2 Abos und 2 Abonnenten
Artikel

Günther Burbach kennt die Hölle

Günther Burbach hat das Buch „Hilf dir selbst, denn sonst kann es keiner" geschrieben.Foto: Michael Kleinrensing

Hagen-Mitte. Günther Burbach hat das Buch „Hilf dir selbst, denn sonst kann es keiner!" geschrieben.

An seinen ersten Schluck Alkohol kann sich Günther Burbach nicht erinnern, an seinen ersten Vollrausch schon. „Das war mit 13 Jahren auf Karfreitag. Da haben wir mit drei, vier Leuten gesoffen, ich hatte drei oder vier Glas Whiskey und fünf Flaschen Bier. Danach wusste ich nicht mal mehr die Richtung nach Hause."

Heute, 37 Jahre später, weiß Burbach, wie die Hölle aussieht. Jahrzehntelang hatte der Hagener nur eine Sorge: das Leben so zu organisieren, dass Alkohol für ihn immer und überall griffbereit war. Das fing morgens beim Zähneputzen mit der Flasche Wodka im Wäscheschrank an und endete abends in der Kneipe bei Bier und Korn. Die Folgen wusste er zu vertuschen: die Alkoholfahne mit Knoblauch, die Fehlzeiten auf der Arbeit mit ausgedachten Krankheiten. „Das ist alles so fürchterlich", sagt er, „das kann man gar keinem erzählen."

Burbach hat es trotzdem getan. In seinem Buch „Hilf dir selbst, denn sonst kann es keiner!" beschreibt er, wie er sich beinahe selbst zerstört hätte, sich von Absturz zu Absturz hangelte und dies Leben nannte - aber auch, wie er es geschafft hat, zurückzufinden aus der Sucht .

Selbsthilfe verursacht neue Probleme

Warum er diese private Katastrophe öffentlich macht? Burbach möchte eine Diskussion anregen, Gleichgesinnte finden, die wie er schon länger trocken sind, will wissen, wie sie den Ausstieg geschafft haben. Denn eines macht er auch klar: Die Selbsthilfegruppen sind für ihn kein Allheilmittel. „Für viele ist es nur eine Suchtverlagerung. Die nehmen dann Psychopharmaka oder können nirgendwo hinfahren, wo es keine AA-Gruppe gibt." Auch das sei Abhängigkeit: Von AA, den Anonymen Alkoholikern. Oberstes Ziel sollte es laut Burbach sein, das Selbstwertgefühl der Betroffenen zu stärken. Denn: „Die meisten haben gar keins mehr."

Mit 13 Jahren holte er sich sein Selbstbewusstsein über die Motorradclique. Mit ihr fuhr er Rennen im holländischen Zandvoort , rauchte Cannabis und hatte schon bald sein erstes eigenes Auto. „Ich hab' damals das Leben eines 18-Jährigen geführt." Und Alkohol gehörte wie selbstverständlich dazu. „Das war normal." Er sei da einfach so hineingeraten. „Dabei bin ich in einer stinknormalen Familie groß geworden, das war keine Alki-Familie", sagt Burbach. Und trotzdem: Sein Bruder ist am Suff gestorben. Noch am Totenbett hätte man ihn fragen können, ob er Alkoholiker sei - „er hätte das nie zugegeben." Doch selbst der Tod war nicht schrecklich genug, um Burbach vom Alkohol abzubringen. Nicht der seines Bruders und nicht der eines Freundes. „Wir sind auf die Beerdigung und haben auf dem sein Wohl gesoffen." Burbach schüttelt den Kopf. Immer wieder unterbricht er seine Sätze und stößt leise Seufzer aus. So als könnte er nicht glauben, wozu ihn der Alkohol früher getrieben hat. Ihn, den kantigen Mann mit Vollbart und breiten Schultern. Einen Typen, wie man ihn sich auch auf einem Fischkutter auf See vorstellen kann, den eigentlich nichts umhaut.

Es war ein Abend vor neun Jahren

Ein Ereignis tat es dann doch - im positiven Sinn. Es war an einem Abend vor neun Jahren. Burbach kam betrunken aus der Kneipe nach Hause, seine Frau stand mit gepackten Koffern in der Tür. „Da hab' ich gedacht, wenn sie jetzt geht, ist's zappen." Burbach ging von jetzt auf gleich in den kalten Entzug, anschließend zu AA. Durch die regelmäßigen Treffen und indem er sich den Wahnsinn der vergangenen Jahre wieder und wieder vor Augen führte, sei er bis heute trocken geblieben - auch, weil seine Frau letztendlich blieb. Selbst in eine Kneipe könne er nun wieder gehen; für Gäste stehen Bier und Schnaps im Schrank. Burbach hat es geschafft. „Der Alkohol bestimmt mein Leben nicht mehr." Die Hölle, die möchte Burbach nicht wiedersehen.

Christima Holthoff

Zum Original