Die gleich folgende Szene aus “Die Zwei” ist nichts besonderes – eigentlich.
Eher eine Szene, die so oder so ähnlich tausendfach in Krimiserien auftaucht:
Die beiden Hauptfiguren, gespielt von Tony Curtis und Roger Moore, schleichen sich nachts an ein verdächtiges Haus und bemerken, dass die Tür offen steht.
Im englischen Original von “The Persuaders” zögert nun der eine. Aber sein Detektivkollege überzeugt ihn, doch einzutreten.
O-Ton Die Zwei - Original - “Take Seven” ca 16 Sekunden
W: Why’s the door open?
S: Maybe he’s expecting us.
W: What do we do now?
S: We go in?
W: I’m not going in there!
S: That’s why we came here.
W: Well, if I go in, we go in together.
S: Fine, after you.
W: Okay.
Schnüffeln in fremden Häusern im Dienste der Gerechtigkeit. So weit, so gewöhnlich.
Die selbe Szene der deutschen Fassung dreht sich aber plötzlich um eine ganz andere Art der Schnüffelei:
O-Ton Die Zwei - Synchro “Erben bringt Sterben” - ca 16 Sekunden
W: Kannst Du mir sagen, warum die Tür offen ist?
S: Wahrscheinlich wurde Sie nicht zugemacht.
W: Was riecht denn hier so streng, bist Du das?
S: Ich hab ja heute Früh geduscht!
W: Ahm, nur ein sauberer Mensch darf ein fremdes Haus betreten.
S: Wenn Du nicht willst, lass mich vorgehen!
W: Ich hoffe, Du möchtest damit nicht sagen, dass der strenge Geruch von mir kommt.
S: Nein.
W:Dein Glück
S: Bitte nach Dir.
W: Was denn sonst? [geht - schnüffelt im Off] Na? Hast Du nicht doch zufällig nen Raben in der Tasche?
Den Vogel in der Hosentasche hat sich 1972 Rainer Brandt ausgedacht. Zusammen mit vielen anderen – so noch nie im deutschen Fernsehen gehörten – Frechheiten. Brandt spricht nicht nur die deutsche Stimme von Tony Curtis, er schreibt mit seinem Kollegen Karlheinz Brunnemann auch die Dialogbücher für Die Zwei.
Ihr Prinzip lautet: Was umgetextet werden kann, w i r d auch umgetextet.
Diesen Freiraum müssen sie sich allerdings erkämpfen. In einem Interview für die Synchronsprecher-Agentur Media Paten erinnert sich Brandt an die entgeisterte Reaktion des ZDF Redakteurs. Als der die erste Folge überprüfen sollte, hielt er sie für einen Scherz:
O-Ton Brandt - ZDF Redakteur - 29 Sekunden
Der hat sich totjelacht. Hat sich immer auf die Schenke jehaun und dann auf de Uhr jekuckt. Und sachter: So, Männer, ick muss bald – ich bin eilig. Jetzt zeigt mir ma die richtje Abnahme.
Da sa ick: Wie watt heißt hier richtje- ? Dat isse!
…
Da fiel him allet runter. Und da sacht er: Gloob ick nich.
-Wieso nich. Dit sollte komisch sein. Also nu: Is doch. Hast doch jelacht.
Naja, aber so kann man’s doch nich machen.
Dass sie es dann doch machen können, liegt daran, dass die Zeit beim ZDF drängt. Der einzige Konkurrent ARD liegt bei den Quoten fast immer vorn. The Persuaders, damals die teuerste Serie aller Zeiten, soll das ändern. Und schnell ausgestrahlt werden.
Und so darf Brandt – trotz der Bedenken – im Sommer 1972 erstmals seine Sprüche im ZDF klopfen. Er selbst hat dafür den Begriff Schnodderdeutsch geprägt – eine Mischung aus Jiddisch, Berliner Dialekt und allen möglichen anderen Jargons:
O-Ton Die Zwei - Synchro - Schmusebacke - 6 Sek
W: [Hupen] Hallo Sie! Schmusebacke! Würden Sie ihren Kachelofen freundlichst beiseite stellen, man möchte passieren.
Die markigen Sprüche gehen reihenweise ins Repertoire des Volksmunds ein. Und “Die Zwei” ein knappes Jahr später in die deutsche Fernsehgeschichte.
Sie ist die einzige jemals mit einem Bambi prämierte Synchronisation.
Und bei Traumquoten bis zu 65 Prozent sind dann sogar Witze über den Auftraggeber erlaubt:
O-Ton Die Zwei - ZDF geschrieben - 8 Sekunden
S: Du sprühst ja wieder
W: Jaaaa!
S: Hoffentlich sprühst Du auch die ganze Folge über.
W: Ah, ich werd die Fans schon klein kriegen. Übrigens, Du musst irgendwas gesagt haben, da hat einer ans ZDF geschrieben
Szenen wie diese zeigen, warum die Serie auch in fachlicher Hinsicht zum Aha-Erlebnis wurden, sagt Professorin Heike Jüngst. Sie lehrt in Würzburg an der der Hochschule für angewandte Wissenschaften audiovisuelles Übersetzen. Und die Comedy-Synchronisation bricht mit vielen Standards der Branche, sogar mit den ganz wichtigen:
O-Ton Jüngst - Handwerk - 15 Sekunden
Da reden die weiter, obwohl der Mund längst zu ist
– Stört keinen.
Oder: Wir haben Szenen, die sind im Original stumm.
Und dann ist so wie ein innerer Monolog drüber gelegt. Stundenlanges Geplauder.
Also es ist schon ganz anders als das Original.
Entscheidender aber ist letztlich, ob die Übersetzung in sich schlüssig funktioniert. Und das tut sie gut, so Jüngst.
Dass die Serie allerdings ausschließlich in Deutschland Anklang fand, wie Brandt zu Gunsten der eigenen Legendenbildung häufiger suggerierte, hält Jüngst für übertrieben.
Denn auch im Rest Europas lief die Serie gut.
Ein Flop war sie nur in den USA. Was gleichzeitig aber das Aus für die Serie bedeutete. Moore wird wenig später von Lord Brett Sinclair zu Bond, James Bond. Und natürlich auch dafür von Brandt veräppelt:
O-Ton Die Zwei - Bond - 7 Sekunden
W: “Wenn’s mit dem Bonde nich’ klappt, übernehm ich den einfach.”
S: “Ich könnte immerhin drauf gehen bei der Sache.”
W: “Aber mehr doch nicht, Fürstiwürsti. Außerdem hast Du mich, Deinen Parkwächter. Ich halt die Händchen über Dich.”
evtl. Fade-In Bud Spencer Filmmusik?
G.&M. De Angelis Orchestra - Titoli di testa (da "I due superpiedi quasi piatti")
Es war dann ein anderes populäres Film-Duo, bei dem sich Rainer Brandt weiter austoben konnte. Jahrzehntelang peppte er die Dialoge der Filme mit Bud Spencer und Terence Hill auf.
O-Ton Vier Fäuste gegen Rio Harfenkonzert - 11 Sekunden
A: Um Gottes Willen, ein Harfenkonzert. Es spielt die Gräfin Sophonie Macado Calvoso. Das wird ja n schöner Mist sein, der uns da um die Ohren fliegt.
B: Hafenkonzert?
A: Nicht Hafen! Harfenkonzert. Ne Harfe is so’n Gartenzaun wo man rein grabscht.
Christian Heger hat ein Buch zu den Haudrauf-Komödien der Italiener geschrieben und sagt: Anders als bei „Die Zwei“ war bei den Bud Spencer Filmen die Synchronisation für den Erfolg sehr wohl ausschlaggebend:
O-Ton Heger - Drehbücher - 23 Sekunden
Als man gemerkt hat, dass hier diese deutschen Fassungen besonders eingeschlagen haben, haben natürlich auch die Italiener gesagt: Okay, wenn das in Deutschland so erfolgreich ist, dann holen wir doch da die deutschen Leute auch kreativ von vornherein mit ins Boot. Und dann gab es wirklich auch mehrere Filme, wo Rainer BRandt auch am Originaldrehbuch mitgeschrieben hat.
Auch im Amateur-Bereich hat Brandts Methode gelegentlich Nachahmer:innen zu humoristischen Neuvertonungen von Star Trek, Herr der Ringe oder Harry Potter veranlasst. Eine derart freie Interpretation wie Die Zwei wäre aber im kommerziellen Bereich heute nicht mehr weiteres möglich, glaubt Übersetzungsforscherin Jüngst. Denn die internationalen Studios kontrollieren die Übersetzung ihrer Filme und Serien mittlerweile genau. Zudem vermutet Jüngst heftigere und gespaltenere Reaktionen, weil die Zuschauer:innen via Streamingportal oder DVD-Menü zur Original-Tonspur wechseln könnten:
O-Ton Jüngst - heute nicht mehr möglich - 14 Sekunden
Wenn das heute so laufen würde, heute hat man Zugriff auf die Ausgangsdateien. [...]
Und heute könnte man ja vergleichen und da kämen auch gleich die ersten Shitstorms, was der sich da einbilden würde. Bin ich fest überzeugt.
So ist Rainer Brandt noch ein halbes Jahrhundert nach dem Start von “Die Zwei“ der bekannteste und beste professionelle Vertreter der Comedy-Synchronisationen – und wird es wohl auch immer bleiben..
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