Christiane E. Fricke

Freie Redakteurin & Journalistin

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Ein Schlag ins Kontor

Fast ein ganzes Jahr ließen sie sich Zeit. Nun haben die obersten Finanzbehörden der Länder entschieden. Eine Pauschalmargenbesteuerung für Galeristen und Kunsthändler nach französischem Vorbild soll es in Deutschland nicht geben.


 

Es ist kein Weihnachtsgeschenk, dass die Länderfinanzminister dem deutschen Kunsthandel nun auf den Gabentisch gelegt haben: die Durchführungsverordnung zur 30-prozentigen Pauschalmargenbesteuerung, auf die Galeristen und Händler seit fast zwölf Monaten gewartet haben. Zwar ist das neue Gesetz, das der Bund als Kompensation für den Verlust der ermäßigten Mehrwertsteuer im Sommer 2013 beschlossen hatte, schon seit Januar 2014 in Kraft. Es konnte aber nicht rechtssicher angewendet werden, weil die obersten Finanzbehörden der Länder sich nicht mit der kunsthandelsfreundlichen Regelung anfreunden konnten, die dem Gesetzgeber mit Blick auf die EU-konforme französische Praxis vorschwebte.

Nun ist das heiß ersehnte Papier endlich da, allerdings in einer restriktiven Auslegung, wie es sich niemand gewünscht hat. Nach den ursprünglichen Vorstellungen des Gesetzgebers sollten Galeristen und Händler pauschal 30 Prozent des Umsatzes der Mehrwertsteuer unterwerfen, wenn sie extensive Vermarktungsanstrengungen zu schultern haben (z.B. Ausstellungen, Publikationen, Messen, Gutachten) und sie den Einkaufspreis nicht mehr ermitteln können oder dieser unbedeutend ist. Frankreich lieferte dafür das Vorbild.


Pauschalmarge nur im Ausnahmefall


Der jetzt vorliegende Erlass erkennt die besonderen Vermarktungsanstrengungen der Branche nicht als Voraussetzung zur Anwendung der Pauschalmarge an. Außerdem besagt er, dass nur Einkaufspreise unter 500 Euro netto als unbedeutend gelten dürfen. Als nicht ermittelbar sollen Einkaufspreise nur im Ausnahmefall akzeptiert werden. „In Fällen, in denen der Unternehmer den ermittelbaren Einkaufspreis nicht aufgezeichnet hat oder die Nichtermittelbarkeit des Einkaufspreises nicht darlegen kann“, erfolge die Preisermittlung „im Wege einer sachgerechten Schätzung“, heißt es in dem zehnseitigen Papier.

Unter dem Strich wird die Pauschalmarge wie im Briefmarkenhandel nur für die im Kunsthandel seltenen Konvoluteinkäufe oder für Gegenstände aus einem Nachlass oder einer Sammlung anwendbar sein, bei denen der Einkaufspreis der einzelnen Gegenstände nicht mehr ermittelt werden kann. Beim Kommissionsgeschäft zwischen Künstler und Galeristen ist die Pauschalmarge nicht anwendbar, da es ja eine Rechnung des Künstlers gibt. Der Galerist trägt die Aufwendungen für die Vermarktungsanstrengungen.

„Damit fällt Deutschland gegenüber Frankreich weit zurück“, resümiert der Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler in einem ersten Brief an seine Mitglieder. Die französischen Regelungen, die in der deutschen Gesetzesbegründung klar als Vorbild genannt seien, würden von der hiesigen Finanzverwaltung ignoriert.


Spielräume nicht genutzt


„Im Prinzip haben die Finanzbehörden der Länder alles getan, um die vom Gesetzgeber vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten auszuhebeln“, sagt Birgit Maria Sturm, Geschäftsführerin des BVDG. Dabei standen die Vorzeichen für eine gute Lösung zuletzt nicht schlecht. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte Anfang Dezember bei dem Vorsitzenden der Finanzministerkonferenz, den nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans, für eine Verständigung auf einen Anwendungserlass im Sinne der bundesgesetzlichen Regelung geworben. Außerdem hatte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici Ende November in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage zum Ausdruck gebracht, dass die Mitgliedstaaten kompensierende Mechanismen außerhalb der Mehrwertsteuer-Richtlinie vorsehen könnten, wenn sie die nötigen Voraussetzungen beachten, und er hatte in diesem Zusammenhang Kunstwerke explizit genannt.

Galeristen und Händler werden zukünftig differenzbesteuert abrechnen, auch wenn sie im Primärmarkt tätig sind und Kommissionsgeschäfte in Zusammenarbeit mit Künstlern durchführen.


Der Kampf geht weiter


Im neuen Jahr will sich der BVDG weiterhin für eine kunstmarktfreundliche Lösung auf EU-Ebene einsetzen. „Wir fordern, was selbst die uneinsichtigsten Länderfinanzminister in Aussicht gestellt haben: die jetzt getroffene Entscheidung gegen die Pauschalmarge zu überdenken, wenn die französischen Regelungen einer europarechtlichen Überprüfung standhalten.“ Der Kampf ist also noch nicht beendet.

Als Beobachter und Bürger eines Rechtsstaats wundert man sich, wie weit sich die auf Länderebene durchgeführte Ausgestaltung eines Gesetzes von der Zielsetzung des auf Bundesebene beschlossenen Gesetzes entfernen kann.

Online erschienen am 19.12.2014