"Suche Hilfe für Pflege", schreibt Herbert aus Rottal-Inn. Sein Vater habe eine Pflegestufe, die Familie brauche jemanden, der ihn einmal die Woche wasche. "Da er bei Fremden sehr gut mitmacht im Gegensatz dazu, wenn die Familie es macht." Ein ganz normales Hilfegesuch in einer Jobbörse, könnte man meinen. Doch Herbert stellt sein Gesuch in den "Werbekanal für Ungeimpfte" beim Messengerdienst Telegram.
Sportkurse und Friseurtermin trotz 2GEgal ob Gesuch oder Angebot: In dem Kanal sollen Ungeimpfte Dienstleistungen finden, die sie unter 2G so nicht mehr bekommen würden, wie etwa Sportkurse oder einen Friseurtermin. Und Herbert sucht eben jemanden, der bei der häuslichen Pflege hilft - gerne auch ungeimpft: "Vielleicht kann man ungeimpfte Pflegekräfte damit unterstützen." Ob Herbert selbst ungeimpft ist und warum er das Angebot ausgerechnet in dem Kanal postet, ist allerdings unklar: Auf die Anfrage des BR hat er nicht reagiert.
Neben dem "Werbekanal für Ungeimpfte" gibt es viele weitere öffentliche Telegram-Kanäle oder Gruppen, in denen Ungeimpfte nicht nur Dienstleistungen suchen, sondern auch Jobs finden können. Diese nutzen mittlerweile sogar Firmen gezielt, um Personal zu akquirieren.
Sogar Firmen nutzen Telegram bei der Personalsuche"Wir sind keine Querdenker, wir sind keine Nazis, wir sind der Mittelstand", sagt die Inhaberin eines Autohauses am Chiemsee. Sie will anonym bleiben. Auch sie hat bei Telegram inseriert, sucht aktuell Fachkräfte für die Werkstatt, die Buchhaltung und das Lager. Ob geimpft oder ungeimpft, ist ihr egal. Sie braucht Leute, die den Job gut machen, und die seien schon immer schwer zu finden gewesen.
Die Überlegung der Inhaberin: Wenn viele Betriebe nur noch geimpfte Mitarbeiter nehmen, fällt vielleicht bei den Ungeimpften schneller jemand für sie ab. Ihre Garantie: "Wir diskriminieren nicht. Nicht nach Hautfarbe, nicht nach Geschlecht, nicht nach Impfung."
Auch ungeimpfte Münchner Optiker suchen PersonalÄhnlich sieht das die Inhaberin eines Münchner Brillengeschäfts, die ebenfalls anonym bleiben will. "Wir können es uns gar nicht erlauben, wählerisch zu sein, weil wir dringend Leute suchen", sagt sie am Telefon. Zurzeit stehe sie allein mit ihrem Mann im Laden. Beide sind ungeimpft, lassen sich stattdessen regelmäßig testen.
Der einzige Angestellte sei derzeit krank. Er habe psychische Schwierigkeiten, vermutlich entstanden in der Vereinsamung während der Pandemie. Umso dringender ist deshalb jetzt die Suche nach Verstärkung, auch bei Telegram. "Ich will nichts auslassen und lasse mich auch nicht in eine Ecke drängen, nur weil ich für den Betrieb was rausholen will."
Neben Jobgesuchen auch zweifelhafte InhalteDas Problem ist: In manchen dieser Gruppen werden nicht einfach nur Job-Angebote und Gesuche aufgegeben, sondern auch illegale Inhalte geteilt: wie etwa das Angebot von "Original-Impfpässen" gegen eine Zahlung von 100 Euro das Stück. Oder aber es geht um etwas ganz anderes, nämlich darum, dass Medien und Staat angeblich nicht die Wahrheit über die Pandemie erzählen.
Parallelwelt für Ungeimpfte: Tipps fürs Reisen und regionale HilfsangeboteNeben Jobbörsen gibt es bei dem Nachrichtendienst Telegram mittlerweile noch weit mehr Angebote für Ungeimpfte - größtenteils von anderen Ungeimpften. Einige davon sind deutschlandweit angelegt: Etwa "impfFREI reisen - bewusst reisen", wo sich Ungeimpfte darüber auf dem Stand halten, wo sie überhaupt noch Urlaub machen können - und wie Reisen innerhalb Deutschlands trotz der 3G und 2G-Regel noch möglich ist: Vieles sind Tipps, einiges aber auch Tricks, um die bestehenden 3G- und 2G-Regeln zu umgehen.
In regionalen Gruppen hingegen suchen Ungeimpfte vor allem den Austausch, aber auch konkrete Hilfe vor Ort. Ein Beispiel hierfür ist die Gruppe "Second Hand Klamotten, Spielsachen..." für den Landkreis Rottal-Inn. Die Gründerin schreibt, die Gruppe sei dafür da, damit "wir Ungeimpften uns untereinander helfen, an Dinge fürs tägliche Leben zu kommen". Schließlich seien sie die "Gelackmeierten", die vieles nicht mehr über den Handel bekämen. Geimpfte Personen seien natürlich ebenfalls willkommen.