An der Regensburger Uni beginnen die Vorlesungen wieder. Viele Studenten können sich nicht nur auf ihr Studium konzentrieren: Sie haben noch einen Job. Von Benedikt Bögle, MZ
Einmal pro Woche steht Heiko Dehnen vor der Tür der Musikkneipe „Sax". Foto: Bögle Sophie Huber arbeitet neben ihrem Studium im sogenannten Studienkreis, dort übernimmt sie die Aufgaben eines Nachhilfelehrers. Ihr Fachbereich im Studienkreis umfasst Deutsch, Latein und Englisch. „Ich arbeite deshalb, weil die Arbeit und gerade auch die praktische Tätigkeit meinen Uni-Alltag ausgleicht." Ihr mache es Spaß, mit den Kindern zu arbeiten, ihnen den Lernstoff zu erklären: „Das stimmt mich zufrieden." Foto: Bögle Viele Studenten arbeiten auch direkt an der Uni - so Simon Binni. Der Jurastudent ist „Studentische Hilfkraft" (SHK) an einem der Jura-Lehrstühle. „Meine Hauptaufgabe besteht im Unterstützen meiner Professorin und wissenschaftlichen Mitarbeitern bei Forschung und Lehre." Bücher suchen, Bücher kopieren, Botengänge - die Hilfskräfte könne man manchmal als „Mädchen für Alles" sehen, so Simon Binni. Foto: Bögle Kilian Knestel arbeitet nebenbei an der Kasse einer Supermarktkette. „Normalerweise arbeite ich jeden Samstag acht Stunden." Uni und Arbeit könne er gut vereinbaren., eine große Belastung sei es noch nicht geworden. Er arbeitet, um sich etwas zum Lebensunterhalt dazu zu verdienen: „Bei den Ausgaben für Miete und Lebensunterhalt reicht das Geld von Zuhause zumindest bei mir nicht aus. Bafög bekomme ich keines." Foto: Bögle Verena Dugas ist Bedienung in einer Pizzeria. Die Arbeitszeiten kann sie sich flexibel einrichten, während der Semesterferien arbeitet sie mehr, in der Vorlesungszeit eher weniger. Studium und Job lässt sich für Verena Dugas gut miteinander kombinieren: „Eine Belastung stellt das für mich derzeit nicht dar, da mein Chef viel Verständnis dafür zeigt, wenn ich gerade wegen Prüfungen oder anderen Dingen nicht arbeiten kann." Foto: Bögle
Regensburg.Heiko Dehnen zieht kurz an seiner E-Zigarette, dann öffnet er neuen Gästen die Türe. Er trägt Jeans, ein schwarzes Shirt und darüber vor seine schwarze Lederjacke und eine kleine Kappe. Und vor allem trägt Heiko Dehnen Bart. Er ist Türsteher in der „Musikbar Sax". Seine Aufgabe ist es, für Ordnung im Sax zu sorgen - das tut er seit mittlerweile fast drei Jahren. Kurz nach 22 Uhr, Heikos Schicht hat gerade begonnen, wird es drinnen lauter, die Stimmung steigt. Immer wenn die Türe in den kleinen, vollen Barraum geöffnet wird, dringt laute Musik auf die Straße.
Heiko kam per Zufall dazu, Türsteher im Sax zu werden. „Ein Kumpel von mir wollte hier arbeiten und hat seine Nummer da gelassen." Als der Freund wirklich gebraucht wurde, konnte er aber nicht. „Ich bin eingesprungen. Ein, zwei Monate später wurde die Stelle als Türsteher frei - die hab ich dann bekommen." Während er erzählt, muss Heiko ein paar Ausweise kontrollieren, vorwiegend junge Frauen, alle bestehen den Alterscheck.
Das geht nicht immer so einfach. Nur wenig später kommen drei Jungs, einer hat seinen Ausweis angeblich vergessen. Der Türsteher schickt die enttäuschten Gäste weg. Wenig später lacht er: „Das war gerade der klassische ,Ich-bin-doch-18'-Typ." Wie beurteilt man als Türsteher, wer rein kommt und wer nicht? „Ich entscheide nach Gefühl. Sieht einer aus, als könnte er unter 18 sein, frage ich. Lieber 100 Mal zu oft kontrolliert als einmal zu wenig."
Viele Anwohner fühlen sich gestörtEinmal habe er sogar eine Gruppe von Frauen an der Tür gehabt, die alle in der gleichen Handtasche nach den Ausweisen gesucht habe. Die erste hatte einen richtigen und war tatsächlich 18. Die Zweite hatte einen falschen Ausweis und die Dritte den Führerschein der Ersten. Fälle, über die Heiko lachen kann.
Die Türe geht wieder auf. Diesmal kommt ein Betrunkener heraus. Er erzählt Heiko viel, interessieren scheint es ihn nicht so richtig. Das bringt den Gast nicht aus der Fassung - er erzählt einfach weiter. So etwas kann natürlich nerven und strengt den Türsteher an, der währenddessen immer noch freundlich die Gäste begrüßt und verabschiedet, den ein oder anderen Ausweis sehen will. Der Türsteher studiert Theologie an der Regensburger Universität. Eigentlich kommt der 26-Jährige aus der Nähe von Freiburg. Zehn Jahre lang war er dann bei den Regensburger Domspatzen, war dort im Internat und hat sein Abitur gemacht. Die einzig mögliche Option für ihn sei gewesen, auch für das Theologiestudium in Regensburg zu bleiben.
Sein Studium finanziert er sich auch durch den Job als Türsteher, mit dem Lohn ist Heiko zufrieden. Im Sax ist er auch für die anderen Türsteher zuständig, achtet darauf, dass die Dienstpläne stimmen. Er selbst arbeitet einmal die Woche, „wenn einer nicht kann, muss ich einspringen". Heiko muss sich wie viele anderen Studenten in Regensburg auch ein kleines Taschengeld verdienen - sein Job als Türsteher ist aber eher selten in der Domstadt.
2013 bezogen mehr als 600 000 Studenten in Deutschland staatliche Ausbildungsunterstützung durch das BAFöG-Amt. Viele arbeiten trotzdem noch neben dem Studium. Umfragen zufolge studieren 56 Prozent der Studenten nicht nur, sondern haben auch einen Nebenjob. Die Bandbreite der Jobs reicht weit.
Viele Studenten arbeiten an der Uni als Hilfskräfte. Andere kellnern, geben Nachhilfe oder sitzen an der Kasse eines Supermarkts. Für viele Studenten kann es zur Belastung werden, neben den Vorlesungen auch noch im Beruf Verpflichtungen wahrzunehmen.
Manchmal muss Heiko eingreifen, Gäste stehen vor der Tür rauchen, unterhalten sich, lachen. Aber das ist schon zu laut: „Leute, bitte leise sein. Wir haben saumäßigen Stress mit den Anwohnern." Die Nachbarn sind nicht immer erfreut, neben ihrer Haustüre eine Kneipe zu haben. „Es ist auch verständlich, wenn sich die Anwohner von dem Lärm gestört fühlen. Wir tun unser bestes, um das zu verhindern." Eben deshalb muss Heiko Dehnen zur Ruhe mahnen, schickt die „Leute" zum Rauchen ums Eck, so bleibt es vor der Tür leise. In der Regel folgen die Gäste seinen Anweisungen und trollen sich um die Ecke, Zigarette schon im Mund.
Menschenkenntnis ist wichtigDas Sax ist jetzt voll. Die Bar ist eine der typischen Kneipen Regensburgs in einer der typischen kleinen, verschlafenen Seitengassen der Domstadt. Doch die Bar boomt. Im Sommer mehr, im Winter weniger. Heiko weiß, woran das liegt. Er sieht einmal pro Woche die Gäste rein und raus kommen. „Die Getränke sind günstig, die Atmosphäre stimmt. Das ist eine wertfreie Zone: Hier wird keiner schief angeschaut." Etwas schief schaut man den Betrunkenen von vorher dann doch an. Er kommt wieder und erzählt sofort seine Geschichte weiter. Als Türsteher, so Heiko Dehnen, brauchen die Leute vor dem Sax ein anderes Profil als etwa vor einer Diskothek: „Bei uns gibt's viel weniger Stress als in Discos. Seit ich hier arbeite, gab's vielleicht fünf Situationen, die stressig hätten werden können. Man muss vor allem deeskalieren." Besonders die Menschenkenntnis sei wichtig, das richtige Gefühl im Umgang. „Man muss mit stressigen Situationen umgehen können, einen kühlen Kopf bewahren", sagt der Türsteher.
Der Sax-Besitzer selbst lege großen Wert darauf, dass die Mitarbeiter an der Tür unter Heiko freundlich zu den Gästen sind. Begrüßung, Verabschiedung, freundlich bitten, leise zu sein. Eine Ausbildung war dazu nicht nötig, ein wenig Selbstverteidigung sollte ein Türsteher dann aber doch können.
Verteidigen muss Heiko sich nicht oft. Eigentlich nie. Einmal gab es eine Situation, in der einer der Gäste eine Fensterscheibe eingeschlagen hatte, man musste die Polizei rufen. Am heutigen Abend bleibt es jedoch ruhig. Auch weil Heiko immer wieder zur Ruhe mahnt. Vier Stunden dauert eine Schicht. Während die Gäste in der Kneipe betrunken werden, muss Heiko der sein, der vernünftig bleibt und einen kühlen Kopf bewahrt. Eine der Gäste fragt ihn, ob ihm der Job gefällt. „Manchmal nicht, aber meistens ist es okay." Heiko lacht.