Wortart Ensemble : Das 2008 gegründete A-Capella-Quintett aus Dresden ist einmalig in der deutschen Musikszene. Denn auf dem Programm des Vokalensembles stehen, selbst vertont und arrangiert, zeitgenössische Gedichte - zum Beispiel von Eva Strittmatter, Wolf Wondratschek, Felix Wetzel, oder Sarah Kirsch.
Brigitte Neumann über die neue Platte des Ensembles „Wie sag ich Wunder“. Entstanden ist sie in Kooperation mit der 34-jährigen Dichterin Nora Gomringer.
Infos zur CD
Wortart Ensemble trifft Nora Gomringer: Wie sag ich Wunder
ist in Gomringers Hausverlag Voland und Quist erschienen.
Spielzeit: 34 Minuten
Tonträgerhandel : Broken Silence
14,90 Euro
ISBN 978-3-86391-067-9
Vertrieb: Buchhandel: GVA # 48163
Gefördert aus Projektmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
Manuskript
CD - Stück 1 „Ärgernis“
Da liegt eine Schnecke auf dem Weg. Ih! Da liegt eine dicke Schnecke auf dem Weg. Ja wo kommt die denn her?
O-Ton Gomringer
Meine erste Berührung mit dem Wortartensemble hat wie oft in so groß angelegten Personenkonstellationen mit der Begegnung mit einer Person begonnen. Mit Anne Munka, ich glaube es war 2003. Und ich hab in ihr eine meiner ersten stetigen Leserinnen gefunden.
CD - Stück 1 „Ärgernis“
Was macht die Schnecke denn da? Liegt die nur einfach rum?
O-Ton Gomringer
Dann kam ein Anruf, jetzt muss ich überlegen: 2009 kam ein Anruf, dass das Ensemble meine Gedichte bearbeitet hat und dass ich mir das doch bitte mal anhören sollte. … Und das hat mich richtig fasziniert, das weiß ich noch.
CD - Stück 1 „Ärgernis“
Ich gebe zu: So eine Schnecke ist wenig ergiebig.
O-Ton Gomringer
Für mich ist das ein großer Segen, eine solche Gruppe gefunden zu haben, die es a) mit mir aushält und ich es mit denen. Ich bin jetzt das sechste Rad am Wagen, der zu Fünft ganz gut fährt. Und für mich ist natürlich spannend, dass die sich auf mich so einlassen, dass sie mich dabei sein lassen, dass sie das wirklich auch wollen, dass ich mitkomme.
CD - Stück 6 „Monster & Mädchen“
Wer ich jetzt bin / Wer ich jetzt bin / Wer
Ich jetzt bin / Wer ich jetzt bin / Fragst Du mich / Wer
Kommentar
Nora Gomringer, selbst ausgebildete Sopranistin, spricht ihre Gedichte nicht nur, sondern - wie eben gehört - singt sie auch mit den Profis vom Wortart Ensemble: Vier wunderbar klingenden Stimmsolitären um den in Rostock geborenen Komponisten und Sänger Lars Ziegler.
CD - Stück 2 Ich war schrecklich / Einsatz Ziegler
Ding ding ding diggi diggi ding ding ding (unterlegen)
Kommentar:
Enseblemitglied Lena Sundermeyer:
O-Ton
„Es ist schon spannend, wie man durch die Komposition und die Vertonung des Gedichts eine ganz neue Stimmung erschaffen kann. Und ich glaube, dass die Gedichte oder besondere Stellen der Gedichte anders aufgenommen werden vom Publikum durch die Vertonung und anders wahrgenommen, als wenn es jemand spricht. Das hat eine ganz andere Ebene dann.“
CD - Stück 6 „Monster & Mädchen“
Ich war das Mädchen, Mädchen, Mädchen war ich
Dass du sortiertest / Sortiert hast du mich
So spricht das Monster / Das Monster bin ich.
Kommentar:
Lyrik ist Nora Gomringer sozusagen in die Wiege gelegt worden. Ihr Vater, der Schweizer Schriftsteller und Literaturtheoretiker Eugen Gomringer, machte einst die Konkrete Poesie populär. Die Tochter ist eine nicht minder große Künstlerin: ausgezeichnete Poetry-Slammerin, mehrfach preisgekrönt, eine hoch gelobte Autorin. Seit 2010 leitet sie das Bamberger Künstlerhaus Villa Concordia. Diese Autorin will nicht nur gelesen, sondern auch gehört werden. Lyrik sei ohnehin fast Musik, sagt sie. Der Schritt zur Vertonung ist also nur ein kleiner.
O-Ton Gomringer
„Da wird das Gedicht nicht nur in einem Buch festgehalten, sondern ein bisschen befreit.“
Kommentar:
Wenn die Schrift das Gefängnis der Poesie ist, wie der Lautpoet und Musiker Michael Lentz einmal geschrieben hat, dann sind die Arrangements des Wortart Ensembles Befreiung und Erlösung aus dieser Kerkerhaft. Gomringers Gedichte haben ohnehin Witz, Wärme und Wut. Aber welch eine Vervielfachung ihrer Wirkung, ihres Zaubers, welch klangliche Veränderungen durch die Musik: Die Langsamkeit der gesungenen Worte, ihre Wiederholung machen das Gedicht verständlicher, sie erleichtern es, sich seiner Wirkung hinzugeben.
CD Stück 2 „Ich war schrecklich“
Ohne dich bin ich schrecklich.
Mit dir war ich schrecklich.
Wenn alles nichts mit dir zu tun hat,
Bin ich tadellos.
Die Wortart – Musik ist in ihrer spektakulären Schönheit, ihrer sphärischen Entrücktheit so aus unserer verwertungsnärrischen Zeit gefallen, dass es billig ist, an dieser Stelle aus einem Brief des Flötisten Friedrich des Großen zu zitieren. Er schreibt, zusammen mit Voltaire würde er sich die Zeit vertreiben, indem sie beide ihre „Ohren durch schmachtende Töne kitzeln, die zur Liebe anreizen.“
Wenn auch Sie das tun wollen, nehmen Sie die neue Platte von Wortart Ensemble und Nora Gomringer „Wie sag ich Wunder“.
CD - Stück 4 Anruf (Ende)
Durch den Hörer / Klingt die Stimme blechern hohl
Auf den Drähten draußen tanzt sie
Auf den Drähten draußen tanzt
Sie durch die Nacht
Und die Mittagshitze
Und weit gereist
Wo sie mich trifft.
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