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Macht positives Denken naiv und sogar krank?

Von unseren rund 60.000 Gedanken täglich sind laut einem Bericht der "Zeit" nur etwa drei Prozent positiv - das wären 1.800. Doch es gibt Wege, aus festgefahrenen Denkmustern auszubrechen und Optimismus einzuüben. Die Ratgeberliteratur ist voller verschiedener Ansätze. Viele eint der Ansatz, sich immer wieder über seine negativen Gedanken bewusst zu werden und eine positive Perspektive einzunehmen.

Leibniz plädierte für ein gelassenes "So ist das halt"

Paradebeispiel für einen Optimisten sei der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) gewesen, schreibt Autor Ludger Pfeil in seinem Buch "Du lebst, was Du denkst". Schlechte Dinge, die gibt es aus Sicht von Leibniz nur aus einem bestimmten Grund: "Da allein Gott vollkommen ist, kann es seine Schöpfung bereits nicht mehr sein", erklärt Pfeil das Denken des berühmten deutschen Universalgelehrten. Und das Böse und Schlechte gab es aus Sicht von Leibniz nur, weil es eine unerwünschte Nebenwirkung der menschlichen Freiheit sei, Entscheidungen treffen zu können. Deshalb solle man nicht an der Welt herummäkeln, so Leibniz.

"Yesterday is history, tomorrow is a mystery" (Bill Keane)

Seither haben sich weitere unzählige Philosophen und Coaches damit auseinandergesetzt, wie der Mensch durch positivere Gedanken sein Leben angenehmer gestalten kann. Ein Standardwerk und berühmtes Beispiel dafür ist "Sorge dich nicht - lebe!" von Dale Carnegie (1888 - 1955). Er gab darin Millionen Menschen weltweit Ratschläge, sozusagen durch "gedankliche Hygiene" glücklich zu werden. Dazu gehört laut Carnegie, Vergangenheit und Zukunft als geschlossene Kapitel zu betrachten und sich ausschließlich auf das Jetzt zu konzentrieren. Doch genau wie Carnegies Buch steht auch das positive Denken allgemein in der Kritik: Viele sehen darin eine Anleitung zur Naivität.

Warnung vor "Schmalspur-Psychologie"

Positives Denken sei überhaupt nicht erstrebenswert, im Gegenteil: "Positives Denken macht unglücklich", sagte Günter Scheich, Psychologe und Psychotherapeut anlässlich der ARD-Themenwoche 2013 mit dem Thema "Zum Glück". "Das zwanghaft aufgesetzte `positive Denken` ist eine Verdrängungs- und Schmalspur-Psychologie, ein reines Schwarz-Weiß-Denken", so der Sachbuch-Autor. Durch die Verdrängung negativer Gedanken könne man "regelrecht schizophren werden". Wer dagegen sowohl positive als auch negative Gedanken und Gefühle zulasse, senke zum einen das Risiko, falsche Entscheidungen zu treffen. Zum anderen könne man dadurch die Herausforderungen des Lebens besser bewältigen.


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