Auch dort regiert inzwischen der Kostendruck und der Patient degeneriert erneut zum Fall, der pauschal und mit der Stoppuhr in der Hand abgearbeitet wird. Kommt ein Patient in den Genuss mehrerer Elemente der häuslichen Krankenpflege, so wird nur der teuerste Baustein bezahlt. Alle weiteren Elemente werden nicht vergütet, müssen aber ausgeführt und jeweils dokumentiert werden. Der nicht bezahlte Aufwand wird dann in der Folge bei den Löhnen eingespart, schließlich ist das verfügbare Budget gedeckelt. Für die Krankenkassen erscheint heute eine Bezahlung der Pflegekräfte nach Tarif nicht mehr angemessen, wenn am Markt auch Pflegekräfte zu finden sind, die für weniger Geld arbeiten. Während die Pflegeversicherungen inzwischen Tariflöhne akzeptieren, ist dies bei der von den Krankenkassen bezahlten häuslichen Krankenpflege noch immer nicht durchgesetzt. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband hat auf seiner Seite eine Modellrechnung zur Entwicklung der Unterfinanzierung im Bereich der ambulanten Pflege veröffentlicht (http://www.der-paritaetische.de/uploads/media/140508_expertise_unterfinanzierung.pdf).
Eine Petition unter dem Titel: „ Gesundheitsfachberufe – Angemessene Vergütung für Pflegekräfte“ (https://epetitionen.bundestag.de/epet/petuebersicht/mz.$$$.SSI.true.batchsize.10.page.3.html) versucht derzeit wenigstens einen kleinen Schritt in die Richtung einer Besserung im Bereich der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V zu erreichen, also der Leistung, die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird. Die Petition läuft noch bis zum 4. Dezember 2014 und ist noch sehr weit vom benötigten Quorum von 50.000 Mitzeichnern entfernt.
Eine schlechte Bezahlung, die hohe körperliche Belastung und eine fehlende gesellschaftliche Anerkennung sorgen noch immer dafür, dass die Zahl der Pflegekräfte in der ambulanten Pflege begrenzt bleibt. Und wenn es nicht genügend Pflegepersonal gibt, welches die Patienten in ihrem angestammten persönlichen Umfeld pflegt müssen immer mehr Patienten in die stationäre Pflege verschoben werden. Dort sieht die Personalausstattung jedoch auch nicht wirklich besser aus. Alte Patienten, vor Allem wenn sie auch noch durch Demenz belastet sind, behindern vielfach die streng ausgetakteten betrieblichen Abläufe in der stationären Pflege. Sie werden daher gerne mit Medikamenten ruhiggestellt. Anders als die umstrittene Fixierung der Patienten fällt die medikamentöse Ruhigstellung weniger auf.
Wenn die Pflege schon jetzt an ihre Grenzen stößt und kein weiteres Budget bereitgestellt werden soll, weil man die Beitragssätze der Krankenversicherung nicht anheben will, könnte man neben dem Arbeitseinkommen auch andere Einkommensformen zur Finanzierung der Pflege heranziehen. Dieses Thema wird jedoch mit Vorliebe verdrängt und so wird man sich in Zukunft wohl lieber mit technischen Rationalisierungsmöglichkeiten in der Altenpflege beschäftigen, denn der
Rationalisierungsdruck kann mit weiteren Lohnsenkungen und einer weiteren Verdichtung der Pflege nicht mehr aufgefangen werden.
Die erwartbare Zunahme der stationären Pflegefälle wird zu neuen Lösungen führen müssen und Deutschland hat den gewaltigen Vorteil, dass man über einen leistungsfähigen Maschinenbau verfügt, der seine Erfahrungen im Bereich der Logistik, der Fertigungslogistik und des landwirtschaftlichen Maschinenbaus künftig auch im Bereich der standardisierten und automatisierten Pflege alter Menschen einbringen kann. Da auch andere Länder vom demografischen Wandel betroffen sind, bieten sich mit der Entwicklung einer modernen und effizienten Altenpflegetechnik zudem wachsende Möglichkeiten für den Export an.
Die Entwicklung von Pflegerobotern zählt zu den Wunschträumen der Investoren im Bereich der Altenpflege. Nun müssen aber auch die Roboter zwischen den einzelnen jetzt zu Kunden mutierten Patienten immer wieder Wege zurücklegen, die wenig produktiv sind. Im Gegensatz zur den Pflegenden haben die zu pflegenden Kunden deutlich mehr Zeit und so erscheint es sinnvoll, dass die Kunden zu den Pflegedienstleistern kommen. Das Potential der Rationalisierungsmöglichkeiten ist dabei beachtlich. Um sicher zu stellen, dass jeder Kunde eindeutig identifiziert werden kann, auch wenn er aufgrund fortgeschrittener Demenz seinen eigenen Namen nicht mehr erinnert und überzeugt ist, er wäre der letzte deutsche Kaiser, erhält er einen RFID-Chip zur Identifikation implantiert. Damit wird gewährleistet, dass jeder Kunde genau die Pflegeleistungen und Medikamente erhält, die ihm vom ärztlichen Servicecenter verordnet wurden.
Die Kunden werden im Interesse einer effizienten Pflegeabwicklung nicht mehr in den heute noch üblichen Zimmern untergebracht, sondern in einer mobilen Wohnbox, die statt eines Fensters einen Flachbildschirm enthält, der den Blick nach außen ersetzt. Zudem können die Bewohner über die hausinterne Kommunikationsanlage untereinander kommunizieren und den Flachbildschirm als Bildtelefon nutzen. Für die Unterbringung der Wohnboxen könnte man dann beispielsweise auf Logistikzentren eines Luxemburger Versandhändlers zurückgreifen, die aufgrund des Rückgangs der Kundenzahlen nicht mehr benötigt werden. Die dort schon implementierte Lagerhausautomation könnte mit geringem Aufwand umgerüstet werden. Zur morgendlichen Hygienepflege werden die Wohnboxen dann vollautomatisch mit Hilfe von spurlos geführten Flurförderfahrzeugen ins integrierte Hygienezentrum befördert. Dort werden die Wohnboxen jeweils in ein System eingestellt, das hinsichtlich der Grundfunktionalität den in landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzten Melkkarusells entspricht. In einzelnen Verfahrensschritten werden dort von spezialisierten Fachkräften oder wo möglich auch von Pflegerobotern die einzelnen Pflegeanwendungen ausgeführt. Durch einen entsprechenden Sichtschutz wird dabei die Privatsphäre der Kunden geschützt. Nach jedem Schritt werden die hocheffizienten und energie- und wassersparend ausgerüsteten Pflegepunkte automatisch gereinigt und desinfiziert, wie man das von den als Straßenmobiliar aufgestellten öffentlichen Toiletten kennt. Das hochflexible System lässt neben den automatisierten Abläufen auch die Freiheit für kostenpflichtigen Sonderanwendungen, für welche die Wohnboxen dann jeweils vollautomatisch aus der Lagerung geholt werden. Die anfallenden Kosten werden dann sofort vom Konto des Kunden abgebucht. Sollte das Konto des Patienten die notwendige Deckung nicht aufweisen, wird der Sonderwunsch nicht ausgeführt.
Wem vor dieser Entwicklung graust und wer lieber Patient als Kunde wäre und lieber von Menschen als von Robotern gepflegt werden will, der kann sich ja an der oben erwähnten noch bis zum 4. Dezember laufenden Petition beteiligen.
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