Unsere Kolumnistin ist am spielfreien Abend ins Kino - Sex and the City - gegangen. Spätestens jetzt weiß sie: Frauen haben es schwerer als Männer
„Immer dein. Immer mein. Immer uns." Mit einem Kloß im Hals fand ich mich um 22.30 Uhr in einem halbleeren Kinosaal wieder. Oder war der Saal halbvoll? Ich weiß es nicht. Sicher ist nur, dass ich mich wenige Tage zuvor noch zur gleichen Uhrzeit inmitten kreischender, High-Heels-tragender russischer Fans auf dem Hamburger Fanfest weit wohler fühlte; obwohl ich betrübt war über das Ausscheiden meiner Holländer.
Welcher clevere Single schaut sich auch allein einen Liebesfilm an? Und wenn es sich dann noch um die Kinoversion der US-Kultserie Sex and the City handelt, gibt es wohl keine Frau, die danach nicht seufzend mit der Kreditkarte im Prada-Flagship-Store steht und eine rosa Liebe aus Seide in Größe 34 kaufen möchte - oder wenigstens von „Mr. Big" nach Hause gebracht werden will.
Statt wie sonst mit den schönen Schweden zu zittern, litt ich. Die Überlänge des Films entsprach einer regulären Spielzeit plus zweimal 15 Minuten Verlängerung. Zwei Stunden will mir Carrie Bradshaw eintrichtern, mein Leben bestünde nur aus Labels und Liebe. Alles drehe sich um Männer. Es ratterte in meinem Hirn. Ich schnappte meinen Mantel, foulte ein paar Kinoinsassen und Popcorntüten und rannte aus dem Kino. Als ich auf meinem Rad im Sonnenuntergang heimdüste, vorbei am menschenleeren Fanfest, ärgerte ich mich: Wieso bloß hatte heute kein Spiel meine wirren Gedanken in Zaum halten können?
Dann hätte ich niemals so klar vor Augen geführt bekommen, dass in meiner Frauenwelt nicht das Erreichen eines glücklichen Torschusses zählte, sondern, natürlich, die Suche nach der glückbringenden Liebe. Oh, wie einfach gestrickt ist doch die Welt der Männer! Da geht es immer nur um Siegen und Verlieren. Schwarze oder weiße Trikots. Rote und gelbe Karten. Grüner Rasen und weiße Linien. Bei mir geht es offensichtlich nur um Männer und Mode. Um Liebe und Leid. Verlieben und Verlassen. Trinken und Heulen.
Vielleicht hatte ich mich innerhalb der vergangenen Wochen deshalb so voller Leidenschaft der EM hingegeben, weil Liebe derzeit bei mir mit einer schweren Zerrung auf der Ersatzbank sitzt. Viel lieber habe ich die Treffen mit meinen Freundinnen von 15 auf 18 Uhr verschoben, um neben dem Tratschen europäische Männer dabei zu beobachten, wie sie schwitzend ihrem elementaren Ziel hinterjagten: dem perfekten Torschuss. Ich besuchte begeistert EM-Partys, ging in Kiezkneipen, erlebte hautnah Public Viewing, bin Mitglied einer EM-Tipprunde und habe mein Frauenklischee in der Redaktion erfüllt und über gut aussehende Fußballer geschrieben.
Wie schön wäre es, gäbe es in der Liebe ebenso klare Regeln, wie beim Fußball: Der Anpfiff wäre der Flirt, ein erster Blickkontakt zwischen den Teams. Ganz klar verteilt, wer den ersten Schritt macht. Kopf oder Zahl statt Kopf oder Bauch. Herrlich! Dann spielen beide hochmotiviert und unter vollem Körpereinsatz. Auch kleinere Fouls sind erlaubt, sonst wäre die Liebe ja langweilig.
In der Halbzeit werden nicht die Seiten, sondern die Ringe oder zumindest die Ersatzschlüssel der Wohnungen getauscht. Und sollte es wider Erwarten dennoch zu einem Schlusspfiff kommen, so würden fairerweise wenigstens noch die Trikots und ein paar nette Worte gewechselt.