Mit dem französischen Schriftsteller Frédéric Beigbeder kann man über vieles reden. Auch über die wirklich großen Themen: Liebe, Drogen, Eitelkeit und das Internet.
ZEIT ONLINE: Herr Beigbeder, in Ihrem aktuellen Buch Ein französischer Roman beschreiben Sie Ihre Kindheit mit den Worten "Es sah aus wie Glück, aber es fühlte sich nicht an wie Glück." Trifft das jetzt auch zu?
Frédéric Beigbeder: Glück ist ein trauriges Wort. Es macht die Menschen unzufrieden. Wenn man die Menschen danach fragt, werden sie depressiv. So wie ich gerade. Sie behaupten "Frédéric, Ihr Leben ist perfekt!" und schon möchte ich Wodka bestellen. Aber ich schreibe immer über unglückliche Menschen. Sie sehen glücklich aus und lächeln, aber sie sind es nicht. Es ist mysteriös, und ich weiß nicht warum. Vielleicht weil es sonst langweilig wäre?
ZEIT ONLINE: Wann waren Sie zuletzt glücklich?
Beigbeder: Als ich vor ein paar Tagen in Göttingen in einem Park spazieren ging und die Sonne schien. Danach habe ich Würstchen gegessen.
ZEIT ONLINE: In Ihrem Roman erforschen Sie Ihre Kindheit, an die Sie sich als Erwachsener nicht mehr erinnern konnten. Ersetzt das Schreiben eine teure Psychotherapie?
Beigbeder: Ich mache beides. Ich gehe zu einem Therapeuten, aber das Schreiben hat mir auch geholfen. Mein Therapeut hat mir beigebracht, nicht zu allem Ja zu sagen. Ich weiß nicht, ob Schreiben wirklich heilen kann. Aber es hilft, Probleme in Worte zu fassen und zu akzeptieren, dass man sie niemals lösen wird. Über meine Kindheit wollte ich schon eine ganze Zeit lang schreiben. Weil ich mich nicht an sie erinnern konnte und das merkwürdig fand.
ZEIT ONLINE: Sie wurden im Januar 2008 wegen Kokainmissbrauchs verhaftet und mussten zwei Tage in Untersuchungshaft sitzen. Dort kam Ihnen die Idee zu Ihrem Buch.
Beigbeder: Die französische Polizei gab mir die Rechtfertigung, dieses Buch zu schreiben. Ich saß in der Zelle und dachte darüber nach, dass ich über meine Kindheit schreiben könnte. Ich mag es, wenn in meinen Büchern immer zwei Geschichten vorkommen. Ohne diesen Teil wäre es nur die langweilige Geschichte eines kleinen Jungen gewesen.
ZEIT ONLINE: Folglich verdanken Sie der Polizei die Romanidee? Sie könnten auch dem Kokain danken. Ohne Kokain kein Roman, also hatten die Drogen etwas Gutes, oder?
Beigbeder: Nein, Kokain ist nicht gut, sondern immer schlecht. Aber wenn man nicht gut drauf ist, kann es für eine halbe Stunde helfen. Wie ein Glas Wodka. Wie alle Drogen. Manche sind legal, andere illegal. Aber alle haben die gleiche Wirkung. Man fühlt sich für eine kurze Zeit besser und am nächsten Tag schlechter. Kokain ist eine Metapher für die Art, wie wir heute Leben. Wir wollen die Vergangenheit vergessen und haben Angst vor der Zukunft.
ZEIT ONLINE: Sie zitieren an einer Stelle des Buches Arthur Schopenhauer. Vom ihm stammt der Ratschlag "Erzähle Deinen Freunden nichts, was Deine Feinde nicht über dich wissen sollten." Haben Sie sich mit Ihrem Roman nicht unnötig verletzbar gemacht? Manche Kritiker fanden es egozentrisch.
Beigbeder: Manchmal ist es für Bücher gut, sich zu entblößen und so zerbrechlich und angreifbar zu machen. Außerdem ist es für Schriftsteller normal, egozentrisch zu sein. Das sind sie alle, aber ich bin so ehrlich es zuzugeben. Niemand wird gezwungen, mein Buch zu lesen oder zu kaufen. Ich habe meine egonzentrische Art durch meine Selbstbetrachtung im Buch ausbalanciert. Ich hasse Schriftsteller, die sagen: "Ich bin großartig und genial, aber keiner versteht mich." Das mache ich nicht, sondern sage lieber: "Ich bin traurig, deprimiert, häßlich, keiner liebt mich."