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Kampf der Generationen

Wenige Wochen vor der Wahl ist die politische Stimmung in Italien aufgeheizt. Die Flüchtlingskrise bringt Aufwind für rechte Parteien. Laut Umfragen zeichnet sich ein Kampf der Generationen ab: zwischen dem 31-jährigen Luigi Di Maio von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und dem 81-jährigen Silvio Berlusconi und seiner Mitte-rechts-Koalition.

Die Bewegung des Ex-Starkomikers Beppe Grillo mit ihrem Spitzenkandidaten Di Maio ist derzeit die stärkste Einzelpartei für die Parlamentswahl. Sie erreichte zuletzt 28 Prozent, während das Mitte-rechts-Lager mit Berlusconis Forza Italia und der ausländerfeindlichen Lega derzeit um die 36 Prozent auf sich vereint. Minimal dahinter liegt die Mitte-links-Allianz um die Sozialdemokraten mit 27 Prozent.


  „Grillinis" werden moderater


Grillos Bewegung versteht sich als Anti-Establishment-Kraft und gilt als eurokritisch. Unter Di Maio versucht die Bewegung allerdings gemäßigter aufzutreten. Er hatte etwa von einem Referendum über den Verbleib im Euro Abstand genommen. Parteigründer Grillo hat sich zuletzt immer weiter von seinen „Grillini" entfernt. Im Wahlkampf trat er dennoch mit großen Versprechen auf, wie der Reduktion der Wochenarbeitszeit und einem bedingungslosen Grundeinkommen.


Zuletzt schaffte es die Partei vor allem mit Skandalen in die Schlagzeilen. Abgeordnete sollen Zahlungen an einen Hilfsfonds der Partei wieder einkassiert haben, wurde dieser Tage bekannt. 1,4 Millionen Euro sollen fehlen, berichteten die Zeitungen „La Repubblica" und „Corriere della Sera". Erst vergangene Woche wurde der Bewegung vorgeworfen, Teile ihres Wahlprogramms unter anderem bei Wikipedia abgeschrieben zu haben, wie italienische Medien berichteten. Elf der 20 Kapitel sollen Plagiate enthalten. Die Partei wies die Anschuldigungen zurück.

Rückkehr des 81-jährigen TV-Zaren


Mit Berlusconi und seiner Forza Italia mischt ein altbekanntes Gesicht im Wahlkampf mit. Der viermalige Premier ging zuletzt bei seiner konservativen Wählerschaft auf Stimmenfang, etwa mit der Abschaffung der Möglichkeit, homosexuelle Lebenspartnerschaften eintragen zu können.


Weniger Steuern sind wie bereits bei seinem Politikdebüt 1994 das beherrschende Thema von Berlusconis Wahlkampfs. Seine Versprechen setzt der TV-Zar auch medial in Szene. Mit seinen Vorhaben, wie einer Verdoppelung der monatlichen Mindestpension für Italiener auf 1.000 Euro, schafft es der 81-Jährige auch täglich in die Medien.


Berichte über Müdigkeitserscheinungen im Wahlkampf und seinen Gesundheitszustand wehrt Berlusconi immer wieder ab: „Ich bin wie guter Wein", twitterte er kürzlich. „Mit dem Alter werde ich besser und jetzt bin ich perfekt." Dass Berlusconis Gesundheitszustand nicht der beste ist, ist kein Geheimnis. Im Sommer 2016 hatte er eine Herz-OP, später folgten mehrere Krankenhausbesuche.


  Kritik an „Unerfahrenheit" der Gegner


Berlusconi darf nach einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung für kein politisches Amt kandidieren. Dennoch will er seine Partei Forza Italia im Bündnis mit der rechtspopulistischen Lega Nord zum Sieg führen. Sollte die Allianz eine regierungsfähige Mehrheit bekommen, wäre Berlusconis Rehabilitation gelungen. Dann könnte Lega-Chef Matteo Salvini das Innenministerium übernehmen, wie Berlusconi ankündigte.

Der 81-Jährige sieht für den 4. März ein Wahlduell zwischen seiner Allianz und der Grillo-Bewegung, mit der er eine Koalition ausgeschlossen hat. Im Wahlkampf kritisierte Berlusconi immer wieder die Unerfahrenheit von Di Maio. Zuletzt spielte er auf dessen Alter an: „Der Gedanke, dass ein 31-jähriger Bursche, der nie in seinem Leben gearbeitet hat, die Regierung des Landes übernimmt, ist ein Witz."


  Moscheen Baugenehmigung entziehen


Populistische Themen brachte auch Berlusconis Verbündeter, der Chef der Rechtsaußen-Bewegung Lega Nord, Matteo Salvini. Er will bereits erteilte Genehmigungen für den Bau von Moscheen und die Eröffnung islamischer Gebetszentren zurückziehen. Die Lega kündigte auch an, in ihren Wahlkampf die FPÖ einzubinden. Beide Parteien gehören im EU-Parlament der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) an.


  Renzi angeschlagen


Die Italien-Wahl bringt auch den Ex-Premier Matteo Renzi wieder aufs politische Parkett. Er setzt den Schwerpunkt ebenfalls auf Steuersenkungen, dazu Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Einführung eines Mindestlohns. Gleichzeitig wirbt er damit, keine unrealistischen Wahlversprechen zu machen. Der 41-jährige Renzi gilt nach seinem Scheitern beim Verfassungsreferendum im Dezember 2016 und seinem Rücktritt als Premier als angeschlagen.


Seine Mitte-links-Koalition, zu der auch die Südtiroler Volkspartei (SVP) und die Gruppierung von Ex-Außenministerin Emma Bonino Piu Europa (Mehr Europa), gehören, konnte in Umfragen zuletzt allerdings aufholen und erreicht damit fast gleich viele Stimmen wie die populistische Fünf-Sterne-Bewegung.

Kämpferin für Rechte von Migranten

Mit Bonino ist auch eine Ex-EU-Menschenrechtskommissarin im Rennen. Sie macht sich mit ihrer Partei etwa für ein neues Einwanderungsgesetz stark. Bis vor wenigen Jahren trat sie noch mit dem Partito Radicale (Radikale Partei) auf.


Bonino setzte sich in den 1970er Jahren vor allem für Referenden, wie etwa zur Abtreibung und zur Ehescheidung, ein. Ihre Beliebtheit - in Umfragen liegt sie bei 43 Prozent knapp hinter Regierungschef Paolo Gentiloni - hat sich aber bisher nicht im Wahlergebnis widergespiegelt. Dennoch wird sie immer öfter als Kandidatin für Italiens Präsidentschaft gehandelt.


  Migrationskrise spaltet Italien


Die rechten Parteien in Italien erleben schon seit Jahren einen Aufwind. Dafür gibt es viele Gründe: Die Wirtschaft der drittgrößten Wirtschaftsnation der Euro-Zone erholt sich nach jahrelanger Rezession nur mühsam, gut ausgebildete Junge wandern wegen Perspektivenlosigkeit ab.

Gleichzeitig ist Italien bereits seit Jahren von der Ankunft Hunderttausender Flüchtlinge überfordert. Der Unmut in der Bevölkerung wächst, populistische Botschaften fallen auf fruchtbaren Boden. Bestimmendes Thema im Wahlkampf ist die Migrationskrise. Die Debatte ist durch die Ereignisse in Macerata neu entzündet und spaltet das Land.


  Kein „Macerata-Effekt"


Vor zwei Wochen hatte ein italienischer Rechtsextremer in dem italienischen Ort Macerata offensichtlich aus Fremdenhass aus einem fahrenden Auto geschossen und sechs Afrikaner verletzt. Auslöser für die Tat soll der Mord an einer jungen Römerin gewesen sein, die von einem nigerianischen Drogendealer getötet worden sein soll.

Der Vorfall löste eine Welle des Protest aus. Zehntausende demonstrierten in Macerata gegen Rassismus. Andere gingen aus Protest gegen Einwanderung auf die Straße. Die Ereignisse rückten die Migrationsdebatte wieder in der Vordergrund des italienischen Wahlkampfs. In den Umfragen schlugen sie sich aber kaum nieder, so die italienische Tageszeitung „La Stampa".


Wie die Wahl in Italien ausgeht, ist völlig offen. Umfragen zufolge wird keine der drei großen Allianzen und Parteien auf die nötige Mehrheit von 40 Prozent kommen. Eine Regierungsbildung wird schwierig werden. Renzi schloss eine Koalition mit der Mitte-rechts-Koalition aus. Berlusconi will überhaupt neu wählen, wenn Mitte-rechts nicht die Mehrheit gewinnt. Es könnte zu einer Pattsituation kommen und damit die politische instabile Lage im Land weiter bestehen.

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