Cori S. Socaciu

Autorin | Social Entrepreneur | Consultant, Ffm

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Migration: Hungerstreik beendet

Rumänische Bauarbeiter warten weiter auf ihr Geld von der Accent Bau GmbH. Über das Wochende sind sie nun in einem Seminarhaus der IG BAU untergebracht. Diese bereitet eine Klage gegen das Bauunternehmen vor.


Lajos Raffi macht sich Vorwürfe. Ergraute Strähnen schimmern in seinem schulterlangen Haar. Auf seinem zerkratzten Mobiltelefon leuchtet ein Hintergrundfoto von seiner Frau und den beiden Töchtern. Über 2000 Kilometer trennen Raffi von ihnen. „Wenn du eine Sprache nicht sprichst, kannst du den Menschen nur in die Augen schauen, um herauszufinden, wem du vertrauen kannst. Und selbst dann kannst du nicht sicher sein", sagt der 48-Jährige.

Dass der Rumäne viel zu lange darauf vertraut hat bezahlt zu werden, nimmt ihm seine Frau übel. „Es war nicht leicht, ihr zu erklären, was hier gerade passiert", sagt er. „Accent nicht zahlen Hungerstreik", steht in Großbuchstaben auf einem Pappschild, das um seinen Hals hängt. Im März nahmen Raffi und sein Bruder die Arbeit als Bauarbeiter auf der Baustelle in der August-Schanz-Straße auf. Die Stelle vermittelt hatte ihnen Raffis Schwager Ferenc Bundi, der zu diesem Zeitpunkt schon seit Januar für die Firma Accent arbeitete. Bundi wiederum sei durch ein Jobvermittlungsportal im Internet auf die Accent Bau GmbH aufmerksam geworden. „Von diesen gibt es viele", sagt Raffi, „gesucht werden dort ganze Mannschaften von Spezialisten, die dann an Baufirmen weitergegeben werden. Ob die gemachten Zusagen gegenüber den Arbeitern eingehalten werden, interessiert diese Agenturen nicht", berichtet er.

Die Arbeitsbedingungen des Auftraggebers erschienen dem ausgebildeten Schlosser attraktiv: kostenlose Unterkunft, ein Lohn von 19 Euro pro gearbeitetem Quadratmeter, davon 100 Euro als wöchentlichen Vorschuss zur Eigenverpflegung.

Dass die Unterkunft dann doch nicht kostenlos war, akzeptierten die Männer. „Ich habe darauf vertraut, dass alles seine Richtigkeit hat. Wir haben in Rumänien ein positives Bild von den Deutschen als überaus korrekte Menschen", sagt Raffi. 700 Euro pro Monat mussten die Männer schließlich für das 20 Quadratmeter große Zimmer in dem Container zahlen. Zu fünft bewohnten sie dieses.

Psychisch ausgezehrt

Stutzig wurde er, als der erste Lohn nach der vereinbarten Zeit ausblieb. „Man sagte uns, wir werden bezahlt, sobald die Arbeiten an dem größeren der zwei Gebäude fertig sind", erzählt Raffi. „Als wir fertig waren, hieß es, wir sollten uns bis nach der ‚nächsten Konferenz' des Accent-Geschäftsführers Roland Fuhrmann gedulden und schon mit den Arbeiten am zweiten Gebäude beginnen."

Doch auch in den darauf folgenden Tagen und Wochen blieb der Geschäftsführer „nicht erreichbar". Als sechs der seit Januar tätigen Arbeiter über Ostern zu ihren Familien nach Hause fuhren, erhielten sie die Zusage, das Geld werde ihnen „überwiesen". Die Überweisung kam jedoch nie an. Nach mehreren Versuchen, mit Roland Fuhrmann in Kontakt zu treten, gaben sie auf und entschlossen sich, nicht wiederzu-kommen.

„Du denkst nicht, dass dir ausgerechnet in Deutschland so etwas passiert", sagt Raffi. Als er und die übrig gebliebenen Arbeiter von Fuhrmann Mitte April ein Schreiben erhielten, nahm Raffi dies als ein positives Zeichen. Schon von Anfang an hatten die Arbeiter immer wieder Arbeitsverträge verlangt. Was Raffi und seine Mitarbeiter von der Firma Accent bekamen, hielten sie zunächst für einen Arbeitsvertrag. Das Schreiben mit der farbkopierten Unterschrift Fuhrmanns und der Bezeichnung „Anstellungsbestätigung" in der Betreffzeile enthielt jedoch eher eine lose Zusage. „Wir sollten etwas bei uns haben für den Fall, dass es Kontrollen von der Bauaufsicht auf der Baustelle gibt", sagt Raffi.

Anlass zu der Vorsichtsmaßnahme ist nach Angaben der Bauarbeiter eine am 18. April erfolgte Kontrolle gewesen. „Fuhrmann gab uns an diesem Tag frei und sagte, dass wir irgendwohin gehen und auf keinen Fall auf der Baustelle sein sollen", sagt Raffi.

Dass der Lohn über Wochen und Monate nicht gezahlt wurde, zehrte auch psychisch an der Gruppe, wie die Bauarbeiter berichten. „Ich konnte es meiner Frau gegenüber irgendwann nicht mehr rechtfertigen, dass ich hier von früh bis spät schufte und weniger verdiene als in Rumänien. Ich bin nicht hergekommen, um Frankfurt zu sehen, sondern um meine Familie durchzubringen", sagt Raffi.

Nach wie vor gibt es keine Zahlungsnachweise

Erst nach langen Diskussionen konnte sich die Gruppe dazu durchringen, Fuhrmann am 20. Juni ein Ultimatum zu stellen und in den Hungerstreik zu treten. Bis zum darauffolgenden Tag forderten die Arbeiter einen Betrag von 28 000 Euro für die geleisteten Bauarbeiten seit Januar. Nach ihren Angaben reagierte Fuhrmann erst, nachdem eine Anwohnerin die FR auf den Vorfall aufmerksam gemacht hatte.

Der FR vorliegende Tonbandaufnahmen belegen, dass die sechs Bauarbeiter von einem Angestellten Fuhrmanns bedroht wurden. Der Situation ging ein ebenfalls aufgezeichnetes Gespräch voraus, in dem ein mutmaßlich ebenfalls von Fuhrmann beauftragter Mann versucht hatte, die Bauarbeiter mit Geldversprechungen vom Streiken abzubringen.

Momentan können die Bauarbeiter einzig auf die Unterstützung der Gewerkschaften zählen. Am Donnerstag war ihnen von einem Vertreter der hessischen Landesregierung eine Unterkunft versprochen worden. Am Freitag dann stellte die IG BAU eine solche zur Verfügung. Zumindest für die Dauer des Wochenendes. „Die Männer können erst einmal in unserem Seminarhaus in Steinbach bleiben", sagte der IG-BAU- Bezirksvorsitzende Günther Schmidt. Gewerkschafter brachten die Bauarbeiter am Freitag dorthin und überzeugten sie außerdem davon, ihren Hungerstreik vorerst zu beenden. „Wir können das nicht mehr verantworten", sagte Schmidt.

Mit dem Frankfurter DGB-Chef Harald Fiedler teilte Schmidt zudem mit, dass eine Klage gegen die Accent Bau vorbereitet werde. In der nächsten Woche soll sie beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Nach wie vor hat der Geschäftsführer der Firma keine Zahlungsnachweise vorgelegt. Der Anwalt, der zuletzt in der Öffentlichkeit für Fuhrmann sprach, reagierte am Freitag nicht mehr auf Anfragen.

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