Naturfarben – die Welt ist bunt
Bertram ist Experte in Sachen Naturfarben.
Bertram ist sechs Jahre alt, eines von drei Dutzend Nachbarskindern und sooft es nur geht, auf Streifzügen über die Wiesen und das kleine Wäldchen hinter dem Wohngebiet unterwegs. Und bei jeder Rückkehr hat er dann ein paar neue Farben gesammelt: die Knie glänzen meistens grasgrün, drüber und drunter haben sich unterschiedliche Färbungen von matschbraun bis butterblumengelb festgesetzt, was zu beeindruckenden Mischergebnissen an den Farb-Übergängen führt. So beeindruckend, daß Bertrams Mutter jedesmal neue Tricks und Mittelchen in die Waschmaschine werfen muß, um unter der natürlichen Farbvielfalt wieder die chemisch erzeugte Grundfarbe zum Vorschein zu bringen.
Bertrams Erfahrungen mit Naturfarben hat garantiert jeder irgendwann ge-sammelt, der eine früher, der andere ein paar Jahre später. Millionen Mütter wissen demnach auch Bescheid - es gibt natürliche Farbstoffe, die auf Gewebefäden ohne Pardon festsitzen und ihnen so eine neue Farbe geben. Wahrscheinlich haben unsere Vorfahren die ersten natürlichen Färbemethoden nach dem System "Bertram" entdeckt: bunte Beeren-flecken auf Schafwolle nach der Jagd. Oder ein gelbes Hemd, nachdem ins Waschwasser einige Blätter gefallen waren. Auf alle Fälle hatten einige schnell begriffen, daß nicht nur Felle von Tieren verschiedenfarbig sein konnten. Blätter leuchten im Sommer schon immer grün, im Herbst in allen Farben, die Blumen fast das ganze Jahr, Vögel schillern bunt - nur der Mensch hatte außer dezenten Variationen in Haar- und Augenfarbe nichts auffällig Farbiges aufzuweisen. Kein Wunder, daß nicht nur der Mensch, sondern auch die Götter es viel lieber bunt treiben wollten. Der Sage nach entdeckte einer der griechischen Göttlichen den berühmtesten aller natürlichen Farbstoffe: das Purpur.
Nun ja, es war eigentlich nicht Herkules höchstpersönlich, der mit seiner Geliebten, der Nymphe Tyros, einen Spaziergang am Meer machte - es war sein Hund. Der biß, wie auch göttliche Hunde das so machen, erstmal in alles rein. Auch in das eigenartige Gehäuse einer Schnecke, die eine Welle auf den Sand gespült hatte und bekam eine rote Schnauze davon. Als Herrchen Herkules dieselbe mit einem Tuch abwischte, schimmerte sofort auch das Tuch in einem herrlichen Rot. Worauf die Dame Tyros sofort Rot sah und von Herkules ein mit diesem Farbstoff gefärbtes Gewand verlangte. Purpur als Zeichen der Macht, auf Kaisermänteln und Staatsornaten hat sich bis heute gehalten. Dabei sieht die dafür verantwortliche gelbliche Absonderung der Purpurschnecke zunächst alles andere als beeindruckend aus. Erst unter Lichteinwirkung verändert sich damit gefärbtes Gewebe, wird zunächst blaugrün und dann rot bis violett, das immer schöner leuchtet, je länger es dem Licht ausgesetzt bleibt. Ganz im Gegensatz zu den sonstigen natürlichen Farbstoffen der Antike, die ziemlich schnell im Licht verblaßten. Auch die Herstellung des Farbstoffes war kompliziert. Eine Brühe aus Schneckenschleim und Salz wurde zehn Tage lang erhitzt, immer wieder gereinigt, sodaß schließlich von 100 Litern Brühe nur fünf Liter Färbeextrakt übrig blieben. 8000 Purpurschnecken lieferten gerade ein Gramm Farbstoff. Das trieb den Preis hoch: das Kilo Pupurwolle kostete um 300 nach Christus rund 7000 Mark. Ein teures Vergnügen...
Rote Naturfarbe ist auch heute noch heikel herzustellen. Nur ein einziges Kraut, das Labkraut, liefert rote Farbe, wächst aber nur im Norden und färbte daher hauptsächlich schottische Karos in die Kilts. Da der schottische Geiz aber wohl zu allen Zeiten ein Märchen war, daher mehrere Kilts im Schrank des Schotten hängen mußten, grasten die Schottinnen die sandigen Hügel so gründlich nach dem Labkraut ab, daß an vielen Stellen nur noch diese sandigen Hügel übrig blieben, kurz darauf nicht mal mehr die, weil der Wind sie einfach wegwehte. Das rief die ersten schottischen Umweltschützer auf den Plan, die damals recht radikal vorgingen: sie stellten das Sammeln von Labkraut unter Todesstrafe.
Verschiedene Versuche mit anderen natürlichen Rottönen waren nicht ge-rade erfolgreich. Mit dem Saft der roten Beete sieht das gefärbte Tuch zwar anfangs schön rot aus, nach ein paar Tagen in der Sonne aber ist die rote Farbe völlig verschwunden. Krapp-Wurzeln erzeugen nur ein dunkles Rot. Flechten und Holzarten mußten als Ersatz herhalten, waren aber schwierig anzuwenden und im Endergebnis eben auch nur braun bis braun-rot.
Das blieb so, bis den Spaniern auf Eroberungstrip in Mexiko eine Laus vor die Linse lief: die Cochenille-Laus, auf Kakteen heimisch und leuchtend rot. Aus getrockneten trächtigen Weibchen wird der Farbstoff erzeugt, der auf "normalem" Garn ziemlich verwaschen aussieht. Ein paar Hundert Jahre haben die Färber gebraucht, um herauszufinden, daß die Garne zuerst mit Alaun gebeizt werden mußten, um "Karmesinrot" zu erzielen. Mit Zinnlösung vermischt ergab sich sogar leuchtendes Hellrot. Um 1660 wurde die ungewohnte, leuchtende Farbe sofort zum absoluten Modehit. Mit diesen heute bekannten Tricks läßt sich auch leicht selber färben. Teuer ist der Cochenille-Farbstoff trotzdem geblieben: 100 Gramm kosten etwa 25 Mark in einigen Apotheken und Spezialgeschäften.
"Blutrot" als natürlicher Farbstoff hat lange Tradition. Ochsenblutrot strich man auch hierzulande viele Fachwerk-Balken, die Tore der verbotenen Stadt in Peking haben dieselbe Farbe. Blau war in China die Farbe des Himmels und damit ausschließlich "himmlischen" Persönlichkeiten, den Kaisern vorbehalten. Leibeigene trugen grün. Maos "blaue" Ameisen in blauen Arbeitskitteln symbolisierten also schon durch Farbe den Bruch mit der Tradition: jeder war ab sofort ein Himmelssohn... Blau war nach Schwarz aus Ruß und Asche wahrscheinlich die erste "Farbe", die der Mensch künstlich aus natürlichen Stoffen erzeugte. Blaugefärbte Stoffreste aus der Eisenzeit wurden mit "Waid" gefärbt - auch eine Farbstoffpflanze, die noch heute benutzt wird. Wer allerdings nach altem Rezept mit Waid färben will, braucht eine unempfindliche Nase und viel freien Platz zum Nachbarn. Denn ein wichtiger Zusatz-stoff beim Waidfärben ist Urin, allerdings "nur von Männern, nicht von Frauen (aus dem "Färbebuch für Frauenzimmer" von 1755).
Das war notwendig, um den in der Waidpflanze enthaltenen Farbstoff "Indigo" zu aktivieren, der nur durch diese Gärung blau wird. Die gärenden Waidpflanzen verbreiten aber auch selbst einen fürchterlichen Geruch - ein Grund mehr, weshalb die Färber nie besonderes Ansehen hatten und niemand gerne in der Nähe einer Färberei wohnte. Das ist heute nicht mehr so schlimm: Urin als Gärmittel ist bei den "modernisierten" Natur-Färbeverfahren nicht mehr notwendig. An seine Stelle sind geruchlosere Chemikalien wie Alaun (Kaliumaluminiumsulfat) oder Chromkali (Kaliumdichromat) getreten. Ein Widerspruch beim "natürlichen" Färben? Wer es ganz genau sehen will, dem kommen vielleicht Bedenken: ist das gefärbte Kleidungsstück vielleicht sogar gesundheitsschädlich?
Tatsächlich sind auch einige der "natürlichen" Zutaten beim Färben giftig und erfordern besondere Handhabung, "natürlich" heißt also nicht ohne weiteres "unschädlich". Daran sollte man gerade bei Eigenversuchen mit unbekanntem Färbematerial immer denken! Die Vorteile der Naturfarben macht man sich heute auch in großem Maßstab immer mehr zunutze. So werden bei Wandanstrichen in Krankenhäusern zum Teil schon Farben verwendet, die unschädliche Lösungsmittel enthalten - eigentlich eine Selbstverständlichkeit und trotzdem erst seit kurzem und vereinzelt anzutreffen. Auch bei "natürlich" gefärbten Kleidungsstücken sind Krankenhäuser die ersten professionellen Vorreiter. Der Weg weg vom sterilen Weiß hat aber auch Sackgassen, denn viele Naturfarben verschwinden beim agressiven Kochwaschgang in der Waschmaschine und halten selbst einfache Wäschen nur bei, unter Umständen komplizierter Vorbehandlung, aus. Es gibt aber auch einfache Färbemethoden, die jeder selber machen kann.
Dazu braucht man ein paar simple Haushaltsgeräte: große Emailletöpfe (da Metall die Färbung beeinflussen kann - Aluminium hellt auf) oder solche aus Edelstahl. Ein 8 Liter-Topf faßt etwa 150 Gramm Fasern. Zum Einweichen tun's Plastikeimer, abgetropft wird im Plastiksieb, die Küchenwaage wiegt die Zutaten. Dazu noch einige Holzstäbe zum Umrühren und Herausholen, ein Thermometer und Gummihandschuhe - Naturfarben-"Flecken" halten immer am besten. Vor jedem Färbevorgang ist eine gründliche Wäsche der Fasern notwendig, damit Schmutz und Fett die Aufnahme der Farbteilchen nicht behindern. Am besten klappt das mit Seifenpulver, wobei sich bei verschiedenen Materialien unterschiedliche Waschanweisungen empfehlen. Wolle sollte in 45o warmem Wasser und etwas Wollwaschmittel eingeweicht und dann in kälterem Wasser ausgespült werden, bei Seidenfasern, die noch vom Leim der Spinnraupe verklebt sind, muß es schon 70o warm sein.
In das eigentliche Färbebad, die "Flotte", (1 Kilo Fasern 25 Liter Flotte; 100 Gramm Fasern 5 Liter Flotte) werden die Wurzeln, Kräuter oder Pflanzen möglichst kleingehackt gegeben und eingeweicht: holziges Färbegut weicht 3-4 Tage, Krautartiges etwa 12 Stunden, Blätter sechs Stunden. Danach wird die Flotte zum Kochen gebracht, das Färbegut dazugepackt und bei Blättern 1 Stunden gekocht, bei Kraut 2 Stunden, Flechten 2 Stunden und Rinden 4 Stunden. Nach dem Abkühlen wird der Sud durch ein Tuch gefiltert, das Färbegut gewaschen und dann zum Trocknen ausgelegt.
Das war kurzgefaßt die einfachste Färbemethode, die allerdings nicht bei sämtlichen Färbematerialien dauerhafte Ergebnisse erzielt. Das läßt sich mit Hilfe von Beizen manchmal machen, das Färbegut wird dabei vorher mit Alaun oder anderen Chemikalien vorbehandelt und dadurch aufnahmenbereiter für Farbstoffe. Noch aufwendiger ist das "Entwicklungsfärben", das wie bei der Fotoentwicklung zunächst gar keine Farbe ergibt, nach einem "Entwicklerbad" (beispielsweise Eisensulfat) erst bestimmte Farbtöne erzeugt.
Die sogenannte "Küpenfärbung", die besonders beim Blaufärben mit Indigo angewandt wird, ist eigentlich nur etwas für Fachleute. Hier muß jede Zugtat aufs Gramm genau stimmen, die Temperaturen der einzelnen "Küpen", so hießen die großen Reaktionsgefäße im Mittelalter, müssen peinlich genau eingehalten werden und dann sind immer noch ein paar Dutzend Arbeitsschritte notwendig, bei denen irgendetwas schieflaufen kann. Wir haben deshalb ein paar einfachere Rezepte gesammelt und nebenan zusammengestellt. Und wenn Ihnen beim Färben trotzdem irgendwann einmal zu bunt wird, dann denken Sie daran: fast alle brauchbaren Färbemethoden haben ein paar Jahrhunderte Praxis und Fehlschläge gebraucht. Sie dürfen sich ruhig ein paar Wochen Zeit lassen...
© Bernd Bitzer, Pressebüro Bitzer, www.berndbitzer.com
Kasten Natur-Farben:
Kasten Natur-Rezepte:
Färben mit Brombeertrieben (Gelb) Von dem Strauch mit den stachligen Zweigen eignen sich die Blätter und besonders die frischen Triebe, die im April aus dem Boden wachsen. 300 Gramm davon werden zerstoßen, zwei Stunden gekocht und über Nacht abgekühlt. 100 Gramm Wolle mit 15 Gramm Alaun 1 Stunde kochen, danach zwei Tage in feuchtem Tuch aufbewahren. Die so gebeizte Wolle zweimal eine halbe Stunde kochen und nach jeder Färbung für zwei Stunden an der frischen Luft ausbreiten. Danach waschen und klarspülen.
Färben mit Walnußschalen (Braun) 60 Gramm getrocknete, pulverisierte Walnußschalen 30 Minuten lang in zwei Liter Wasser einweichen und eine Stunde auskochen. Abkühlen lassen, durch ein Tuch filtrieren und auf vier Liter auffüllen. Danach 100 Gramm ungebeizte Wolle bei 400 zugeben und eine Stunde kochen, auswaschen und klarspülen.
Färben mit Krappwurzeln (Rot) 100 Gramm Krappwurzeln zerkleinern und 24 Stunden wässern. Dann zusammen mit dem Garn in 650 heißes Wasser geben und zwei bis drei Stunden kochen. Für satteres Rot mit 25 % Alaun vorbeizen, eventuell zusärzlich 0,1 Liter Essig in die Färbeflotte.
Kasten "Wohin mit den Färbe-Abfällen?"
Beim Färben, insbesondere zum Beizen werden verschiedene Chemikalien verwendet, die zum Teil giftig sind und besondere Vorsicht erfordern. Es kommt dabei allerdings auf die Menge, die Handhabung und die Konzentration der Stoffe an. So wird Kaliumkarbonat oder "Pottasche" zwar zum Backen verwendet, auf der Netzhaut des Auges führt Pottasche aber zu Verätzungen. Essigsäure macht in verdünnter Form jeden Salat schmackhaft, wenn aber 1000 Liter davon aus einer Chemiefirma in den Rhein fließen, ist das eine Katastrophe. Dazu Dr. Wolfgang Fladt vom Chemischen Institut Dr. Fladt in Stuttgart: "Neulich hat sich einer mit Wasser umgebracht, hat 18 Liter auf einmal getrunken und den Körper dadurch so entmineralisiert, daß er daran starb. Also müßte Wasser auf die Liste der gefährlichen Stoffe. Das zeigt, daß es in diesen Fällen kaum fertige Rezepte für die optimale "Entsorgung" gibt. Es besteht aber auch kein Grund für eine "Chemiemüll-Hysterie". Viele Chemikalien lassen sich leicht neutralisieren, andere sind völlig unschädlich. In Zweifelsfällen fragt man am besten Fachleute: den Chemielehrer seiner Kinder, den Chemiker der Sondermüll-Beseitigung oder ein chemisches Institut."
Bertram ist sechs Jahre alt, eines von drei Dutzend Nachbarskindern und sooft es nur geht, auf Streifzügen über die Wiesen und das kleine Wäldchen hinter dem Wohngebiet unterwegs. Und bei jeder Rückkehr hat er dann ein paar neue Farben gesammelt: die Knie glänzen meistens grasgrün, drüber und drunter haben sich unterschiedliche Färbungen von matschbraun bis butterblumengelb festgesetzt, was zu beeindruckenden Mischergebnissen an den Farb-Übergängen führt. So beeindruckend, daß Bertrams Mutter jedesmal neue Tricks und Mittelchen in die Waschmaschine werfen muß, um unter der natürlichen Farbvielfalt wieder die chemisch erzeugte Grundfarbe zum Vorschein zu bringen.
Bertrams Erfahrungen mit Naturfarben hat garantiert jeder irgendwann ge-sammelt, der eine früher, der andere ein paar Jahre später. Millionen Mütter wissen demnach auch Bescheid - es gibt natürliche Farbstoffe, die auf Gewebefäden ohne Pardon festsitzen und ihnen so eine neue Farbe geben. Wahrscheinlich haben unsere Vorfahren die ersten natürlichen Färbemethoden nach dem System "Bertram" entdeckt: bunte Beeren-flecken auf Schafwolle nach der Jagd. Oder ein gelbes Hemd, nachdem ins Waschwasser einige Blätter gefallen waren. Auf alle Fälle hatten einige schnell begriffen, daß nicht nur Felle von Tieren verschiedenfarbig sein konnten. Blätter leuchten im Sommer schon immer grün, im Herbst in allen Farben, die Blumen fast das ganze Jahr, Vögel schillern bunt - nur der Mensch hatte außer dezenten Variationen in Haar- und Augenfarbe nichts auffällig Farbiges aufzuweisen. Kein Wunder, daß nicht nur der Mensch, sondern auch die Götter es viel lieber bunt treiben wollten. Der Sage nach entdeckte einer der griechischen Göttlichen den berühmtesten aller natürlichen Farbstoffe: das Purpur.
Nun ja, es war eigentlich nicht Herkules höchstpersönlich, der mit seiner Geliebten, der Nymphe Tyros, einen Spaziergang am Meer machte - es war sein Hund. Der biß, wie auch göttliche Hunde das so machen, erstmal in alles rein. Auch in das eigenartige Gehäuse einer Schnecke, die eine Welle auf den Sand gespült hatte und bekam eine rote Schnauze davon. Als Herrchen Herkules dieselbe mit einem Tuch abwischte, schimmerte sofort auch das Tuch in einem herrlichen Rot. Worauf die Dame Tyros sofort Rot sah und von Herkules ein mit diesem Farbstoff gefärbtes Gewand verlangte. Purpur als Zeichen der Macht, auf Kaisermänteln und Staatsornaten hat sich bis heute gehalten. Dabei sieht die dafür verantwortliche gelbliche Absonderung der Purpurschnecke zunächst alles andere als beeindruckend aus. Erst unter Lichteinwirkung verändert sich damit gefärbtes Gewebe, wird zunächst blaugrün und dann rot bis violett, das immer schöner leuchtet, je länger es dem Licht ausgesetzt bleibt. Ganz im Gegensatz zu den sonstigen natürlichen Farbstoffen der Antike, die ziemlich schnell im Licht verblaßten. Auch die Herstellung des Farbstoffes war kompliziert. Eine Brühe aus Schneckenschleim und Salz wurde zehn Tage lang erhitzt, immer wieder gereinigt, sodaß schließlich von 100 Litern Brühe nur fünf Liter Färbeextrakt übrig blieben. 8000 Purpurschnecken lieferten gerade ein Gramm Farbstoff. Das trieb den Preis hoch: das Kilo Pupurwolle kostete um 300 nach Christus rund 7000 Mark. Ein teures Vergnügen...
Rote Naturfarbe ist auch heute noch heikel herzustellen. Nur ein einziges Kraut, das Labkraut, liefert rote Farbe, wächst aber nur im Norden und färbte daher hauptsächlich schottische Karos in die Kilts. Da der schottische Geiz aber wohl zu allen Zeiten ein Märchen war, daher mehrere Kilts im Schrank des Schotten hängen mußten, grasten die Schottinnen die sandigen Hügel so gründlich nach dem Labkraut ab, daß an vielen Stellen nur noch diese sandigen Hügel übrig blieben, kurz darauf nicht mal mehr die, weil der Wind sie einfach wegwehte. Das rief die ersten schottischen Umweltschützer auf den Plan, die damals recht radikal vorgingen: sie stellten das Sammeln von Labkraut unter Todesstrafe.
Verschiedene Versuche mit anderen natürlichen Rottönen waren nicht ge-rade erfolgreich. Mit dem Saft der roten Beete sieht das gefärbte Tuch zwar anfangs schön rot aus, nach ein paar Tagen in der Sonne aber ist die rote Farbe völlig verschwunden. Krapp-Wurzeln erzeugen nur ein dunkles Rot. Flechten und Holzarten mußten als Ersatz herhalten, waren aber schwierig anzuwenden und im Endergebnis eben auch nur braun bis braun-rot.
Das blieb so, bis den Spaniern auf Eroberungstrip in Mexiko eine Laus vor die Linse lief: die Cochenille-Laus, auf Kakteen heimisch und leuchtend rot. Aus getrockneten trächtigen Weibchen wird der Farbstoff erzeugt, der auf "normalem" Garn ziemlich verwaschen aussieht. Ein paar Hundert Jahre haben die Färber gebraucht, um herauszufinden, daß die Garne zuerst mit Alaun gebeizt werden mußten, um "Karmesinrot" zu erzielen. Mit Zinnlösung vermischt ergab sich sogar leuchtendes Hellrot. Um 1660 wurde die ungewohnte, leuchtende Farbe sofort zum absoluten Modehit. Mit diesen heute bekannten Tricks läßt sich auch leicht selber färben. Teuer ist der Cochenille-Farbstoff trotzdem geblieben: 100 Gramm kosten etwa 25 Mark in einigen Apotheken und Spezialgeschäften.
"Blutrot" als natürlicher Farbstoff hat lange Tradition. Ochsenblutrot strich man auch hierzulande viele Fachwerk-Balken, die Tore der verbotenen Stadt in Peking haben dieselbe Farbe. Blau war in China die Farbe des Himmels und damit ausschließlich "himmlischen" Persönlichkeiten, den Kaisern vorbehalten. Leibeigene trugen grün. Maos "blaue" Ameisen in blauen Arbeitskitteln symbolisierten also schon durch Farbe den Bruch mit der Tradition: jeder war ab sofort ein Himmelssohn... Blau war nach Schwarz aus Ruß und Asche wahrscheinlich die erste "Farbe", die der Mensch künstlich aus natürlichen Stoffen erzeugte. Blaugefärbte Stoffreste aus der Eisenzeit wurden mit "Waid" gefärbt - auch eine Farbstoffpflanze, die noch heute benutzt wird. Wer allerdings nach altem Rezept mit Waid färben will, braucht eine unempfindliche Nase und viel freien Platz zum Nachbarn. Denn ein wichtiger Zusatz-stoff beim Waidfärben ist Urin, allerdings "nur von Männern, nicht von Frauen (aus dem "Färbebuch für Frauenzimmer" von 1755).
Das war notwendig, um den in der Waidpflanze enthaltenen Farbstoff "Indigo" zu aktivieren, der nur durch diese Gärung blau wird. Die gärenden Waidpflanzen verbreiten aber auch selbst einen fürchterlichen Geruch - ein Grund mehr, weshalb die Färber nie besonderes Ansehen hatten und niemand gerne in der Nähe einer Färberei wohnte. Das ist heute nicht mehr so schlimm: Urin als Gärmittel ist bei den "modernisierten" Natur-Färbeverfahren nicht mehr notwendig. An seine Stelle sind geruchlosere Chemikalien wie Alaun (Kaliumaluminiumsulfat) oder Chromkali (Kaliumdichromat) getreten. Ein Widerspruch beim "natürlichen" Färben? Wer es ganz genau sehen will, dem kommen vielleicht Bedenken: ist das gefärbte Kleidungsstück vielleicht sogar gesundheitsschädlich?
Tatsächlich sind auch einige der "natürlichen" Zutaten beim Färben giftig und erfordern besondere Handhabung, "natürlich" heißt also nicht ohne weiteres "unschädlich". Daran sollte man gerade bei Eigenversuchen mit unbekanntem Färbematerial immer denken! Die Vorteile der Naturfarben macht man sich heute auch in großem Maßstab immer mehr zunutze. So werden bei Wandanstrichen in Krankenhäusern zum Teil schon Farben verwendet, die unschädliche Lösungsmittel enthalten - eigentlich eine Selbstverständlichkeit und trotzdem erst seit kurzem und vereinzelt anzutreffen. Auch bei "natürlich" gefärbten Kleidungsstücken sind Krankenhäuser die ersten professionellen Vorreiter. Der Weg weg vom sterilen Weiß hat aber auch Sackgassen, denn viele Naturfarben verschwinden beim agressiven Kochwaschgang in der Waschmaschine und halten selbst einfache Wäschen nur bei, unter Umständen komplizierter Vorbehandlung, aus. Es gibt aber auch einfache Färbemethoden, die jeder selber machen kann.
Dazu braucht man ein paar simple Haushaltsgeräte: große Emailletöpfe (da Metall die Färbung beeinflussen kann - Aluminium hellt auf) oder solche aus Edelstahl. Ein 8 Liter-Topf faßt etwa 150 Gramm Fasern. Zum Einweichen tun's Plastikeimer, abgetropft wird im Plastiksieb, die Küchenwaage wiegt die Zutaten. Dazu noch einige Holzstäbe zum Umrühren und Herausholen, ein Thermometer und Gummihandschuhe - Naturfarben-"Flecken" halten immer am besten. Vor jedem Färbevorgang ist eine gründliche Wäsche der Fasern notwendig, damit Schmutz und Fett die Aufnahme der Farbteilchen nicht behindern. Am besten klappt das mit Seifenpulver, wobei sich bei verschiedenen Materialien unterschiedliche Waschanweisungen empfehlen. Wolle sollte in 45o warmem Wasser und etwas Wollwaschmittel eingeweicht und dann in kälterem Wasser ausgespült werden, bei Seidenfasern, die noch vom Leim der Spinnraupe verklebt sind, muß es schon 70o warm sein.
In das eigentliche Färbebad, die "Flotte", (1 Kilo Fasern 25 Liter Flotte; 100 Gramm Fasern 5 Liter Flotte) werden die Wurzeln, Kräuter oder Pflanzen möglichst kleingehackt gegeben und eingeweicht: holziges Färbegut weicht 3-4 Tage, Krautartiges etwa 12 Stunden, Blätter sechs Stunden. Danach wird die Flotte zum Kochen gebracht, das Färbegut dazugepackt und bei Blättern 1 Stunden gekocht, bei Kraut 2 Stunden, Flechten 2 Stunden und Rinden 4 Stunden. Nach dem Abkühlen wird der Sud durch ein Tuch gefiltert, das Färbegut gewaschen und dann zum Trocknen ausgelegt.
Das war kurzgefaßt die einfachste Färbemethode, die allerdings nicht bei sämtlichen Färbematerialien dauerhafte Ergebnisse erzielt. Das läßt sich mit Hilfe von Beizen manchmal machen, das Färbegut wird dabei vorher mit Alaun oder anderen Chemikalien vorbehandelt und dadurch aufnahmenbereiter für Farbstoffe. Noch aufwendiger ist das "Entwicklungsfärben", das wie bei der Fotoentwicklung zunächst gar keine Farbe ergibt, nach einem "Entwicklerbad" (beispielsweise Eisensulfat) erst bestimmte Farbtöne erzeugt.
Die sogenannte "Küpenfärbung", die besonders beim Blaufärben mit Indigo angewandt wird, ist eigentlich nur etwas für Fachleute. Hier muß jede Zugtat aufs Gramm genau stimmen, die Temperaturen der einzelnen "Küpen", so hießen die großen Reaktionsgefäße im Mittelalter, müssen peinlich genau eingehalten werden und dann sind immer noch ein paar Dutzend Arbeitsschritte notwendig, bei denen irgendetwas schieflaufen kann. Wir haben deshalb ein paar einfachere Rezepte gesammelt und nebenan zusammengestellt. Und wenn Ihnen beim Färben trotzdem irgendwann einmal zu bunt wird, dann denken Sie daran: fast alle brauchbaren Färbemethoden haben ein paar Jahrhunderte Praxis und Fehlschläge gebraucht. Sie dürfen sich ruhig ein paar Wochen Zeit lassen...
© Bernd Bitzer, Pressebüro Bitzer, www.berndbitzer.com
Kasten Natur-Farben:
- Krappwurzel: ziegelrot bis dunkelrot
- Sandelholz: rot, rosa Rotholz reines Rot, purpur
- Henna: rot orange, rotbraun
- Goldrutenkraut: grünlichgelb, moosgrün
- Birkenblätter: intensive Gelbtöne, gold, grün
- Gelbholz: zitronengelb, reingelb
- Blauholz: rotblau, lila, taubenblau
- Alkannawurzel: lilagrau, blaugrau
- Gallapfelpulver: bläulichgrau, grau, schwarz
- Faulbaumrinde: rötlichbraun, gelb, gold
- Isländisch Moos: bronzebraun, olivbraun
- Catechu: rotbraun, rot
- Cochenille-Läuse: karmesinrot, scharlach
- Indigo: blau, blaugrün, türkis
Kasten Natur-Rezepte:
Färben mit Brombeertrieben (Gelb) Von dem Strauch mit den stachligen Zweigen eignen sich die Blätter und besonders die frischen Triebe, die im April aus dem Boden wachsen. 300 Gramm davon werden zerstoßen, zwei Stunden gekocht und über Nacht abgekühlt. 100 Gramm Wolle mit 15 Gramm Alaun 1 Stunde kochen, danach zwei Tage in feuchtem Tuch aufbewahren. Die so gebeizte Wolle zweimal eine halbe Stunde kochen und nach jeder Färbung für zwei Stunden an der frischen Luft ausbreiten. Danach waschen und klarspülen.
Färben mit Walnußschalen (Braun) 60 Gramm getrocknete, pulverisierte Walnußschalen 30 Minuten lang in zwei Liter Wasser einweichen und eine Stunde auskochen. Abkühlen lassen, durch ein Tuch filtrieren und auf vier Liter auffüllen. Danach 100 Gramm ungebeizte Wolle bei 400 zugeben und eine Stunde kochen, auswaschen und klarspülen.
Färben mit Krappwurzeln (Rot) 100 Gramm Krappwurzeln zerkleinern und 24 Stunden wässern. Dann zusammen mit dem Garn in 650 heißes Wasser geben und zwei bis drei Stunden kochen. Für satteres Rot mit 25 % Alaun vorbeizen, eventuell zusärzlich 0,1 Liter Essig in die Färbeflotte.
Kasten "Wohin mit den Färbe-Abfällen?"
Beim Färben, insbesondere zum Beizen werden verschiedene Chemikalien verwendet, die zum Teil giftig sind und besondere Vorsicht erfordern. Es kommt dabei allerdings auf die Menge, die Handhabung und die Konzentration der Stoffe an. So wird Kaliumkarbonat oder "Pottasche" zwar zum Backen verwendet, auf der Netzhaut des Auges führt Pottasche aber zu Verätzungen. Essigsäure macht in verdünnter Form jeden Salat schmackhaft, wenn aber 1000 Liter davon aus einer Chemiefirma in den Rhein fließen, ist das eine Katastrophe. Dazu Dr. Wolfgang Fladt vom Chemischen Institut Dr. Fladt in Stuttgart: "Neulich hat sich einer mit Wasser umgebracht, hat 18 Liter auf einmal getrunken und den Körper dadurch so entmineralisiert, daß er daran starb. Also müßte Wasser auf die Liste der gefährlichen Stoffe. Das zeigt, daß es in diesen Fällen kaum fertige Rezepte für die optimale "Entsorgung" gibt. Es besteht aber auch kein Grund für eine "Chemiemüll-Hysterie". Viele Chemikalien lassen sich leicht neutralisieren, andere sind völlig unschädlich. In Zweifelsfällen fragt man am besten Fachleute: den Chemielehrer seiner Kinder, den Chemiker der Sondermüll-Beseitigung oder ein chemisches Institut."