Christin Hartard

Journalistin. Video. Text. Foto., Ravensburg

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„Wie fliegen - nur unter Wasser"

Aalen - Für die meisten ist es eine Szene wie aus einem Horrorfilm, für Jens Bamberger ist es das schönste Gefühl der Welt: 30 Meter unter der Meeresoberfläche, wo die Stille und das Wasser ihn umschließen, Haie ziehen vorbei, nur eine Armlänge entfernt.


Auch heute ist der 25-Jährige abgetaucht. Statt exotischer Fische umringen ihn allerdings Taucherflossen, die wild umherschlagen und die blauen Kacheln des Schwimmbeckens. Training beim Aalener Tauchclub. 200 Mitglieder hat der Verein, etwa 30 von ihnen treffen sich einmal die Woche im Aalener Hallenbad. Die Karibik liegt schließlich nicht um die Ecke.


Neoprenanzüge und Taucherflaschen haben sie heute zu Hause gelassen. Stattdessen sitzen Taucherbrille samt Schnorchel auf der Nase und die Flossen an den Füßen. Bamberger taucht von einem Ende des Beckens bis zum anderen. 25 Meter in einem Zug. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt danach nicht. Auf dem Beckengrund in dreieinhalb Metern Tiefe wartet ein Kilo schwerer Bleiklotz, der an Land gebracht werden soll. ABC-Training nennt sich das. Die Übungen im Schwimmbad sind wichtige Konditionseinheiten für spätere Tauchgänge. Schließlich müssen die Taucher fit sein für Meere und Seen – auch wenn sie dann die Tauchflasche mit Luft auf dem Rücken haben. „Man sollte immer in der Lage sein, eine kurze Phase ohne Sauerstoff zu überbrücken, falls doch mal etwas passiert“, erklärt Bamberger.


Tauchschein im Paradies

Vor eineinhalb Jahren macht der Student auf Saint Martin in der Karibik ein Auslandssemester - und den Tauchschein. Das erste Mal im Paradies abgetaucht, ist klar: Diese Leidenschaft wird ihn nicht mehr loslassen: „Tauchen, das ist wie schweben, wie fliegen, nur unter Wasser.“ Und dann sind da natürlich noch die bunten Korallen, die exotischen Fische. Schon bei seinem ersten Tauchgang begegnet er einem Hai. „Ich hab brutal schnell geatmet“, erinnert er sich.


Walhaie, Fischhaie, Hammerhaie: Christian Schmidt bringen sie nicht mehr aus der Fassung. An die 600 Tauchgänge hat der Vereinsvorsitzende des Tauchclubs schon hinter sich. Erst im Juni waren er und einige Vereinskollegen auf Tauchsafari in Ägypten. „Das ist einfach immer wieder wunderschön“, sagt er. Mit der ruhigen, fast hypnotischen Atmosphäre unten im Meer hat das Becken des Aalener Hallenbads nichts gemein. Soll es auch gar nicht. Denn nach dem Tauchtraining steht Unterwasserrugby auf dem Vereinsprogramm. Schmidts zweite große Leidenschaft. Jeden Dienstagabend wird das Hallenbad für eine Dreiviertelstunde zum Spielfeld. Wem das Gerangel unter Wasser zu hart ist, der bleibt einfach im Becken, steckt den Kopf unter Wasser und guckt dem Spektakel aus sicherer Entfernung durch die Taucherbrille zu.


Kampf um den Ball in Badehose

Ein Knäuel aus Beinen, Flossen und Händen hat sich vor dem Tor auf dem Beckenboden versammelt. Der Torwart versucht noch sein Möglichstes, doch schon ist der Ball im Korb gelandet. Die Spieler schießen nach oben an die Wasseroberfläche. 20 bis 30 Sekunden dauert eine Ballaktion, dann muss Luft geschnappt werden. „Nach so einem kompletten Spiel ist man wirklich richtig platt“, sagt Schmidt. Und auch den ein oder anderen blauen Fleck hat er sich beim Unterwasserrugby schon geholt. „Aber es ist ein sehr gutes Konditionstraining.“ Vor seiner Zeit – Mitte der 80er Jahre – hat das Aalener Team sogar in der Unterwasserrugby-Bundesliga gespielt. Heute steht der Spaß im Vordergrund. Übrigens auch nach dem Training.


Das Hallenbad hat längst geschlossen, doch auf dem Parkplatz steht eine Menschentraube. Salzstangen und Süßigkeiten werden herumgereicht, Bierflaschen aneinandergestoßen. Zwei Mitglieder hatten Geburtstag, das muss natürlich gefeiert werden. „Wir sind eine eingeschworene Truppe. Gemeinschaft ist uns wichtig“, sagt Schmidt. „Als ich vor einem Jahr hier her gekommen bin, wurde ich sofort sehr herzlich aufgenommen“, pflichtet ihm Bamberger bei. Um seinen Hals baumelt an einer Kette ein kleiner, silberner Hammerhai. Ein Souvenir aus der Karibik, das ihn daran erinnert, wie viel es unter Wasser noch zu entdecken gibt.


In unserer Serie „Über den Tellerrand“ blicken wir über eben diesen und stellen in den kommenden Wochen Sportarten vor, die es sonst weniger in den Fokus der Öffentlichkeit schaffen. Wenn auch Sie eine aufregende, weniger bekannte Sportart im Verein ausüben, können Sie sich gerne in der Redaktion unter c.hartard@schwaebische.de melden.

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