Berlin - Seit diesem Montag steht er vor dem Landgericht Potsdam: Silvio S. - der Mann, der gestanden hat, Elias (6) und Mohamed (4) entführt und ermordet zu haben. Ihm droht lebenslange Haft. Dennoch - am ersten Verhandlungstag schien Silvio S. in sich zu ruhen, er lächelte sogar!
Die Staatsanwaltschaft wirft Silvio S. zweifachen Mord und schweren sexuellen Missbrauch vor. Er soll die beiden Jungen ermordet haben, damit sie niemandem davon erzählen konnten, dass er sie entführt und sich an ihnen sexuell vergangen hatte.
► Als Silvio S. gegen 10.30 Uhr mit Handschellen in den Saal geführt wurde, schien er noch unsicher, hatte zittrige Hände. Doch diese Unsicherheit verflog offenbar schnell.
Denn schon als Elias' Mutter Anita S. (26), die als Erste von sieben Zeugen auftrat, aussagte, lächelte der Kindermörder. Abwechselnd schaute er zur Mutter und zum Richter. Auch nach der Mittagspause wirkte Silvio S. gelöst, scherzte sogar mit seinen Anwälten. Ein Prozessbeobachter: „Der könnte auch eine Kindersendung moderieren."
Detailliert wird darin geschildert, wie Silvio S. die beiden Jungen verschleppt und dann getötet hat. Die Mütter der Kinder, Anita S. und Aldiana Januzi (29), die Mutter von Mohamed, hörten alles mit an.
► Silvio S. hatte gefordert, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet - um seine „Intimsphäre" zu schützen! Doch das Gericht entschied: Die Anklage wird öffentlich verlesen und auch der Prozess findet vor der Öffentlichkeit statt.
So hörten die Mütter und Prozessbeobachter von dem sexuellen Missbrauch, aufgenommen mit dem Smartphone. Im Detail wird geschildert, wie Mohamed gewürgt, mit Kabelbinder an Händen und Füßen gefesselt und schließlich mit einem Gürtel erdrosselt wurde. Während der Anklageverlesung blickte Silvio S. stoisch vor sich hin.
„Mohamed begann aus Angst und Verzweiflung nach seiner Mutter zu schreien", las der Staatsanwalt vor. Anschließend erklärte Silvio S., dass er sich zunächst nicht zu den Vorwürfen einlassen wolle. Möglicherweise aber zu einem späteren Zeitpunkt, wie sein Verteidiger sagte. Das sagte Elias' Mutter Anita S. erinnerte sich an den 8. Juli - den Tag, als sie ihren Sohn zum letzten Mal sah: „Er wurde ‚Knirps' genannt, weil er noch so klein war. Ich erklärte ihm: Niemals weglaufen, immer in der Nähe bleiben. Der Tag, als er verschwand, war einer der ersten, an denen er draußen spielen durfte - so, dass ich ihn aus dem Fenster sehen konnte."„Elias zog sich morgens alleine an, machte sein Bett. Nachmittags holte ich ihn von der Schule ab. Elias spielte ab 17 Uhr draußen. Ich sah ab und zu aus Fenster, er war allein im Sandkasten. Halb sieben wollten wir essen - da war er weg ..."
Die ganz in Schwarz gekleidete Frau erinnerte sich, wie sie damals verzweifelt den Wohnblock abgesucht und schließlich den Notruf gewählt hatte. „Ich habe mich erst nicht ernst genommen gefühlt", sagte sie über das Gespräch mit der Polizei. Die Beamten hätten zwei Streifenwagen geschickt. „Als er nicht auftauchte, haben sie es ernster genommen."
► Aldiana Januzi verließ den Prozess am Mittag. Sie war enttäuscht, dass der Angeklagte schweigt und sagte: „Ich komme wieder, wenn er aussagt. Ich will aus seinem eigenen Mund hören, was er gemacht hat. Er weiß genau, was er gemacht hat. Er hat mein Kind tot gemacht."
Nach dem Prozessauftakt sind vorläufig zwölf weitere Verhandlungstage angesetzt. Vorsitzender Richter ist Theodor Horstkötter. Verteidiger sind Mathias Noll und Uwe Springborn. Staatsanwalt ist Peter Petersen. Ein Urteil soll am 26. Juli fallen. Der Fall EliasAm Mittwoch den 8. Juli ging Elias gegen 17 Uhr vor der Wohnung im Potsdamer Bezirk Schlaatz auf den Spielplatz. Um 18.43 Uhr wollte Elias' Mutter Anita S. (26) ihren Sohn zum Essen rufen. Doch der Junge war verschwunden. Bis 19.12 Uhr suchte sie mit ihrem Freund, dann rief sie die Polizei. Sofort suchten Polizei und freiwillige Helfer nach dem verschwundenen Jungen.
Es begann eine großangelegte Suche: Über 1800 Einsatzkräfte kamen zum Einsatz und gingen Hunderten Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Mit Spürhunden und Baggern wurde nach dem vermissten Elias gesucht, das Wasser der Nuthe wurde abgesenkt, auch die Bundeswehr half. Alles ohne Erfolg.Nachdem die Suche eingestellt wurde, konzentrierte sich die 60 Mann starke Sonderkommission „Soko Schlaatz" vor allem darauf, die verbliebenen Hinweise abzuarbeiten und weiter Zeugen zu befragen. Doch der Sechsjährige blieb verschwunden.
Der Fall MohamedDer vierjährige Mohamed verschwand am 1. Oktober vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) im Berliner Bezirk Moabit. Die Mutter, die aus Bosnien-Herzegowina nach Berlin flüchtete, hatte mit ihren Kindern Kevin (14 Monate), Medina (9) und Mohamed gegen 12 Uhr das LaGeSo an der Turmstraße besucht und ihren Sohn aus den Augen verloren.
30 Beamte suchten das Gelände rund um das LaGeSo nach dem Jungen ab. Auch die Traglufthallen in der Kruppstraße wurden durchsucht. Am Mittwoch waren Mantrailer-Hunde erneut am LaGeSo im Einsatz. Sie hatten die Duftspur des Jungen aufgenommen.
► Doch am 7. Oktober war klar: Der Junge wurde von einem unbekannten Mann verschleppt. Mit Aufnahmen aus einer Überwachungskamera bat die Polizei Zeugen um Hinweise; die Mordkommission übernahm den Fall.
Als immer bessere Fahndungsbilder von dem Mann mit dem Teddybären veröffentlicht wurden, erkannte die Mutter von Silvio S. ihren Sohn. Sie stellte ihn zur Rede, griff zum Telefonhörer und rief die Polizei. Silvio S. gestand bei der Polizei zunächst, Mohamed getötet zu haben. Überraschend gab er auch zu, Elias umgebracht zu haben. Die FestnahmeDer Täter ist geständig, gibt alles zu. Seit 29. Oktober 2015 sitzt er in Untersuchungshaft. Mordkommissionen aus Brandenburg und Berlin ermittelten. Die Ermittlungsergebnisse füllen Dutzende Aktenordner. Eine Anklage des Grauens.
★ Heute steht in Luckenwalde an der Stelle, wo Elias vergraben lag, ein „Erinnerungsgarten für Elias und Mohamed". So steht es auf einem Schild aus Plexiglas. Rund um das Schild ist ein Haufen von mehr als 50 Plüschtieren ausgebreitet. Der Bär Winnie Puuh lächelt, ein Herz streckt vertrauensvoll Ärmchen aus, Teddys und Mäuse blicken auf Grablichter am Ort des grausigen Geschehens.