Clara Ott

Journalistin & Buchautorin, Berlin

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Die Angst vor dem glücklichen Ex | Ihr Online-Magazin - clack.ch

Liebeskummer hält sich nicht an Spielregeln: Clara Ott

Da sind sie. Diese kribbelnden Frühlingswochen voll heiterem Vögelgezwitscher und grinsender Menschen, die sonnenhungrig durch die Straßen schlendern. Manche sind verliebt, andere einfach so glücklich, und ein Haufen Menschen befinden sich darunter, die äußerlich kaum sichtbar, eben doch nicht so ganz unbeschwert herumspazieren. Weil sie nämlich befürchten, plötzlich dem Ex gegenüberzustehen, der die Wunden geschlagen hat, die Sie gerade mal einen Winter lang im stillen Kämmerlein gesundgeleckt haben. Natürlich gehts im blendend, mit neuer Geliebten, oder nur schon mit neuer Frisur. Unvorbereiteter Smalltalk wird folgen, peinliches Phrasen-Gestammel und wenn es das Leben ganz schlecht mit Ihnen meint, kommen SIe gerade vom Joggen zurück, mit wirrem Haar, Heuschnupfen-verquollenen Augen und Schweissflecken, an Stellen, die wir hier nicht näher beschreiben. Tja. Hallo Frühling, du Jahreszeit voll nach draußen strömender Menschen. "Somebody I Really Used To Fucking Love" Der Song "Somebody I Used to Know" von Gotye beschrieb sehr treffend, wie man auf die einst geliebte Frau wiedertrifft und merkt, dass sie inzwischen einfach ein Jemand ist und sich die alten Schallplatten sonst wo hinstecken kann. Und das trifft eben nicht nur auf Ehemänner und feste Beziehungen zu, sondern auch auf unglückliche Affären, Seitensprungbekanntschaften oder frühere Arbeitskollegen, in die man heimlich verliebt war. Wie es auch sei, es waren Ihre Gefühle im Spiel, die an einem Punkt zurückgewiesen wurden. Weshalb Sie nun mit äußerlich verheilten, aber vielleicht noch juckenden Narben durch den Frühling laufen. Verletzungen, die jederzeit plötzlich aufplatzen können, ahnen Sie, trotz Kontaktabbruchs, trotz des Löschens bei Facebook und trotz Ihres aufgeräumten Handys. Sie haben in den frostigen Liebeskummermonaten Tabula Rasa mit Ihrem Herzen gemacht und alle Zukunftspläne auf Eis gelegt und das ist sehr, sehr gut. Doch inmitten der Verarbeitung der Enttäuschung können Sie schwerlich leugnen, dass der Tag unmittelbar bevorsteht, wo sich Ihre und die Wege Ihres Ex-Lovers wieder kreuzen werden. (Lesen Sie unten weiter)

Man sieht sich immer zweimal im Leben Ein Beispiel, das Ihnen vielleicht hilft. Ein umwerfender Mann und ich führten vergangenes Jahr eine leidenschaftliche Affäre. Verlieben wollte er sich nicht in mich, was mich natürlich nicht davon abhielt, ihn monatelang vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Bis ich endlich kapierte, wie sinnlos es war, musste er erst verkünden, dass er eine neue Affäre gefunden habe, in die er sich zwar auch nicht verlieben könne, aber mit der er an seinem Geburtstag ein langes Wochenende verreisen würde. Ein Wochenende wohlgemerkt, was ich mir insgeheim freigehalten hatte, wie Sie sich denken können. Was ich tat? Genau das, was Sie auch getan hätten. Ich löschte seine Nummer, mied gemeinsame Locations und Stadtteile, von denen ich wusste, dass er sich dort herumtrieb. Ich fuhr unpraktische Umwege, um nicht durch seine Straße zu fahren und wenn ich es doch tat und nur sein geparktes Auto sah zuckte mein Herz zusammen. Ich war nervös, wenn ich an Cafés vorbei kam, wo ich ihn vermutete. Und ja, es passierte. Einmal saß er in einem Café und ich fuhr mit dem Rad vorbei. Souverän wäre es gewesen, winken weiterzufahren. Leider drehte ich um, stieg ab und verbrachte eine Stunde stammelndes Anhimmeln, ehe er mich im Café sitzen ließ, weil er einen Termin hatte. Ein anderes Mal trafen wir uns auf dem Wochenmarkt, wo er mit einem Freund herumlief und wo ich mich, statt cool meine Einkäufe fortzusetzen, den beiden anschloss, ehe sie mich stehenließen, weil Bundesligaanpfiff nahte. Wo auch immer sich unsere Wege kreuzten, reagierte ich zugegeben sehr unterwürfig, pubertär peinlich, fühlte mich unwohl und ärgerte mich Stunden später, dass ich ihm das Gefühl vermittelt hatte, ich noch immer zu wollen. Weil ich sofort alle meine Pläne verworfen hatte, um ihm immer noch zu gefallen. Ja, vielleicht kennen Sie das. Die Zeit und Narbencreme heilen alle Wunden Bis ich irgendwann nach und nach innerlich losließ. Nicht nur, weil immer mehr Zeit verstrich, ich nichts mehr von ihm hörte, sondern auch, weil mein Leben ohne ihn prima weiterging. Ich hatte wieder mehr Zeit für meine Freunde und für mich, lernte neue Männer kennen und verstand vor allem immer mehr, wie wenig ich ihm bedeutet hatte. Er meldete sich nicht, ich meldete mich nicht und der Zufall wollte auch nicht mehr, dass wir uns auf der Straße zuwinkten. Es ist traurig, aber wahr: ein Mensch kann von heute auf morgen der Allerwichtigste in deinem Leben werden. Aber leider niemals von gestern auf morgen wieder eine neutrale Person. Weil ein Fremder natürlich unbehaftet ist und ohne gemeinsame Geschichte. Und ein Mensch, den man kennenlernte und mal sehr mochte, mit dem man einen gewissen Zeitraum lang eine gemeinsame Geschichte und ähnliche Hoffnungen reinsetzte, den kann man eben prima im Telefon und in der Facebook-Chronik löschen, aber nicht im Kopf. Doch irgendwann, da bin ich mir in jeder Liebestrauerphase sicher, ist das Kapitel geschlossen und man spürt kein inneres Verlangen mehr danach, neue Seiten mit diesem Menschen dazuzuschreiben. Plötzlich bog ich wieder auf dem Rad in seine Straße ein und dachte mir "Och, wenn ich heute zufällig treffen würde, wäre es okay. Echt jetzt!" Weil wir uns begrüßen würden und einfach plaudern, wie es denn so geht. Mein Urvertrauen war zurück und die Narbe juckte nicht mehr. Und eines Tages passiert es dann doch Nur dann genau passiert es natürlich nicht. Sondern eines anderen Tages, an dem eine Sms mit einer unbekannten Nummer aufploppte, weil ich ihn ja nicht mehr eingespeichert hatte. Er fragte, wie es so geht und ob ich Lust auf ein Wiedersehen hätte. Und während ich so querlas spürte ich diese unbeschwerte Leichtigkeit, dieses Kribbeln in den Fingern, hörte die Vögel draußen zwitschern und legte mein Telefon auf den Tisch. Ohne wie am Anfang meiner Verknalltheit sofort einer Freundin stolz zu schreiben, dass er sich gemeldet hat. Ohne sofort jegliche Wochenpläne umzuschmeißen, um andere Verabredungen fix gegen Fitnessstudio zu tauschen, um für ihn supergut auszusehen. Ohne das alles. Sondern mit dieser Gelassenheit zu wissen, dass ich wieder bei mir angekommen war. Weil der einst so wichtige Mensch nun ein Jemand geworden ist, über dessen Zeilen ich mich zwar freute, aber nicht viel mehr als über die lieben Sonntagsgrüße meiner Tante. Ganz nett, aber kein Verlangen, sofort darauf zu reagieren. Geschweige denn, wieder Platz in meinem Leben einzuräumen. Ja, Verliebtsein ist wahnsinnig toll! Aber um das Verliebtsein wieder abzustreifen bedarf es eben einer harten Cocooning-Phase, wie bei einer Raupe. Nach der Zeit voller Luft und Liebe folgt die triste Liebeskummerphase, wo man Frust in sich hineinfrisst. Aber dann: Hallo, Frühling! Es juckt wieder in der Nase, aber nicht mehr in der alten Wunde. Und wenn ich den Mann demnächst auf der Straße sehe, werde ich fröhlicher winken, als die Queen. Glauben Sie mir, man sieht jemandem an der Nasenspitze an, wenn das souveräne Selbstvertrauen endlich wieder aufgeblüht ist. Wie ein Schmetterling flattert auch Ihr Herz bald wieder naiv und unbeschwert durch die Luft. Sie dürfen einfach niemals vergessen, dass nach sich Frost und Frühlingsgefühle immer abwechseln. Immer. Fünf Verhaltensregeln, wenn Sie in Ihrer Stadt dem Ex begegnen: 1. Begrüßen Sie sich normal mit Wangenküsschen oder Umarmung, denn alles andere wäre albern. Auf die Frage, wie es geht, niemals etwas anderes als ein lässiges „Alles super. Und bei dir?" antworten. 2. Nutzen Sie die Umgebung für ein paar Plauderminuten. Stehen Sie in der köstlichen Eisdiele, im wuseligen Supermarkt oder vor einer schicken Bar? Ein, zwei Sätze dazu oder zum Wetter und dann können Sie sich gegenseitig einen schönen Tag/Abend wünschen. Seien auf jeden Fall Sie derjenige, der das Gespräch beendet. 3. Themen wie Liebe (vor allem Ihre gescheiterte!), Krankheiten, Jobstress oder andere Alltagssorgen sind absolut Tabu. Ebenso neugieriges Nachhaken nach neuen Sexualpartnern oder mitfühlendes Nachforschen früherer Sorgen. Die Probleme ihres Ex' sind inzwischen auch Ihre Ex-Probleme. 4. Wenn Sie nicht wirklich über ihn hinweg sind, lassen Sie sich nicht zu halbherzigen Verabredungen hinreißen, die eh nicht zustande kommen. Aus purer Überforderung "Wir können ja mal wieder was trinken" stammeln ist unreif und unter Ihrem Niveau. Lieber ein cooles "Du, viel los gerade, aber wir sehen uns sicher". Das stimmt wenigstens. 5. Ja, kann schon sein, dass Sie vor ihm stehen und denken, "Verdammt, er sieht immer noch unverschämt gut aus." Aber seien Sie sich bitte auch darüber im Klaren, dass Sie erwachsen genug sind, zwischen sexuellen, optischen Reizen und intelligent attestierter Gefühlskälte differenzieren können. Hallo? Er wollte Sie nicht, Sie hatten Ihre Chance und die Erde dreht sich weiter! Sie sind nämlich beide zu einem Jemand geworden. Wahnsinnig erleichternd, oder?

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