück Geschichte als feuchter Gesteinsfilm auf der Handfläche kleben bleibt.

Wer die 1628 erbauten Kasematten im Innenhof der Stiftung Waisenhaus an der Bleichstraße 12 betritt, hat schnell den Eindruck, dass an diesem Ort die Zeit stehengeblieben ist. Wohl deshalb übe die Mitte April wiedereröffnete Souterraingalerie eine so große Anziehung auf Besucher aus, vermutet Peter Fasold, stellvertretender Direktor des Archäologischen Museums. Innerhalb von drei Tagen seien alle Führungen bis Ende Juni ausverkauft gewesen.

Drei Jahre lang waren die Frankfurter Kasematten geschlossen. Die über Jahrhunderte feucht gelagerte Bausubstanz bedurfte einer statischen Messung, nachdem in direkter Nachbarschaft Bauarbeiten begonnen hatten. Die Untersuchung habe inzwischen ergeben, dass keine Einsturzgefahr besteht.

Fasold erachtet es als „Glücksfall", dass die Verteidigungsanlage auf dem Gelände der Stiftung Waisenhaus entdeckt wurde, deren Geschichte ebenfalls bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Auf diese Weise würden „mehrere Geschichtsstränge ineinandergreifen".

Angriff über die Pilgerroute

Mit einer begehbaren Länge von mehr als 40 Metern ist die vom Festungsbaumeister Johann Wilhelm Dilich erbaute Verteidigungsanlage einzigartig in Frankfurt, sagt Fasold. Das geschlossene Mauerwerk sei nach Norden ausgerichtet gewesen, weil über dortige Pilgerrouten Angriffe wahrscheinlicher gewesen seien, erklärt er. Aufgrund eines Wasserschadens sei die Anlage schon kurz nach ihrer Erbauung nicht mehr als Bastion genutzt worden.

Bevor die Kasematten nach dem Zweiten Weltkrieg aufgeschüttet wurden und in Vergessenheit gerieten, dienten sie bei Bombenangriffen als Luftschutzbunker. Von den letzten Nutzern der Anlage zeugen heute Funde, die vor einer Schießscharte in den Kasematten ausgestellt sind, etwa die Metallskelette zweier Stühle ohne Sitzflächen und ein durchlöcherter Fronthelm.

Die museale Aufbereitung mit archäologischen Funden und Informationstafeln wäre ohne die Bereitschaft der Stiftung Waisenhaus nicht möglich gewesen, sagt Fasold. Da die Führungen auf Privatgrundstück der Stiftung stattfänden, sei die Entscheidung der Stiftungsleitung „bemerkenswert", der Öffentlichkeit Einblicke in die Kasematten zu gewähren. Mit der historischen Aufarbeitung und der Organisation von Führungen war das Archäologische Museum von der Stadt Frankfurt beauftragt worden.

Ein neues Programm mit Führungsterminen veröffentlicht das Archäologische Museum Mitte Juni. www. archäologisches-museum.frankfurt.de

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