Ein Mietshaus als Organismus: Juliana Kálnay Romandebüt „Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens“ ist ein überraschendes Stück purer Literatur.
Das Haus Nummer 29, seine Geräusche, Winkel und Verstecke. Die Gerüche im Flur. Die Gesprächsfetzen der Bewohner. Wie die Tapete vergilbt und Risse in den Wänden entstehen. Wie es lebt, dieses Haus, welche skurrilen Geschichten sich darin abspielen, davon erzählt Juliana Kálnay in ihrem ersten Roman „Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens". Bewohner sind plötzlich weg, graben sich Löcher, fressen sich durch Wände. Ein Mann bewohnt den Aufzug.
Ein Haus als Organismus, seine Bewohner als Organe oder Elemente oder ... Vergleiche hinken, das Spiel der Autorin ist zu gewitzt. Sie führt die Leserinnen und Leser in eine surreale Zwischenwelt: Oberflächlich erinnert alles an ein durchschnittliches Mietshaus, aber die Regeln, die dort gelten, folgen einer eigenen Logik. Da springen Fische hintereinander weg aus dem Aquarium in Bett und Unterhose der Besitzerin, als betrieben sie kollektiven Suizid. Da werden Sterbende mit klebrigen Kuchen vollgestopft, als sei das ein ganz normales Ritual. (...)
Zum Original