2 Abos und 1 Abonnent
Artikel

Warum die Erwartung auf das Armageddon den Blick verstellt

Christliche Elemente bestimmen die Politik in den USA deutlich stärker als beispielsweise in Asien. Zu den verbreiteten biblisch geprägten Vorstellungen zählt auch die Erwartung des Jüngsten Gerichts, bei welchem Gott die Guten rettet und die Bösen der Verdammnis überlässt. Dass God's own country sich da sicher ist, auf der Seite der Guten zu stehen, versteht sich von selbst. Damit sieht man sich auch dem Internationalen Gerichtshof nicht unterworfen. Ja man hat Ermittlungen gegen die USA mit Sanktionen gekontert und ein Gesetz verabschiedet, das im Falle einer Verurteilung eines US-Staatsbürgers durch den Internationalen Gerichtshof einen militärischen Einmarsch beim Nato-Partner Niederlande zwingend vorsieht.


Wenn die Erwartung eines Jüngsten Gerichts, bei welchem man als US-Bürger nur gewinnen kann und dann der Weg ins Paradies offensteht, das größte denkbare Risiko darstellt, kann man sich ziemlich unbefangen für Wege entscheiden, welche anderen nicht offenstehen. Die Idee des endzeitlichen Kampfs geht auf die biblische Offenbarung des Johannes zurück und kam schon mit den ersten Siedlern nach Amerika. Viele dieser Siedler waren aus ihrer alten Heimat in Europa ausgewandert, weil sie einerseits nach wirtschaftliche Erfolg strebten, andererseits jedoch auch religiösen Vorstellungen anhingen, die im damaligen Europa Minderheitsmeinungen darstellten. Zudem wurde für die Überfahrt auf überfüllten Schiffen eine gehörige Portion Gottvertrauen benötigt. Dieses wurde dann auch durch die erfolgreiche Ankunft in Nordamerika bestätigt.


Die evangelikalen Gemeinden sind so grundlegend in ihrer Überzeugung gefangen, dass sie alleine von Gott auserwählt sind und ihnen alleine das ewige Leben offenstehe, dass sie Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund im besten Falle ignorieren, meist jedoch verachten. Menschen, die auf der Basis anderer Kulturen anderen Vorstellungen folgen als Gottes Auserwählte, müssen in der Folge bekämpft werden. Wenn US-Präsident Biden jetzt von der Gefahr einer atomaren Konfrontation und der Aussicht auf ein Armageddon spricht, ist die nur aus der US-Kultur zu verstehen und in großen Teilen der Welt schlicht unverständlich.