Christian Volk

ZDF-Reporter und Redakteur, Mainz

1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Was haben die Parteien aus der Rezo-Blamage gelernt? - DER SPIEGEL

Union und SPD wollen ihr Verhältnis zur jungen Zielgruppe verbessern. Doch sie fremdeln mit Influencern und Plattformen wie Instagram oder YouTube.

Einmal war sie Angela Merkel ganz nah. Louisa Dellert wartete vor dem Plenarsaal im Bundestag, der Korridor war leer. "Und plötzlich kommt diese kleine Frau mit ihrem Bodyguard rein." Es war die Kanzlerin, die durch den Gang lief. Sie grüßten sich, das war's. Dellert strahlt noch heute, wenn sie davon erzählt. Dann sagt sie: "Zu Merkel habe ich leider noch keinen Draht." Es klingt, als wäre das nur eine Frage der Zeit.

Louisa Dellert, 30, ist Influencerin. Sie lebt davon, Fotos und Videos aus ihrem Alltag im Internet zu zeigen. Geld verdient sie dabei mit Werbung. "Ich bin halt wie eine Zeitschrift", sagt Dellert, "ich bin auch eine Plattform, um Produkte zu bewerben." Fast 400.000 Menschen folgen ihr auf Instagram.

Dort ist meist Dellert selbst zu sehen: im Bikini, im Café, mit Freunden. Aber auch: Dellert auf dem CDU-Bundesparteitag, Dellert mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, Dellert mit dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner. Im vergangenen Jahr hätten die Anfragen aus der Politik zugenommen, sagt sie: "Man nimmt uns Influencer jetzt ernster."

Es ist 15 Monate her, dass Rezo, ein YouTuber aus Nordrhein-Westfalen, in einem knapp einstündigen Video die Politik der Union auseinandernahm. "Die Zerstörung der CDU" erreichte binnen weniger Tage Millionen Menschen, bis heute wurde es 17 Millionen Mal aufgerufen.

Auf dieses Video folgte, zwei Tage vor der Europawahl, ein Statement von Rezo und 91 weiteren YouTubern. Die Botschaft: "Wählt nicht die CDU, wählt nicht die CSU und wählt nicht die SPD – und wählt schon gar nicht die AfD!" Bei der Wahl holten die Grünen mehr als 20 Prozent, ein historisch gutes Ergebnis. Die CDU rutschte um mehr als 7 Prozentpunkte ab, blieb unter 23 Prozent. Sie hatte keine angemessene Antwort auf die Botschaften gefunden, blamierte sich mit einem elfseitigen PDF-Statement zu Rezos Zerstörungsfilm.

Nach dieser Pleite forderte CNetz, ein CDU-naher Verein für Netzpolitik, die Partei brauche eigene Influencer. "Das können und dürfen aber keine typischen Politiker sein", stand in einem Arbeitspapier, "stattdessen sollte man meinungsfreudige Menschen identifizieren, die der CDU inhaltlich nahestehen, und bitten, diese zu unterstützen." Das klang nach einem Richtungswechsel.



Mit einem Klick auf "Zum Original" können Sie den gesamten Text lesen.

Zum Original