Wie sich die China-Flaute auf Unternehmen an Rhein und Ruhr auswirkt. Vier Beispiele aus Nordrhein-Westfalen.
Ein wichtiger Faktor ist der private Konsum der 1,4 Milliarden Chinesen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind im Reich der Mitte Hunderte Millionen Menschen in die Mittelschicht aufgestiegen – und geben viel Geld aus für Produkte aus dem Westen. Wenn die chinesische Wirtschaft künftig „nur noch“ um fünf Prozent wächst, wird auch diese Binnennachfrage nicht mehr so stark steigen wie in den Vorjahren. Zudem haben durch den Aktienabsturz viele Chinesen einen Teil ihres Vermögens verloren. Der Konsum könnte also bröckeln.
Das merkt beispielsweise der Konsumgüterkonzern Henkel aus Düsseldorf, unter anderen bekannt für Kosmetikprodukte. Henkel war schon früh in China, hat dort nicht nur Fabriken, sondern auch eigene Forschungslabore. Jahrelang konnte sich Konzernchef Kasper Rorsted auf den „China-Effekt“ verlassen, wie er ihn nannte. Noch vor zwei Jahren hat Henkel die weltweit größte Klebstofffabrik in Schanghai eröffnet. Doch als der Dax-Konzern die Zahlen für das zweite Quartal 2015 bekanntgegeben hat, musste Rorsted einräumen, dass der Umsatz mit Klebstoffen nur noch um wenige Prozent gestiegen ist. Die Aussichten in China seien ungewiss.
Auch die Landeswährung Yuan hat in den vergangenen Wochen an Wert verloren. Dadurch werden Produkte aus dem Ausland für die Chinesen teurer. Das ist vor allem ein Problem für deutsche Firmen, die in direkter Konkurrenz mit chinesischen Firmen stehen – zum Beispiel Lanxess. Das Chemieunternehmen aus Köln stellt unter anderem Kautschuk für Autoreifen her. 12 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet Lanxess im Reich der Mitte, beliefert viele chinesische Fabriken mit Chemikalien. Für das laufende Jahr erwartet Konzernchef Matthias Zachert niedrigere Wachstumsraten. In der Chemiebranche sind auch Evonik aus Essen sowie Bayer aus Leverkusen betroffen. Bayer macht pro Jahr über 3 Milliarden Euro Umsatz in China.
Im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs wurde in China unglaublich viel gebaut: Hochhäuser, Flughäfen, Fabriken. Viele Experten sagen, es wurde sogar zu viel gebaut. Dieser Bau-Boom ist nun nicht mehr so stark wie in den Vorjahren. Dazu kommt noch: Wenn die Zukunft unsicher ist, investieren die Firmen weniger in neue Fabriken oder neue Maschinen. Das merkt zum Beispiel die SMS Group. Für das Familienunternehmen aus Düsseldorf ist China das Land mit den meisten Aufträgen, es unterhält dort eigene Werkstätten und hat über 1000 Beschäftigte im Reich der Mitte. Während der Boom-Jahre hat die SMS Group ganze Stahlwerke auf der grünen Wiese gebaut. Jetzt erhält das Unternehmen weniger solcher Großaufträge aus China, stattdessen rüstet es vermehrt Anlagen mit moderner Technologie nach. Weil die SMS Group schon seit den 1970er-Jahren in China ist und über gute Kontakte verfügt, blickt das Unternehmen optimistisch in die Zukunft. Dennoch bleibt für die Maschinen- und Anlagenbauer festzuhalten: Der Charakter der Aufträge aus dem Reich der Mitte ändert sich.
Wenn es um Exporte nach China geht, denken viele gleich an Autos. Große deutsche Automobilfirmen sitzen nicht in Nordrhein-Westfalen, aber einige Zulieferer. Nun schwächelt in China vor allem der Absatz im Premium-Segment. Das ist zum Beispiel ein Problem für ThyssenKrupp. Der Essener Stahlkonzern beliefert Automobilfirmen in China mit Blechen, vor allem für hochwertige Autos. Insgesamt macht ThyssenKrupp pro Jahr 2,5 Milliarden Umsatz im Reich der Mitte, auch mit Aufzügen und Rolltreppen. In den vergangenen Jahren hat der Dax-Konzern viele neue Werke in China eröffnet und Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Nun zeigt sich Finanzvorstand Guido Kerkhoff vorsichtig: „Wir sollten nicht in übertriebene Hektik verfallen“, sagt er. China bleibe ein Wachstumsmarkt, auch wenn die Dynamik spürbar abnehme.
Das ist eine gute
Lagebeschreibung für die Exportunternehmen an Rhein und Ruhr: Die Stimmung ist
gedämpft, aber es ist noch keine Panik ausgebrochen.