Caspar von Au

Freier Journalist, München

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"Viele Kinder kriegen in der Früh nichts zu essen"

In der Großen Pause stürzen sich die Grund- und Werkrealschüler auf Brote, Obst und Gemüse GB-Foto: Holom

Ein Weißbrot mit Salami, ein Schokoriegel oder gar kein Pausenbrot: Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder ohne ein gehaltreiches Frühstück in die Schule. Der Förderverein der Herrenberger Vogt-Heß-Schule bemüht sich daher, die Schüler mit der Aktion "gesundes Frühstück" für eine gesündere Ernährung zu gewinnen.

12.04.2013

Caspar von Au

10.05 Uhr. Ein Gong ertönt und die 483 Schüler der Vogt-Heß-Schule strömen aus ihren Klassenräumen zu den beiden Büfetts, die in der Aula aufgebaut sind. Es gibt Brote mit Käse oder Putenbrust, Bananen, Äpfel, Karotten und Gemüse- und Käsespießchen. Binnen weniger Minuten leeren die Schüler die Schüsseln und Tabletts. Besonders hungrig scheinen die Grundschüler zu sein, so dass Brigitte Flubacher zusammen mit zwei Schülern Bananen und Äpfel zu dem unteren Büfett am Grundschuleingang bringt. "Wir haben extra zwei Büfetts aufgebaut, damit die Grundschüler auch eine Chance haben", sagt die Mutter lachend. "Scheinbar sind die hungriger als die Großen."

Schüler und Eltern helfen mit

Um 8 Uhr haben sich Brigitte Flubacher und Tanja Schaffer vom Förderverein mit den anderen Eltern getroffen, um Brote zu schmieren sowie Obst und Gemüse vorzubereiten. Tatkräftig unterstützt haben sie die Schüler der Klassen 8b und 2a. "Die Zweitklässler haben Käsespießchen gemacht", berichtet Schaffer. "Außerdem war eine Ernährungsberaterin heute Morgen in der Klasse zu Gast, die die Kinder über gesundes Essen unterrichtet hat." Bis 9.45 Uhr war das für die Schüler kostenfreie Büfett aufgebaut. Um das zu ermöglichen, hat der Arbeitskreis zwei Metzgereien, eine Fromagerie, eine Bäckerei und einen Supermarkt als Sponsoren für das "gesunde Frühstück" gewinnen können.

"Die Idee ist daraus entstanden, weil wir mitgekriegt haben, dass viele Kinder zu Hause in der Früh nichts zu Essen kriegen", erklärt Flubacher. "Jetzt wollen wir erst mal gucken: Wie kommt das an?" Viele Lehrer fänden die Aktion gut und auch der Bäckerverkauf sei für den Donnerstagvormittag eingestellt, sagt die Mutter. Langfristig hat der Arbeitskreis vor, das Ganze im Rahmen des "EU-Schulfruchtprogrammes" zu einer regelmäßigen Veranstaltung zu machen. Ein Vorteil wäre, dass dann auch der Bund einen Teil der Förderung übernimmt. "Die Frage ist nur, ob dann die Lehrer auch mitziehen", meint Schaffer. "Obst und Gemüse müssen ja auch transportiert und aufgeschnitten werden." Ein gutes Beispiel sei da die Theodor-Heuss-Realschule in Gärtringen, an der die Schüler seit rund einem Jahr drei- bis fünfmal die Woche Gemüse und Früchte selber schnippeln. Die Vogt-Heß-Schule fördert das Thema gesunde Ernährung derzeit im Rahmen des "Klasse2000"-Programms für Grundschüler. Neben anderen Themen wie Selbstvertrauen oder Mobbing beschäftigen sich die Kinder auch mit Essen, in dem sie beispielsweise in der zweiten und dritten Klasse selber Brote mit Gesichtern belegen, wie Flubacher weiß.

Eltern müssen Vorarbeit leisten

Konrektor Richard Wissmann sieht noch einige Probleme bei einer dauerhaften Umsetzung des Projekts: "Prinzipiell ist es sinnvoll, wenn es zu einer insgesamt gesünderen Ernährung führt", sagt Wissmann. "Aber die Vorarbeit muss eigentlich vom Elternhaus kommen." Eine gesunde Ernährung müsse vom Elternhaus kommen, die Schule könnte nur korrigieren. Langfristig befürchtet der Konrektor, dass sich die Idee im Sand verlaufe. So viele Dinge seien in den vergangenen Jahren angestoßen worden, die alle jedoch nur über einen kurzen Zeitraum erfolgreich gelaufen wären. "Das Problem ist, dass viele auf Dauer in die Realschule rübergehen und sich dort ihr Pizzastück holen", klagt Wissmann. "Wenn alle an einem Strang zögen, wäre es einfacher."

Den Schülern jedenfalls schmeckt das "gesunde Frühstück". Das finden zumindest Arianit, Musai und Benjamin. Die drei Werkrealschüler schwärmen über die gute Qualität und das leckere Essen. "Mir haben die Spießchen und die Brote am besten geschmeckt", sagt der zwölfjährige Musai. Der 13-jährige Benjamin findet auch die Karotten "ziemlich lecker". So kommt es, dass pünktlich zum Gong, um 10.20 Uhr, alles nahezu restlos aufgegessen ist.


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