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Der harte Trip weg von der Droge

Sucht

Für viele Drogen- und Alkoholabhängige in Regensburg sind Streetworker die einzigen Ansprechpartner. Sie bieten Hilfe und Gesellschaft. Von Benedikt Bögle, MZ

Caritas-Streetworker Ben Peter (Zweiter von rechts) im Gespräch mit Klienten Foto: Archiv

Regensburg. Lenny Stodgel würde wohl nicht nochmal nach Regensburg kommen. „Den Fehler habe ich im ersten Augenblick in Regensburg gemerkt." Er ist überzeugt, dass er ihn schaffen kann, den Sprung aus der Drogensucht. Er kam von Hessen nach Bayern, eigentlich wollte er Arbeit finden und von den Drogen wegkommen. Das ist Stodgel jedoch nicht gelungen. Regensburg ist wohl die falsche Stadt für den polytoxen Mann. Wie viele andere Drogensüchtige nimmt er nicht nur eine Droge, vielmehr eine Mischung von vielen. Trotzdem - er will aus der Drogensucht raus. Er erzählt ganz ruhig. Das T-Shirt des 35-Jährigen zeigt Popeye. Starker Mann, starke Geste. Spricht man ihn auf das Motiv an, kommt die Antwort klar und schnell: „Ich und Popeye haben etwas gemeinsam: Ich bin stark."

Stodgel ist kein Einzelphänomen in der Stadt. Stark zu sein schaffen viele der Süchtigen nicht alleine. Die Regensburger Straßenoffensive für Außenstehende (SOfA) engagiert sich ehrenamtlich für psychisch Kranke und Menschen mit Suchtproblemen. Sie drängte darauf, dass die Stadt Streetworker anstellt. Mittlerweile gibt es zwei Stellen, eine in der Trägerschaft der Caritas, die andere Stelle wird von dem Verein Drugstop getragen. Etwa 1000 Suchtkranke leben in der Stadt. „Wir haben ein Drogenproblem in Regensburg", sagt Caritas-Streetworker Ben Peter.

Ben Peter kennt 300 Abhängige

Seit mittlerweile drei Jahren ist Peter Streetworker in Regensburg. Erfahrungen hat er schon viele gemacht. „Am härtesten ist es, wenn jemand stirbt." Allein im vergangenen Jahr waren das zehn Menschen. Er und seine Kollegen versuchen, jeden Tag zwei Stunden auf der Straße zu verbringen, mit Drogenabhängigen ins Gespräch zu kommen, Hilfe zu bieten. „Klienten" werden die Hilfsbedürftigen hier genannt, etwa 300 sind ihnen bekannt. Dazu kommen Behördengänge, Krankenhaus- und Gefängnisbesuche - grob: all das, was die Klienten der Straßenarbeit nicht mehr alleine schaffen.

Ein wesentlicher Anlaufpunkt der Abhängigen sind die Frühstückstreffs der Caritas und der SOfA: Dienstags, mittwochs und donnerstags bieten sie ein Frühstück, Hilfe, Beratung und Gesellschaft. Die Nahrungsmittel für das Frühstück erhalten sie durch Spenden: Die Tafel bringt Essen vorbei, ein Regensburger Hotel gibt auch immer wieder etwas ab. Um zehn Uhr treffen sich dann Obdachlose und Drogensüchtige in der Bruderwöhrdstraße, nach und nach kommen immer mehr an. Über eine solche Unterstützung kann sich auch Reinhard Kellner von der SOfA freuen. Er bekommt Spenden von einem Bäcker.

Viele schaffen den Sprung weg von den Drogen nicht, doch es gibt auch positive Fälle. Einer von ihnen ist Erik. Er möchte nicht, dass sein richtiger Name genannt wird. Er war drogenabhängig, polytox. Er habe alles genommen, Heroin, Kokain und andere Drogen. Das brachte finanzielle Probleme mit sich.

Die Folge ist ein typischer Fall von Beschaffungskriminalität: Er wurde Dealer. Das war für ihn der einzige Weg, die 3000 D-Mark aufzutreiben, die er in seinen schlimmsten Zeiten als Abhängiger im Monat brauchte. Auch damit ist er kein Einzelfall. Andere stehlen, wieder andere prostituieren sich. Schließlich wurde er erwischt, musste mehr als fünf Jahre ins Gefängnis. Während dieser Zeit kam Erik nur noch schlecht an Drogen, er erlitt einen kalten Entzug. Von heute auf morgen keine Drogen mehr - das nimmt mit: „Man kommt beim Entzug nicht mehr aus dem Bett raus." Schließlich wurde er entlassen, nahm wieder Drogen. Doch nach einer Woche habe es bei ihm „Klack gemacht." Erik nahm keine Drogen mehr. „Als ich clean war, habe ich den Bahnhof für zwei Jahre gemieden. Mittlerweile kann ich da wieder vorbeigehen."

Der Bahnhof sei ein Zentrum der Drogenabhängigen, sagen die Streetworker. Dabei sind dort nicht nur Süchtige der Stadt zu finden. Viele kommen von außerhalb, um eine Behandlung in Regensburg zu erhalten. Den Streetworkern bereitet ihre Arbeit Freude, das merkt man. Ben Peter ist Sozialwissenschaftler, eigentlich wollte er an der Uni bleiben. Doch es kam anders: „Ich hab gesehen: Die direkte Arbeit ist schon eine Herausforderung, aber auch eine Möglichkeit zum gesellschaftlichen Beitrag."

Der Kampf mit den Vorurteilen

Also suchte er beruflich den Kontakt zu den Menschen auf der Straße, erst im deutsch-tschechischen Grenzgebiet, dann in Frankfurt, schließlich in Regensburg. Die Streetworker sehen es als Fortschritt, dass es in Regensburg zwei Stellen für die Sozialarbeit gibt. Trotzdem müssen sie auch mit Problemen kämpfen, ihre Arbeit ist nicht immer leicht. Viele Vorurteile stünden gegenüber den Abhängigen. Dabei seien diese oftmals durch Traumata in ihre Sucht hinein geschlittert. Frägt man die Sozialarbeiter danach, was sie sich für die Stadt wünschen, bekommt man überall die gleiche Antwort. Reinhard Kellner ist überzeugt, dass es eine Unterkunft für Süchtige geben müsste: „Die nächste Aktion muss ein betreutes Wohnen sein, in den nächsten zwei bis drei Jahren."

Mehr als ihre Hilfe anbieten können die Streetworker nicht, es sei immer die Entscheidung des Klienten, ob er die Unterstützung anzunehmen wolle. Stodgel ist fest davon überzeugt, von den Drogen wegzukommen. Das allerdings könnte in Regensburg ein Problem werden. Ohne die Hilfe wäre es aber sicherlich noch viel schwerer.

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