Christiane E. Fricke

Freie Redakteurin & Journalistin

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Abgaben-Cocktail mit tödlicher Wirkung

Abgaben-Cocktail mit tödlicher Wirkung

Neben der Mehrwertsteuer ächzt der deutsche Handel unter Folgerechts- und Künstlersozialabgaben. Die alte Ausgleichsvereinigung, mit der beide Abgaben pauschal abgegolten werden können, läuft Ende des Jahres aus. Zumindest für das Folgerecht zeichnet sich zeitnah eine Lösung ab.

Für die irische Kunstmarktanalystin Claire McAndrew ist Europa ein „teurer und komplizierter Ort, um Geschäfte zu machen“. Aber die Kunst sei ja ein leicht transportables Gut, äußerte sie kürzlich Medien gegenüber. „Ich kann sie dort verkaufen, wo es mir passt.“ Den traurigen Beleg liefern aktuell die Warhol-Verkäufe in New York, hinter denen nicht irgendein Privatsammler, sondern ausgerechnet deutsche Landespolitik steht. Dass namentlich hierzulande die Rahmenbedingungen für Galeristen und Händler immer schwieriger werden, liegt nicht nur am Desaster um die Einführung der neuen Mehrwertsteuer (Link auf Handelsblatt.com), sondern auch an den gestiegenen Sozialabgaben.
Stein des Anstoßes sind das Folgerecht mit seinen seit 2006 feststehenden Sätzen zwischen 0,25 und 4 Prozent und die stetig ansteigende Künstlersozialabgabe, die inzwischen einen Satz von 5,2 Prozent (4,1 Prozent 2013) erreicht hat. Beide zusammen können vom Handel derzeit noch mit einem bürokratie- und handelsfreundlichen Pauschalsatz vom Jahresumsatz (für Kunst ab 1900) abgegolten werden. Für Galerien liegt er bei 1,6 Prozent und für Auktionshäuser bei 2,3 Prozent, wobei er sich – anders als bei der Mehrwertsteuer – allein am Umsatz orientiert, nicht an der Marge oder am Gewinn. Eingezogen wird er von der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, Bonn (VG Bild-Kunst).

Die Schmerzgrenze liegt bei 2 Prozent

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Zusammenspiel mit der Abgabenlast durch Folgerecht und Künstlersozialkasse (KSK) ist tödlich für unsere Art zu arbeiten“, monierte bereits im Frühjahr der Kölner Kunsthändler Frank Berndt. Da zeichnete sich bereits ab, dass die pauschale Abgabe für Folgerecht und KSK, auch Ausgleichsvereinigung Kunst (AV Kunst) genannt, zum Ende des Jahres 2014 gekündigt werden muss. Die KSK hatte nämlich bei einer Stichprobenprüfung festgestellt, dass die künstlersozialabgabepflichtigen im Verhältnis zu den folgerechtspflichtigen Umsätzen deutlich höher waren als ursprünglich angenommen. Daraufhin forderte sie eine Erhöhung ihres Anteils an den Gesamteinahmen der AV von bisher 13 auf 28 Prozent.
„Wenn wir den KSK-Anteil erhöht hätten, dann wären wir auf einen AV-Satz von ca. 2,4 Prozent gekommen“, schätzt Urban Pappi, geschäftsführender Vorstand der Bild-Kunst und Vorstand der AV. Die absolute Schmerzgrenze für die Galeristen liege jedoch bei 2 Prozent. Da eine Anhebung auf nur 2 Prozent jedoch zu einer Unterdeckung führen würde, „musste die AV gekündigt werden“, erläutert Pappi. Andernfalls würde die AV insolvent werden und am Ende vielleicht sogar die Bild-Kunst.

Der Gesetzgeber muss nachbessern

Einen weiteren Grund, warum die AV keine Zukunft hat, nennt die Bild-Kunst auf ihrer Website: Alle Mitglieder der „Ausgleichsvereinigung“ hätten die gleichen Abgabesätze entrichtet, „so dass es Gewinner und Verlierer gab“. Die Verlierer aber hätten die AV Kunst zunehmend verlassen. Nach Einschätzung von Pappi wird es aber auch nach dem Fall der AV wieder Gewinner und Verlierer geben, da sich die absoluten Zahlen nicht verändern. „In der Summe bleiben die Abgaben gleich.“
Während sich die Bild-Kunst und die Kunsthandelsverbände um eine Nachfolgeregelung zumindest für das Folgerecht bemühen, darf sich der Handel fürs Erste auf einen nicht unerheblichen bürokratischen Mehraufwand bei der Einzelabrechnung einstellen. Zugleich werden die kritischen Stimmen lauter. Mit Blick auf das Folgerecht spricht sich Frank Berndt dafür aus, dass „tatsächlich nur der ‚Zugewinn’, d.h. die Marge zur Berechnung herangezogen werden“ sollte. „Hier muss dringend vom Gesetzgeber nachgebessert werden oder es kann keinen Handel mit abgabepflichtiger, Klassischer Moderne innerhalb Deutschlands (bzw. der EU) im internationalen Wettbewerb geben.“

Abgabepflicht auch für nicht Versicherte

In der Kritik steht aber auch die Konstruktion der KSK-Abgabe. „Die Künstlersozialabgabe ist grundsätzlich dann zu entrichten, wenn ein abgabepflichtiges Unternehmen Entgelte für künstlerische oder publizistische Leistungen an Künstler oder Publizisten zahlt“, erklärt Uwe Fritz, Leiter der Künstlersozialkasse, das System. Dabei spiele es keine Rolle, ob diese über die KSK versichert seien oder nicht, ob sie ihren Wohnsitz in Deutschland hätten oder anderswo.
Die Abgabepflicht für ausländische und nicht über die KSK versicherte Künstler hält der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) jedoch für eine Zumutung. „Selbst denjenigen Galerien, die bisher den sozialpolitischen Zweck der Künstlersozialversicherung begrüßt haben, kommt mittlerweile jedes Verständnis abhanden, schrieb BVDG-Geschäftsführerin Birgit Maria Sturm im August dem KSK-Leiter. Zur Verteidigung führt Fritz auf Anfrage des Handelsblatts ins Feld, dass die Regelung für den Künstler den Vorteil habe, „zu wissen, dass sie gegenüber anderen nicht versicherten Künstlern keinen Konkurrenznachteil hat“.

Mehr Gerechtigkeit, weniger Bürokratie

„Natürlich sehen wir die Möglichkeit einer Fortsetzung bzw. zu einem Neustart der Ausgleichsvereinigung“, sagt KSK-Leiter Uwe Fritz. Die mit der Bild-Kunst geführten Gespräche darüber haben jedoch bislang zu keinem Ergebnis geführt, da die Sozialkasse keine Spielräume hat. Erst im Juli musste der Bundestag ein Gesetz zur Stabilisierung der Künstlersozialabgabe beschließen, um einen weiteren Anstieg des Satzes zu stoppen und für mehr Abgabegerechtigkeit zu sorgen.
Unterdessen arbeiten die Bild-Kunst und die Kunsthandelsverbände an einem neuen Rahmenvertrag über den Einzug des Folgerechts, in den alle Verbandsmitglieder eingebunden werden können. Pappi ist überzeugt, dass die Verhandlungen nicht so schwierig werden und rechnet mit ersten Ergebnissen um den Jahreswechsel. Die Vergütungssätze stünden ja im Gesetz. Jetzt gelte es, etwa die Software für die Meldungen zu entwickeln und ein Gremium zusammen zu stellen, das strittige Fragen klärt. Auch Einzelverträge und Rabatte stehen auf der Agenda. Der Kunsthandel darf in der Zwischenzeit hoffen, dass am Ende nicht nur weniger Bürokratie dabei herumkommt.