Christin Hartard

Journalistin. Video. Text. Foto., Ravensburg

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Reportage

Eleganz ist Kür: Rollstuhlbasketball im Selbstversuch

Ellwangen - Einen Rollstuhl zu fahren, ist gar nicht so einfach. Dabei auch noch Basketball zu spielen, macht die Sache nicht unbedingt leichter. Volontärin Christin Hartard, bekennender Sportmuffel, hat sich der Herausforderung trotzdem gestellt und am Training der Rollstuhlbasketball-Mannschaft des TSV Ellwangen teilgenommen.

Rums! Metall kracht auf Metall, als ich mit meinem Rollstuhl ungebremst auf den von Werner Rieger fahre. Der Basketball, den ich eben noch gedribbelt habe, kullert ans andere Ende der Halle. Eigentlich wollte ich rechts abbiegen, aber mein Rollstuhl macht nicht das, was ich von ihm möchte. „Links drehen, rechts fahren“, erinnert mich Rollstuhlbasketballer Rieger geduldig. Um uns herum ziehen seine Vereinskollegen ihre Kreise.

Ich hatte schon vermutet, dass das hier nicht einfach werden würde, aber dass die Probleme schon beim geradeaus fahren beginnen? „Ganz normal“, meint Rieger, „schließlich musst du zwei Sportarten gleichzeitig lernen: Rollstuhlfahren und Basketball.“ Da hat der 53-Jährige mir einiges voraus. 1997 hat der Abteilungsleiter mit dem Rollstuhlbasketball angefangen. Seit er mit 19 Jahren einen Motorradunfall hatte, ist er von der Brust abwärts gelähmt.

Gemeinsam spielen auf Augenhöhe

Der Sport hat ihm nicht nur geholfen, besser mit seinem Rollstuhl umzugehen, sondern ihm auch neues Selbstvertrauen gegeben. „Rollstuhlbasketball ist eine der wenigen integrativen Sportarten, in der Rollstuhlfahrer mit Nichtbehinderten auf Augenhöhe zusammenspielen“, erklärt er mir. Als Fußgänger – so werden Menschen ohne Behinderung beim Rollstuhlbasketball genannt – bin ich also kein Exot.

Rollstuhlbasketball

„Der Rollstuhl ist hier einfach nur dein Sportgerät, wie Inliner oder ein Fahrrad auch“, sagt Rieger weiter. Mit den Ellwanger Rollers spielt er in der Oberliga Süd, die vergangene Saison haben sie mit Tabellenplatz sechs abgeschlossen. „Wir sind mit acht Spielern einfach zu wenige im Kader, um da was zu reißen. Aber vielleicht haben wir ja bald eine Spielerin mehr“, sagt er. Ich lache verhalten. So sicher bin ich mir da noch nicht.

„Alles klar, Speedy Gonzales“

Bevor’s zum Trainingsspiel mit der Mannschaft geht, schließe ich mich der Übungsgruppe von Trainer Kemal Burgaz an. Denn ich bin nicht der einzige Neuzugang heute. Auch Simon, zwölf Jahre, und Yannik, 15 Jahre, versuchen sich das erste Mal am Basketball. Beide leben im Internat der Konrad-Biesalski Schule in Wört. Beide sitzen von Geburt an im Rollstuhl. „Alles klar, Speedy Gonzales“, ruft Simon und flitzt in Richtung Ball. Scheinbar mühelos hebt er ihn im Fahren vom Boden auf. Der Basketball auf seinem Schoß ist fast so groß wie sein Oberkörper, aber das Grinsen auf seinem Gesicht könnte breiter nicht sein.

Die Jungs kichern

Als nächstes bin ich an der Reihe. Langsam rolle ich an, drücke den Ball gegen die rechte Seite meines Reifens und lasse ihn zu mir hochrollen. Hinter mir höre ich die beiden Jungs kichern. War wohl nicht ganz so elegant, aber Eleganz ist in diesem Fall auch Kür.

Oben auf der Zuschauertribüne guckt uns Melanie Winkler zu, die Lehrerin von Simon und Yannik. Sie hat das Training in der Buchenberghalle für die beiden organisiert. „Im Internat leben sie in einer sehr beschützten, behüteten Welt. Ich finde es wichtig, dass die Jungs mal rauskommen“, sagt sie. Und Talent haben sie allemal. Links antäuschen, rechts fahren, dribbeln, passen. Nach zehn Minuten Spiel stehen Trainer Burgaz die Schweißperlen auf der Stirn. „Ihr zockt mich ganz schön ab“, ruft er.

Jetzt wird’s ernst

Nachdem die Basics sitzen, wechsle ich von der liebgewonnenen Anfängergruppe zum Trainingsspiel. Wichtigste Regel: Zweimal hintereinander darf ich den Rollstuhl anschieben, dann muss ich den Ball wieder dribbeln. So weit kommt es allerdings selten. Rebound, Pass, dribbeln, Pass, Wurf, Korb. Während die anderen den Spielzug schon abgeschlossen haben und zum gegnerischen Korb rasen, komme ich gerade erst angerollt.

Wie ein Geisterfahrer auf zwei Rädern. „Sie darf auf beide Körbe werfen“, höre ich jemanden rufen. Ha, ha, sehr witzig. Plötzlich fühle ich, wie ich Schwung bekomme, Rieger schiebt mich im Vorbeifahren an und schenkt mir ein mitfühlendes Lächeln. Langsam, sehr langsam werde ich besser. Einen Korb habe ich am Ende nicht geworfen, aber den ein oder anderen Ballkontakt hatte ich. Immerhin.

Mildes Urteil

Geschafft, aber glücklich rolle ich mit den anderen vom Spielfeld. Yannik und Simon warten schon am Rand. Wir klatschen ab. „Hat’s Spaß gemacht?“, frage ich. „Und wie!“ Wider Erwarten fällt Werner Riegers Urteil über meinen Rollstuhlbasketball-Auftakt überhaupt nicht vernichtend aus.

„Für den ersten Tag war das doch super“, sagt er. „Die Spielübersicht fehlt halt noch.“ Ich bin dankbar für dieses milde Urteil, lege meine Hoffnungen für den Mannschaftszuwachs dann aber doch eher in Yannik und Simon.

In unserer Serie „Über den Tellerrand“ blicken wir über eben diesen und stellen Sportarten vor, die sonst weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Wenn Sie auch eine eher unbekannte Sportart ausüben, melden Sie sich gerne in der Redaktion unter c.hartard@schwaebische.de.