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Kolumne

Relative Rekorde

Kunst und Auktionen | 15.08.2014

Die Preissteigerungen im Kunstmarkt erscheinen im Vergleich mit anderen Geldanlagen nicht mehr so abgehoben


von Clemens Bomsdorf

Feuilleton-Leser konnten dieser Nachricht kürzlich kaum entgehen: Tracey Emins „My Bed“, von Charles Saatchi gekauft für 150 000 Pfund, wird versteigert. Schätzpreis 0,8 bis 1,2 Millionen Pfund. Die Meldung, die online und print kaum ein Medium ignorierte, war jedoch ziemlich unbefriedigend. Denn bei näherem Hinsehen war sie nur Effekthascherei. Wie so häufig wurde der Kunstmarkt nicht ernst genommen, sondern einmal mehr zu dessen Mystifizierung beigetragen. Denn wesentliche Informationen fehlten.

Stets wurden nur diese drei Zahlen wiederholt: 150 000; 0,8 Millionen; 1,2 Millionen. Manchmal kam immerhin noch die 2000 hinzu – das Jahr, in dem der Sammler Saatchi das Werk erworben hatte. Wenn Geld erwähnt wird, dann bitte richtig. Allein auf den Preis eines Kunstwerks zu fokussieren, kann dessen Aura einiges nehmen. Den Preis – wie so häufig – nur zu nennen, doch nicht näher zu untersuchen, lässt aber auch eine andere Aura entstehen – die des Kunstmarkts, der jegliche Bodenhaftung verloren hat und der völlig undurchschaubar ist.

Dabei ist das gar nicht der Fall, nur wird viel zu oft vergessen, die Informationen herauszuarbeiten, die Transparenz schaffen und den Preis relativieren, statt diesen lediglich schwindelerregend hoch erscheinen zu lassen.

Stellen Sie sich vor, es würde sich um eine Aktie handeln. Würden Sie sich zufrieden geben, nur den Ankaufs- und Verkaufspreis eines Wertpapiers zu kennen? Fehlt da nicht irgendetwas? Wie wäre es mit der Wertsteigerung? Darauf kommt es schließlich an, wenn vom monetären Wert gesprochen wird.

Die Experten vom Auktionshaus Christie’s schätzten, dass Emins Werk den Wert mindestens verfünffacht, genau gesagt zwischen 433 und 700 Prozent im Preis zulegt – das ist die ganz einfach zu errechnende prozentuale Differenz aus Einkaufspreis und Taxe. 433 bis 700 Prozent! Klingt nicht schlecht. Der deutsche Aktienindex DAX ist im selben Zeitraum (Mitte 2000 wurde als Einstiegszeitpunkt angenommen, die Auktion von „My Bed“ fand am 1. Juli 2014 statt) nur um 143 Prozent gestiegen

Was aber sind diese Werte gegen ein Plus von 2318 Prozent? Um so viel hat im selben Zeitraum die Aktie von Apple zugelegt. Wer Mitte 2000 für 150 000 Pfund Apple-Aktien kaufte, konnte diese am 1. Juli für über 3,6 Millionen verkaufen. Das relativiert die Wertentwicklung des Kunstwerks deutlich. Wenn es schon nur um den monetären Wert von Kunst geht, dann sollte nicht so getan werden, als seien die Preissteigerungen von ikonischen Werken ohnegleichen.

Dazu gehört aufzuzeigen, dass auch andere Investments, die wie die Apple-Aktie sicher als gewagt angesehen wurden, aber ganz und gar keine extreme, unbekannte Nische darstellten, im selben Zeitraum enorme Renditen einbrachten.

Nun wurde Emins Bett bekanntermaßen für den doppelten Schätzpreis verkauft und erzielte über 2,2 Millionen Pfund. Prozentual ist das eine Wertsteigerung von rund 1400 Prozent, aber immer noch deutlich weniger als der Anstieg der Papiere von Apple. Aber auch als es um den gezahlten Preis ging, fehlte jeglicher Vergleich.
 
Bedacht werden sollte ebenso, dass kaum ein Investor nur Apple-Papiere gekauft haben wird, sondern auch solche, die nur mit er- heblich weniger Gewinn oder gar mit Verlust verkauft werden konnten. Gleiches gilt für den Kunstmarkt, wie Florian Illies kürzlich in einem Gespräch deutlich machte: „Wenn enorme Wertsteigerungen von Arbeiten verkündet werden, wird häufig übersehen, dass der gleiche Sammler sicher auch viel Geld in Kunst investiert hat, die nicht so stark an Wert zugelegt, ja vielleicht sogar weniger wert geworden ist,“ so Illies. Deshalb der Vergleich auch mit einem Index wie dem DAX.

Wenn es wie hier vor allem darum geht, die Preisentwicklung zu relativieren, reicht der Blick auf die Wertsteigerung anderer Anlagen. Um den Gewinn des Verkäufers zu errechnen, reicht es hingegen nicht, einfach die Differenz aus Verkaufs- und Kaufpreis zu errechnen, sondern es müssen noch weitere Kosten wie Kommissionen berücksichtigt werden. Saatchi hat also an „My Bed“ nicht gute 2 Millionen Pfund verdient, auch wenn das den Anschein haben mag.


Es ist dringend notwendig, den Kunstmarkt zu entzaubern, fangen wir damit an.