Cori S. Socaciu

Autorin | Social Entrepreneur | Consultant, Ffm

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Armut: Prekäres Leben für Flüchtlinge in Frankfurt

Vasile ist 40 Jahre alt, gelernter Handwerker und arbeitet auf einer Baustelle in Frankfurt. Mit einer Bezahlung unterhalb des Mindestlohns und 220 Euro Miete für einen Schlafplatz in einer Dreizimmerwohnung mit 14 weiteren Arbeitern wird anhand seiner Situation ein systematisches Problem deutlich: die Ausbeutung von Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt.

Zuwandererbiographien wie diese waren Gegenstand einer Diskussionsrunde der Sozialpolitischen Offensive Frankfurt (SPO) und der FR am Dienstagabend in der Weißfrauen- Diakoniekirche. Grundlage für das von FR-Redakteur Peter Hanack moderierte Podiumsgespräch war eine Studie zur Situationsbeschreibung von Neuzuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. „Mehrheitlich wandern aus diesen Ländern gut qualifizierte Arbeitskräfte ein", sagte Tina Alicke, Autorin der vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik veröffentlichten Studie.

Die weniger oder gar nicht beruflich Qualifizierten unter den neu Zugewanderten würden unter prekären Lebensbedingungen in Frankfurt leben; typische soziale Notlagen seien für diese Gruppe schlechte Arbeitsbedingungen, Mietwucherei oder Obdachlosigkeit, medizinische Versorgungsprobleme sowie ausgrenzende kulturelle Zuschreibungen. Anhand von Experteninterviews und Gesprächen mit Betroffenen zeigt die Studie Handlungsempfehlungen für politische Akteure auf.

„Wir brauchen eine Kontrolle der Arbeitsbedingungen, die ihren Namen verdient hat", forderte Verdi-Gewerkschaftssekretär Andreas Heymann. Dabei berief er sich auf Handlungsempfehlungen der Studie zur Stärkung des Einzelnen und zur Veränderung der Strukturen, die schlechte Arbeitsbedingungen ermöglichten. Unzulängliche Absicherung, und soziale Notlagen, die zu Bettelei und Prostitution führten, würden nicht von allein verschwinden, sagte Heymann. „Ausgrenzung wird durch Passivität ermöglicht." Erfreut zeigte sich der Gewerkschaftssekretär über die vom SPO in Auftrag gegebene Studie, die eine wissenschaftliche Untermauerung für die Forderungen des DGB liefere.

Ausbeutung in der Bauindustrie

Eine über die Arbeitsbedingungen hinausgehende Kooperation unterschiedlicher Einrichtungen forderte Sieghard Pawlik vom Mieterbund. Um Ausbeutungsverhältnisse aufzudecken, sei eine ganzheitliche Vernetzung von Institutionen erforderlich. Auch die Steuerfahndung und der Zoll müssten eingebunden werden, wenn es etwa um die Vertreibung von Altmietern durch Überbelegung von Wohnungen gehe.

Über die Perspektive von Betroffenen sprach die Co-Autorin der Studie, Letitia Türk. Die Beraterin vom DGB-Projekt „Faire Mobilität" berät Zuwanderer aus Rumänien. Häufig würden Löhne nicht gezahlt, häufig erführen Betroffene zu spät, dass sie nicht mehr krankenversichert seien, weil die Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen würden. Auffällig sei die Ausbeutung von Zuwanderern vor allem in der Bauindustrie, wo sich ein systematisches Problem zeige. „In Deutschland gibt es kaum eine Baustelle, wo Personen nicht von Ausbeutung betroffen sind", sagte Türk. Auch Teilzeitverträge, in denen Betroffene mit zehn bis zwölf Arbeitsstunden am Tag Vollzeitstellen ausfüllen, seien häufig.

Kritische Fragen gegenüber Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld gab es zur Unterbringung von Zuwanderern. Man müsse darauf achten, dass Menschen, die lange auf eine Wohnung gewartet hätten, nicht benachteiligt werden.

Kritik aus dem Publikum gab es auch hinsichtlich der Willkommenskultur in Deutschland, wonach vorrangig gut qualifizierte Zuwanderer erwünscht seien. „Die EU ist auch als Solidargemeinschaft zu verstehen", sagte ein Zuhörer.

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