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Das Erbe von Franz Josef Strauß

Franz Josef Strauß, in diesem Jahr wäre er 100 Jahre alt geworden, ist umstritten wie nie zuvor. Strauß, einer der erfolgreichsten, bekanntesten und gefürchtetsten Politiker dieses Landes, besaß neben viele Begabungen auch das Talent, finanzielle Quellen für sich zu erschließen. Ein Portrait.

Wer war dieser Mann, der bis heute die Menschen in diesem Land polarisiert? Entweder man ist für Strauß oder gegen ihn, sieht ihn als Heiligen, als Erfinder eines modernen Bayerns, oder man beurteilt ihn als korrupten Machtpolitiker. Gibt es auch einen Standpunkt dazwischen? Wer war der Mensch Strauß? Franz Josef Strauß wurde 1915 in München geboren, sein Vater führte eine Metzgerei in Schwabing. Der junge Sohn ist äußerst begabt, sein Abitur ist eines der besten in Bayern überhaupt. Während seiner Zeit bei der Wehrmacht zeigt Strauß, dass er klarer Nazi-Gegner ist. Das beweist unter anderem das Entnazifizierungsverfahren, in dem die US-Amerikaner Strauß eine weiße Weste bescheinigen. Strauß, der studierte Altphilologe, wird stellvertretender Landrat, später dann sogar Landrat des oberbayerischen Kreises Schongau.

Strauß erkämpft sich ein Ministerium

Als eine neue Partei gegründet wird, ist Strauß eines der ersten Mitglieder: Er ist von Anfang an bei der CSU dabei, findet Parteifreunde, arbeitet sich langsam hoch. In seinem Kreis ist er beliebt, also wird er in den Bonner Bundestag gewählt. Ein wichtiger Schritt für seine politische Karriere. Strauß wird Abgeordneter, bald darauf will er auch Minister unter Adenauer werden. Adenauer aber weigert sich, er hat kein Ressort mehr zu besetzen. Strauß bleibt hartnäckig, so hartnäckig, dass Adenauer ihm den Postet eines Sonderministers für besondere Aufgaben zuweist. Das heißt konkret: Er hat keine Aufgaben. Dafür hat er aber Zeit, sich intensiv mit seinen eigentlichen Interessen zu beschäftigen: Der Atompolitik und der Verteidigung.

Der Fall durch die „Spiegel-Affäre"

Und tatsächlich: Bald wird er Atomminister. Strauß ist ein begeisterter Verfechter der Atomenergie und bleibt das - trotz des Reaktorunglücks in Tschernobyl 1986 - bis zu seinem Lebensende. Nach nur einem Jahr hat Strauß sein Ziel erreicht: Er wird Verteidigungsminister, ist zuständig für die Aufrüstung Deutschlands und die drängende Frage nach Atombomben. In dieser Zeit wird ihm das Nachrichtenmagazin „Spiegel" zum Verhängnis. Chefredakteur Rudolf Augstein ist Gegner Strauß', er will unbedingt verhindern, dass Strauß eines Tages gar Bundeskanzler würde. Gleichermaßen ist Strauß Gegner des Nachrichtenmagazins. Eine offene Feindschaft. Der Spiegel veröffentlicht während der Kubakrise des kalten Krieges einen Bericht, demzufolge die Bundeswehr keine Kapazität besitze, sich im Kriegsfall zu verteidigen. Für Strauß ist das Landesverrat, er lässt den Redakteur des Artikels und die Spiegelleitung ausschalten - den eigentlich zuständigen Innenminister informiert er jedoch nicht. Anschließend leugnet Strauß sein illegales Verhalten offen vor dem Bundestag. Das wird ihm zum Verhängnis: Bald ist klar, dass Strauß sich nicht korrekt verhalten, noch dazu gelogen hat.

Er muss zurücktreten, ist nach vier Jahren jedoch wieder Mitspieler auf der politischen Bühne: Als Finanzminister. Ein großes Ziel aber hat er noch nicht erreicht: Strauß will Bundeskanzler werden, er will ganz nach oben kommen. Der Weg des mittellosen Strauß' ist faszinierend: Aus einer armen Metzgersfamilie stammend schafft Strauß schnell den Weg nach oben, spätestens nach seiner Heirat mit der Tochter einer sehr vermögenden Brauereifamilie ist Strauß nicht nur einflussreich und mächtig, sondern auch reich. Immer wieder macht er Geschäfte für den Staat, an denen auch er selbst ordentlich mitverdient. Viele seiner Freunde waren vermögende Wirtschaftsmänner, von ihnen ließ er sich finanzieren, mit ihnen machte er Geschäfte - auch zum eigenen Vorteil. Gerade das bringt dem toten Strauß bis heute Kritik ein - der Vorwurf der Bestechlichkeit steht im Raum. Strauß selbst sah das immer anders. Er ließ sich nicht bestechen: Er hätte nie seine politische Überzeugung für Geld geändert. Er sieht die Zahlungen viel eher als Unterstützung seiner geradlinigen politischen Arbeit. Korruption oder nicht? Bis heute ist das umstritten.

Das größte Lebensziel: Bundeskanzler

Während Strauß finanziell erfolgreich war, fehlte noch immer die höchste Stufe seiner Karriereleiter. Um jeden Preis will er Bundeskanzler in Bonn werden. 1972 aber wird er nicht als Kandidat nominiert, 1976 wird gar sein politischer Gegner und Erzfeind Helmut Kohl Kanzlerkandidat von CDU und CSU. Kohl verliert diese Wahl. 1980 nun schlägt die Stunde für Strauß: Er wird Kanzlerkandidat, kämpft für eine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Seinen Körper schont er in dieser Zeit nicht, er eilt von einer Wahlkampfveranstaltung zur nächsten. Trotzdem verliert er die Wahl. Eine harte Stunde für Strauß. Er, der es immer weiter nach oben geschafft hat, den auch Rückschläge nicht lange bremsen konnten, muss begreifen, dass er das Ziel seines Lebens nicht erreichen wird. Er wird niemals Deutscher Bundeskanzler werden.

Franz Josef Strauß zieht sich nach Bayern zurück, wo er schon seit 1978 Ministerpräsident ist. Die Bonner Politik hat ihn abgeschreckt - deshalb versucht er in Bayern Weltpolitik zu betreiben. Während seiner Auslandsreisen erweckt er den Eindruck, nicht Ministerpräsident, sondern vielmehr Außenminister der BRD zu sein. Strauß kann große Erfolge melden: Es ist mit sein Verdienst, dass Nelson Mandela in Südafrika freigelassen wird, er verhandelt mit der DDR-Leitung einen Milliardenkredit, der dazu führt, dass die Selbstschussanlagen der DDR abgebaut werden. Die Lorbeeren für diese Leistungen erhält Strauß noch nicht zu Lebzeiten, viele dieser Vorgänge fanden im Verborgenen statt und kommen erst nach seinem Tod an die Öffentlichkeit.

Ein plötzlicher Tod

Am 1. Oktober 1988 fährt Strauß nach Regensburg, er will mit dem Fürsten von Thurn und Taxis auf die Jagd gehen. Ein Tag, der so sehr zu seinem ganzen Leben passt. Strauß hat sich nie geschont. Politisch nicht, körperlich nicht, privat ebenso nicht. In den letzten Jahren seines Lebens, nach dem Tod seiner Ehefrau Marianne, war es keine Seltenheit, dass der Ministerpräsident auch an Wochenenden die halbe Welt bereiste - mal privat, mal beruflich. Kaum in Regensburg angekommen, bricht er zusammen, wird bewusstlos. Zwei Tage später stirbt Strauß, exakt zwei Jahre vor der Wiedervereinigung Deutschlands. Es war Strauß' großer Traum, die Diktaturen des Ostens zusammenbrechen zu sehen und Deutschland wieder zu vereinen. Er hat es nicht mehr erlebt, nicht er war der „Kanzler der Einheit", sondern sein großer Kontrahent Helmut Kohl.

Franz Josef Strauß lässt die Bayern nicht los. Im Jahr seines 100. Geburtstages wird um sein politisches Erbe gestritten. Während Konservative Strauß beinahe zum Heiligen verklären, ihn zum Erfinder eines modernen Bayern erklären, weisen seine politischen Gegner vor allem auf seine Schwächen hin: Auf sein ungezügeltes Temperament, seine ebenso berüchtigten wie unverschämten Beleidigungen, auf die vielen kleinen Geschäfte in die eigene Tasche. Irgendwie trifft das beides zu. Eines jedoch kann man Strauß nicht absprechen: Dass er ein leidenschaftlicher Politiker war. Leidenschaftlich, wie heute beinahe keiner der Abgeordneten in Berlin oder München mehr ist.

Das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg hat uns dabei geholfen, diesen Artikel zu finanzieren. Werft gerne einen Blick auf ihre Homepage: http://institut-walberberg.de/
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