Christine Persitzky

Freie Journalistin, Texterin, Berlin

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Kein Berg zu steil! E-Bikes sind in der Stadt eine gute Alternative zum Auto

"Wer damit fährt, erlebt einen ganz großen Aha-Effekt." Julian Affeldt von der Lokalen Agenda 21 Kleinmachnow ist von Elektrorädern begeistert. "Man kommt viel leichter und schneller voran", so seine Erfahrung.Radeln statt Auto fahren - wie das im Alltag funktioniert, wird demnächst in Kleinmachnow erprobt. In der von Affeldt und der Agenda-Arbeitsgruppe Energie und Klimaschutz organisierten Aktion "Tausche Auto gegen Elektrofahrrad" sollen drei Haushalte zwei Wochen lang auf ihr Auto so weit wie möglich verzichten. Dafür bekommen sie kostenlos ein Fahrrad mit Elektromotor gestellt, dazu Zubehör wie Packtaschen und Einkaufs- oder Kinder-Anhänger. Am 8. Mai geht's los. "Besonders freut mich, dass auch unser Bezirksbürgermeister sofort bereit war mitzumachen und seinen Autoschlüssel für zwei Wochen abgeben will", sagt Affeldt. Die Erfahrungen der Teilnehmer werden ausführlich dokumentiert, die Ergebnisse ausgewertet und veröffentlicht. Der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad - kann er mit Elektrorädern gelingen? 

Schon jetzt sind die Fahrräder mit elektrischem Zusatzantrieb mehr als nur ein Geheimtipp, sie sind ein Megatrend. Die Absatzzahlen für Deutschland sind laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt: von 25 000 verkauften Elektrorädern im Jahr 2005 auf 100 000 2008 und wohl bis zu 150 000 im Jahr 2009. Die Hybridbikes oder Pedelecs - eine Wortschöpfung aus Pedal Electric Cycle - verbinden Muskelkraft und elektrische Antriebsenergie auf intelligente Weise: Je nach gewähltem Unterstützungsgrad hilft der Elektromotor unterschiedlich stark beim Treten und ermöglicht damit ohne große Anstrengung eine Geschwindigkeit von bis zu 25 Stundenkilometern. Dennoch gelten sie offiziell als Fahrrad, es gibt keine Helm- oder Versicherungspflicht, Radwege dürfen benutzt werden.

Der Nutzen für den Klimaschutz liegt auf der Hand. Im Vergleich zum Pkw sind die Einsparpotenziale beim Klimagas Kohlendioxid (CO2) enorm: "Geht man beim Pedelec von einer Leistung von einer Kilowattstunde pro 100 Kilometer aus und setzt bei einem normalen Strommix etwa 700 Gramm CO2 pro Kilowattstunde an, erhält man Emissionen von sieben Gramm pro Kilometer. Zum Vergleich: Ein Pkw erzeugt im Durchschnitt rund 140 Gramm CO2 pro Kilometer, also das Zwanzigfache", überschlägt Andreas Ostermeier vom Umweltbundesamt die möglichen Umwelteffekte. Ganz zu schweigen von der völlig emissionsfreien Variante, wenn der Fahrrad-Akku mit Strom aus erneuerbaren Energien gespeist wird. Vor allem die im Pkw zurückgelegten Wege, die kürzer sind als fünf Kilometer - und das sind etwa 40 Prozent -, ließen sich gut per (Elektro-)Fahrrad bewältigen.

Auch Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin sieht in den Elektrorädern ein enormes Potenzial, selbst wenn der ein oder andere Radfahrer vom klassischen Fahrrad auf ein Elektrorad umsteigen sollte. "Die Möglichkeiten für CO2-Einsparungen sind erheblich größer als gegenläufige Effekte bei normalen Radfahrern. Wir sind da sehr optimistisch." Vor allem die geteilte Nutzung der Fahrzeuge durch Vermietung, zum Beispiel ähnlich dem Carsharing, vergrößert den Umweltnutzen weiter. Reduziert sie doch Umweltbelastungen, die beispielsweise bei der Produktion entstehen.

Genau das will das Projekt BeMobility in Berlin versuchen. Im Rahmen des Programms "Modellregionen Elektromobilität" des Bundesverkehrsministeriums soll ein neues Mobilitätskonzept erprobt werden, das den öffentlichen Personenverkehr mit Elektrofahrzeugen verknüpft. Dabei sollen in der Pilotphase ab Herbst 2010 neben Elektroautos auch rund 50 Pedelecs zum Einsatz kommen. Auch Stuttgart und Aachen arbeiten an Verkehrskonzepten und Fahrradverleihsystemen, die Räder mit Elektroantrieb integrieren sollen.

Ihr Image als Reha-Gefährt oder Fahrrad für Tretfaule legen die E-Bikes dabei immer mehr ab. Tatsächlich sind es weniger die älteren, physisch eingeschränkten Personen, die die neuen Pedelecs nutzen. "Unsere Stichproben deuten eher darauf hin, dass vor allem die Technikinteressierten Elektrofahrräder nutzen", erklärt Andreas Knie. Währenddessen boomen die Elektroräder in China und sind auch in den Niederlanden oder der Schweiz schon in breiteren Bevölkerungsschichten angekommen. Selbst Polizei und Sanitätsdienste nutzen dieses Fahrzeug.

Umweltfreundlich und mit viel Spaß am Fahren unterwegs sein, entspannt und unverschwitzt ankommen, den Tourenradius und den Horizont erweitern, das leichte Fahrgefühl zu genießen - all das versprechen die Pedelecs und E-Bikes. Kein Berg zu steil, kein Weg zu weit - keine Ausreden mehr.

Gut zu wissen:

Elektroräder kosten ab ca. 1 500 Euro, das heißt, sie sind deutlich teurer als normale Fahrräder.

Mit 24 Kilogramm sind sie auch deutlich schwerer als normale Räder, ein ebenerdiger Stellplatz bietet sich an.

Die Art des Ladevorgangs bestimmt die Auswahl: Wer keinen ebenerdigen sicheren Ladeplatz (z.B. Garage mit Steckdose) hat, kann zu Modellen mit herausnehmbarer Batterie greifen.

Vor dem Kauf sollte grundsätzlich eine Probefahrt gemacht werden, auch auf Strecken mit verschiedenen Steigungen. Eine kostenlose Mobilitätsberatung bieten die Verbraucherzentrale und der Verkehrsclub Deutschland, Tel. 0800/ 203 09 00, im Rahmen der Kampagne "Für mich. Für dich. Fürs klima". www.verbraucherfuersklima.de Zahlreiche Testberichte mit technischen Details bietet die Zeitschrift "Aktiv Radfahren" in ihrer Extraausgabe "Elektrorad" (4,50 Euro).

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