Caroline Niebisch

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Gleichberechtigung Homosexueller: "Sind wir in Polen, sind wir ledig"

Agata und Emilia haben in Berlin geheiratet, doch in ihrer Heimat gelten sie als ledig. In Polen ist die Homo-Ehe nicht erlaubt. Nun zieht das Paar vor Gericht.

Agata und Emilia aus Warschau haben 2018 in Berlin geheiratet. Quelle: ZDF

Seit 2017 ist es gleichgeschlechtlichen Paaren gesetzlich möglich in Deutschland zu heiraten. Ein Recht, das auch Paare anderer Ländern vermehrt wahrnehmen. So auch Agata und Emilia aus Warschau - die beiden haben 2018 in Berlin geheiratet. In ihrem Heimatland bleibt ihnen dieser Schritt verwehrt, der Ton gegenüber Homosexuellen ist im Wahljahr 2019 besonders scharf. Marek Jędraszewski, der Erzbischof von Krakau, spricht von einer "Regenbogenpest" und auch die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt ein traditionelles Familienbild, das laut PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński nicht aus zwei Vätern oder zwei Müttern bestehe, sondern nur "normal" - aus einem Vater und einer Mutter.

Seit März dieses Jahres haben Dutzende Gemeinden, Kreise und Woiwodschaften symbolische Resolutionen gegen die sogenannte LGBT-Ideologie unterschrieben, im Juli kam es während einer Pride-Parade im ostpolnischen Białystok zu gewaltvollen Ausschreitungen, daraufhin hat eine PiS-nahe Zeitung ihrer Ausgabe Sticker mit der Aufschrift "LGBT-freie Zone" beigelegt.

Auch für Agata und Emilia sind dies schmerzliche Zeiten, in denen sie einen Kampf in eigener Sache führen. Sie möchten, dass sie in ihren Dokumenten nicht als ledig, sondern verheiratet aufgeführt sind. Die Änderung eines Wortes, für die das Ehepaar nun vor Gericht klagt.

Emilia Barabasz und Agata Kowalska ...

... haben sich vor drei Jahren während des "schwarzen Protests" gegen die Verschärfung der Abtreibungsgesetze in Polen kennengelernt. Emilia, die als Anwältin arbeitet, wollte zu dieser Zeit eigentlich nach Kanada auswandern - wo Homosexuellen weitaus mehr Rechte zustehen als in Polen. Heute leben sie und die Radiojournalistin Agata zusammen, im August 2018 haben sie in Berlin geheiratet. Doch die Ehe wird in ihrem Heimatland nicht registriert. Seither kämpfen die Frauen vor Gericht um die offizielle Änderung ihres Familienstands. Wenn es sein muss auch vor dem EuGH, versichern die Frauen.

Bildquelle: ZDF

Sind wir in Polen, sind wir ledig, sobald wir die Grenze nach Deutschland oder Tschechien überschreiten sind wir ein Paar.

Agata: Wir haben nicht dieselben Rechte wie in Polen verheiratete Leute. Sind wir in Polen, sind wir ledig, sobald wir die Grenze nach Deutschland oder Tschechien überschreiten sind wir ein Paar. Das bereitet uns Probleme in Polen - zum Beispiel beim Notar oder vor Gericht. Natürlich kann das absurd erscheinen, dass wir um so eine Kleinigkeit wie die Änderung dieses Status kämpfen. Aber ganz Europa, außer Polen, hat sich irgendwie damit abgefunden, dass es auch in Europa lebende Paare gibt, die heiraten und eine Familie gründen möchten. Polen tut leider so, als gäbe es dieses Thema nicht.

Die polnische Kirche ist homophob und sie vermittelt dies an die Menschen, die an Messen teilnehmen.

Emilia: Wir haben einfach mehrere Generationen nicht gebildeter junger Menschen in Bezug auf sexuelle Aufklärung, Toleranz, Akzeptanz und so weiter. Ich denke, das ist eine sehr einfache Ernte für Politiker und Kirche. Dort Hass zu säen. Denn solche Ansichten wachsen besonders gut auf Unwissen. Es geht hier nicht um Katholizismus oder Nicht-Katholizismus. Ich kenne viele Katholiken, die sehr gläubig sind, die die katholische Religion praktizieren, die diesen Hass überhaupt nicht in sich haben. Geht es um homophoben Hass und Unverständnis, dann geht es um die Kirche als Institution. Das ist das Wichtige. Es ist nicht so, dass die ganze Gemeinde homophob ist. Die polnische Kirche ist homophob und sie vermittelt dies an die Menschen, die an Messen teilnehmen.

Hier in Polen spielt die Kirche eine große Rolle. Sie hämmert den Menschen in die Köpfe, alles was fremd und anders ist nicht auszustehen.

Agata: Hier in Polen spielt die Kirche eine große Rolle, sie hämmert den Menschen in die Köpfe, alles was fremd und anders ist nicht auszustehen, sie ist wahnsinnig dominant. Auch das Übereinstimmen von Kirche und Regierung war immer sehr groß. Bei jeder Regierung. Dass Parteien in ihren Programmen von Gleichberechtigung und gleichgeschlechtlicher Ehe reden, oder wie sagte es die Bürgerplattform (PO)? 'Irgendeine Form von Formalität', das ändert nichts. Letztlich melden sich nur sehr wenige Politiker offen zu Wort: 'Es gibt unter keinen Umständen Platz oder Einverständnis für Diskriminierung sexueller Minderheiten!'. Das fehlt, dieses starke Wider. Denn es gibt sehr viel Hass.


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