Hanau - Von Caroline Lang-Dedic - Verschwitzte Körper, Mädchen in Bikini-Tops, athletische junge Männer mit Six-Packs, bei denen selbst ein David Beckham vor Neid in den Rasen beißen würde. Beim Love Family Park gab es nicht nur ein Fest für die Ohren - sondern auch für die Augen.
Zehntausende Freunde elektronischer Musik aus ganz Europa fanden sich an den Mainwiesen in Hanau ein, um Sven Väth und seinen DJ Kollegen bei heißen Temperaturen zu huldigen. Und sogar der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) mischte sich unter das bunte, pulsierende Ravervolk.
Party schon im Zug
Das Thermometer zeigt knapp 30 Grad und bereits im Zug nach Hanau bringen sich die jungen Elektronicgirls- und boys in Stimmung. Da werden Anekdoten aus dem Vorjahr zum Besten gegeben, und Pläne für den kommenden Urlaub geschmiedet. In hautenge Hotpants gewandet und mit kaum mehr als einem Stückchen Oberstoff bekleidet, sind die Mädels bestens präpariert für 12 Stunden Tanzen, Sehen und Gesehen werden, vielleicht den ein oder anderen Flirt. Schließlich lautet die Devise „Love Family Park". Fleischbeschau würden manche argwöhnen, ein wenig hat es von den legendären Partynächten in Ibiza. Da wundert es auch nicht, dass bei den im Abteil vorbeidefilierenden Mitreisenden ganz genau hingesehen wird. „Die wäre etwas für deine Cellulite-Kamera" heißt es dann auch prompt von einer schlanken jungen Frau, die selbst kein Gramm zu viel am Leib hat, als sich ein Grüppchen ebenfalls zu den Mainwiesen Pilgernder den Weg vorbei an den gut gelaunten Südhessen bahnt. Jung, wach und gnadenlos ist sie die Raver-Generation.
Wenig später wird dieselbe Gruppe vorbei an einer Reihe von Reisebussen ziehen, die aus allen Teilen des Landes gekommen sind. Bayern, Saarland, hoher Norden - alle wollen elektronische Beats - 12 Stunden Techno Open-Air für 39 Euro, da sagt man nicht nein. Und so ein Open-Air-Rave ist auch ein Schaulaufen all jener junger Menschen, die sich gerne zeigen. So kann man hier die Trends des Sommers beobachten. Bunte Brillen stehen hoch im Kurs, kurze Shorts sowieso, die Dame trägt florales im Haar und bei den Herren sind besonders die militärisch kurz und streng nach links oder rechts gescheitelten Haarschnitte auffallend. Paradiesvögel gibt es natürlich auch - Perückenträger schwitzen unter farbigem Kunsthaar - Tätowierungen sind keine Besonderheit und gehören zum guten Ton. Wer wirklich auffallen will geht ganz nackt, allerdings riskiert der einen ziemlich schmerzhaften Sonnenbrand.
Dehydrierung
Tatsächlich machen die Temperaturen hier einigen der Besuchern zu schaffen und so gibt es viele die sich entkräftet in den Schatten flüchten, denn die Sonne brennt an diesem Tag erbarmungslos. „Wir haben an einem solchen Tag etwa 300 Fälle die wir behandeln, bei solchen Temperaturen kommen auch Fälle von Dehydrierung hinzu", verrät Kai Hirschenhein, der Einsatzleiter des Roten Kreuz Hanau, der schon mehrfach für das Love Family Park eingesetzt war. „In der Zahl sind neben Fällen von Erschöpfung auf Grund von Drogenintoxikation allerdings auch kleinere Blessuren enthalten", führt der Sanitäter weiter aus. Außerdem erklärt er, dass die Zahl der Vorfälle um die Mittagszeit deutlich angestiegen ist und er sich mit seinen Kollegen auf einen Feierabend weit nach Mitternacht einstellt.
Nicht nur die Helfer des Roten Kreutzes haben heute alle Hände voll zu tun. Auch die Polizei ist im Einsatz. Oberrätin Claudia Rogalski ist bereits seit zehn Stunden vor Ort. Die Polizeibeamtin und ihre Kollegin von der Polizeidirektion des Main-Kinzig-Kreises haben vor allem mit Drogendelikten zu tun. Einige der aufgegriffenen Personen sind den Beamten aus den vergangen Jahren bereits bekannt, allerdings kommen viele der Besucher aus dem Ausland. Vor Ort sind sowohl Streifenbeamte als auch zivile Ermittler unterwegs. „Am Ende werden wir uns in einem dreistelligen Bereich von Straftaten aus den verschiedenen Betäubungsmitteln von Cannabis bis Kokain bewegen", berichtet Rogalski.
Väth sorgt für Ekstase
Bei all dem könnte man meinen die Musik verkomme hier zur Nebensächlichkeit doch weit gefehlt. Denn all die jungen Menschen rufen dem Lockruf eines Obergurus, und nein es ist nicht Oberbürgermeister Kaminsky, der sich jugendlich-lässig ein trendiges Shirt übergeworfen hat und entspannt ein Bierchen trinkt während der, den sie hier alle verehren seine seltsame Magie versprüht. Es ist ein Mann, der unauffälliger nicht sein könnte, aber dennoch tausende ekstatische Menschen, noch entrückter werden lässt. Sven Väth. Mal wieder aus irgendeiner exotischen Metropole eingeflogen, feiert er seine 18. Wiesenparty und entfaltet sie wieder, diese seltsame Mischung aus reduzierter Bühnenpräsenz und entrückter Arroganz. Ein schlichter Blick nach oben - ein Lachen in sich hinein, eine vollkommene Selbstzufriedenheit - der Mann ist im Zen und surft auf der Yoga-Woge des Erfolgs. Seine Jünger wollen ein wenig von dieser Ausgeglichenheit erheischen. Oder wollen sie den alten Sven - der einst als Drogenpapst verrucht und doch verehrt war? Egal, in diesem Moment zählt für alle die auf den Wiesen zu den Klängen der Musik ihre wohl gestählten, sonnen gebräunten Körper wiegen sowieso nur eins. Das hier und jetzt.