Aalen - Wer das Wort Bundesliga hört, der denkt an Fußball, vielleicht auch noch an Handball. Billard kommt in diesem Zusammenhang aber den wenigsten in den Sinn. Die Sportart mit den bunten Kugeln fristet ein Schattendasein. Und doch: Es gibt sie, die Profi-Billardspieler und die Billard-Bundesliga. Matthias Hardtke vom Billardclub BC Aalen 1995 ist auf dem besten Weg dorthin.
Blitzschnell rollt die weiße Kugel über den blauen Stoff und versenkt die anvisierte Zielkugel. Hier wäre bei Hobby-Billardspielern Schluss. Doch die weiße Kugel macht wie von Zauberhand einen Bogen und „Klack“ – ist auch noch die rote Kugel vor dem Loch gegenüber versenkt. „Alles Trainingssache“, sagt Hardtke augenzwinkernd.
Queue statt Fußballschuhe
Seit seinem zwölften Lebensjahr steht Hardtke am Billardtisch. Als andere in seinem Alter auf den Bolzplatz gingen, kaufte er sich einen Queue. Eine kluge Entscheidung. Denn das Training hat sich bezahlt gemacht. Mit der ersten Mannschaft des BC 1995 Aalen hat der 21-Jährige jetzt den Aufstieg aus der Oberliga in die Regionalliga geschafft. „Das war ein Wahnsinnsgefühl. Als wir das entscheidende Spiel gewonnen haben, musste ich erst mal einen Schrei loslassen“, sagt Hardtke. Kein Wunder, lastete doch ein gewisser Druck auf ihm: Es war seine erste Saison als Spieler in der ersten Mannschaft des BC Aalen.
Billardclub BC Aalen 1995
Das nächste Etappenziel ist klar: zweite Bundesliga. Die Vereinskollegen zeigen sich optimistisch: „Er hat sich in dieser Saison bewiesen und wird sicherlich noch viel erreichen“, sagt Zlatko Kozaroski. Und er als Urgestein muss es wissen. Der Vereinsvorsitzende war auch eines der Gründungsmitglieder vor über 20 Jahren. 2005 eröffnet Kozaroski dann das Billard-Café Liberty, die heutige Trainingsstätte des Clubs - und machte damit sein Hobby zum Beruf.
„Zu meiner Jugendzeit musste ich noch immer nach Ellwangen ins Hallenbad zum Billardspielen, woanders gab’s da keine Möglichkeiten“, erinnert er sich. Heute hat der Billardclub 70 Mitglieder, 50 davon sind aktiv. „Besonders stolz sind wir darauf, dass wir als doch eher kleiner Verein fünf Mannschaften angemeldet haben“, sagt Pressewart Hayrettin Kurtoglu, der selbst vor wenigen Wochen mit seiner Mannschaft Vize-Landesmeister der Senioren wurde.
„Die wissen gar nicht, was alles möglich ist im Billard“
Dreimal die Woche treffen sich die Vereinsmitglieder zum Training im Billard-Café. Häufig kommen auch Gäste vom gegenüberliegenden Kinopark. „Viele sind dann ganz erstaunt, wenn sie uns spielen sehen. Die wissen gar nicht, was alles möglich ist im Billard“, erzählt Kozaroski. Und möglich ist so einiges, wenn Kozaroski und seine Vereinskollegen den Queue Richtung Kugeln schnellen lassen. Dann kurven Billardkugeln scheinbar gegen die Gesetze der Physik über den blauen Stoff, drehen Kurven als würden sie auf Schienen fahren oder springen über andere Kugeln hinweg zum anvisierten Loch.
„Ich mache mir dann manchmal einen Spaß daraus und fordere Gäste dazu auf, das auch mal zu probieren. Wenn sie es schaffen, eine Kugel über eine andere springen zu lassen, bekommen sie eine Cola von mir“, sagt Kozaroski und lacht. Allzu viele Colas musste er noch nicht ausgeben. Denn was leicht aussieht, erfordert eine Menge Training und vor allem höchste Konzentration.
Immer neue Herausforderungen
Doch genau das macht für die Spieler den Reiz am Billard aus. „Es ist nie das gleiche Spiel, die Kugeln liegen immer anders und ich stehe immer vor neuen Herausforderungen“, sagt Matthias Hardtke. Sogar Albert Einstein gibt ihm da recht. Der sagte nämlich mal über das Billardspiel, es erfordere „das logische Denken eines Schachspielers und die ruhige Hand eines Konzert-Pianisten“. Und trotzdem: Billard ist immer noch eine Randsportart. TV-Übertragungen gibt es nur beim Snooker - eine spezielle Billard-Variante mit größerem Tisch. „Wenn die Poolbillard-Spiele im Fernsehen zu sehen wären, wäre das für die Popularität der Sportart sicherlich ein gewaltiger Schub“, so Pressewart Hayrettin Kurtoglu.
Auch wenn Billard von vielen nach wie vor als Kneipensport gesehen wird, in der Billard-Szene hat sich der BC 1995 Aalen einen Namen gemacht. Am Wochenende erwarten die Vereinsmitglieder hohen Besuch: Der mehrfache Weltmeister Ralf Souquet wird dann gemeinsam mit ihnen an den Billardtischen stehen und das jährliche Vereinsturnier „Liberty Open“ spielen. Die Cola-Wette wird Kozaroski dem Weltmeister Souquet wohl nicht anbieten.
In unserer Serie „Über den Tellerrand“ blicken wir über eben diesen und stellen in den kommenden Wochen Sportarten vor, die es sonst weniger in den Fokus der Öffentlichkeit schaffen. Wenn auch Sie eine aufregende, weniger bekannte Sportart im Verein ausüben, können Sie sich gerne in der Redaktion unter c.hartard@schwaebische.de melden.
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