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Studenten machen Regensburg jung

Universität

Was beschäftigt Studierende in Regensburg? MZ-Autor Benedikt Bögle sprach mit einem jungen und einem alten Kommilitonen über ihre Ziele.

Regensburg.Stefan Ratscheu ist 17 Jahre alt. Obwohl minderjährig studiert er schon Jura in Regensburg. Josef Werner ist dagegen schon 63 Jahre alt und hat sein Berufsleben schon hinter sich. Er will sich aber trotzdem nochmal in den Hörsaal setzen - aus Interesse. Die MZ befragte die beiden nach ihren Absichten und Erfahrungen an der Universität.

Stefan, ein Studium mit 17 Jahren beginnen - wie geht das?

Stefan Ratscheu: Es begann damit, dass ich in der Grundschule die zweite Klasse übersprungen habe. Ich hatte die Möglichkeit, eine Ersatzprüfung abzulegen und habe die auch bestanden. Deshalb war ich immer ein, zwei Jahre jünger als die anderen. Das hat sich bis in die 12. Klasse durchgezogen und dann habe ich direkt mein Studium begonnen.

Schränkt dich dein Alter im Studium nicht ein? Du kannst dich nicht selbst an der Uni einschreiben...

Stefan Ratscheu: Ja, es schränkt in gewisser Weise schon ein. Meine Studienkollegen sind so Anfang 20. Abends kann ich dann nicht mit in eine Kneipe gehen - das ist schon manchmal etwas schwierig. Im Studium kommt man aber ganz gut mit, das hängt nicht vom Alter ab. Nach dem ersten Semester werde ich aber 18.

Josef, bei Dir ist das anders. Du bist schon seit langem nicht mehr 17.

Josef Werner: Ich bin 63 und in Pension, vorher war ich Verwaltungsrat bei der Stadt Regensburg, dort war ich Abteilungsleiter. Nun habe ich mich voll eingeschrieben, nicht als Gasthörer. Hier gibt es etliche ältere Herrschaften, die Gasthörer sind, also nur manche Vorlesungen besuchen. Ich weiß nicht, wie viele ältere Studenten voll studieren, es sollen jedoch sehr wenige sein. Ich habe mich ganz bewusst voll für ein Studium eingeschrieben. Ich wollte nicht nur Gasthörer sein, weil ich richtig studieren wollte. Ich beschäftige mich mit der Materie, die mich schon seit meiner Kindheit interessiert, das ist die griechisch-römische Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie. Mein Hauptaugenmerk liegt auf Geschichte und Archäologie - das habe ich als Schwerpunkt gewählt.

Was ist für Dich das Entscheidende in Deinem Studium?

Josef Werner: Mir geht es nicht um den schnellen Abschluss, sondern um das lange Studium. Der Weg ist für mich das Ziel. Als zweiten Schwerpunkt habe ich mir Tschechisch gewählt, das möchte ich vertieft lernen und mich über die tschechische Geschichte informieren. Ich bin seit frühester Jugend begeisterter Europäer und engagiere mich schon seit über 10 Jahren im deutsch-tschechischen Jugendaustausch. Ich finde, dass gerade in unserem Europa die kleinen Sprachen extrem wichtig sind: Sprachen sind Kulturträger. Der Reichtum Europas sind unsere Kulturen, wir haben ja sonst nichts. Diese Kulturen schaffen Kreativität und wenn die Kulturen der kleinen Länder untergehen, wird Europa ärmer, irgendwann so arm, wie die USA mit ihrem Einheitsbrei. Das will ich unter keinen Umständen! Deshalb ist es wichtig, dass wir die kleinen Sprachen hochhalten. Es ist eigentlich auch unverschämt von uns, dass wir von jedem Tschechen erwarten, dass er Deutsch spricht, aber wir können nicht mal ein paar tschechische Brocken. Tschechien ist unser nettester und liebster Nachbar. Die tschechische und bayerische Geschichte waren über Jahrhunderte eng miteinander verbunden, auch wirtschaftlich. Ich als Bayer fühle mich den Tschechen manchmal näher als den Hamburgern oder Berlinern.

Was sagt deine Familie dazu, wenn der Vater in Pension geht und dann nochmal an der Uni studiert?

Josef Werner: Meine Tochter Judith findet's sau cool. Sie hat zwei Masterabschlüsse, promoviert hier gerade in vergleichender Literaturwissenschaft und ist die Grünen-Vorsitzende in Regensburg. Mein Sohn Gregor findet's auch klasse, er ist Lehrer am Botschaftsgymnasium in Peking. Meine Frau findet, sie würde wahnsinnig, wenn ich ohne Aufgabe den ganzen Tag zuhause wäre. Mein Abschluss ist noch in weiter Ferne, aber ich versuche möglichst breit und viel zu studieren. Es dauert bei mir auch etwas länger, weil ich eine eiserne Grundregel habe: Ich werde keinem Studenten irgendeinen Platz weg nehmen. In limitierten Veranstaltungen wie Seminare und Übungen melde ich mich nicht an. Ich gehe nur rein, wenn noch ein Platz frei ist. Die Studenten, die jetzt studieren, haben es eh nicht leicht, sie müssen Abschlüsse machen, sie müssen später arbeiten. Ich werde hier keinen Studenten behindern, im Gegenteil, ich versuche, sie zu unterstützen.

Stefan, Studium nur aus Interesse? Ich denke, bei dir schwebt immer schon ein Berufsziel mit. Warum hast du Dich für Jura entschieden?

Stefan Ratscheu: Jura interessiert mich schon seit der 10. Klasse. Mein Onkel hat mir schon als Kind ein BGB geschenkt, da hat das Interesse begonnen, auch in der Schule hat mich das Recht interessiert. Jura ist das Richtige für mich. Ich will mal Richter oder Staatsanwalt werden, auf jeden Fall eine Tätigkeit am Gericht. Aber eigentlich bin ich noch offen.

Wieso hast du dich für Regensburg entschieden?

Stefan Ratscheu: Das Wichtigste war, dass ich vom Semesterticket gehört habe, das finde ich echt gut. Man kann sich in Regensburg relativ frei mit Bus und Bahn bewegen, auch nach außerhalb. Der zweite Punkt ist die Lage, Regensburg ist relativ leicht zu erreichen. Und schließlich war auch die Wohnungssuche ein ausschlaggebender Punkt. In meinem Schachverein hatten wir einen Spieler, den ich gefragt habe, ob er in Regensburg jemanden kennt, der Studentenwohnungen vermietet. Natürlich gibt es auch Wohnheime, aber das wäre mir nicht das Liebste gewesen - ich hab da lieber meine Ruhe, auch für das Lernen. Der Bekannte vermietet selbst Wohnungen in Regensburg, das war das Beste, was mir passieren konnte. Er ist jetzt mein Vermieter.

Wo kommst du her?

Stefan Ratscheu: Ich komme aus Mühlhausen im Landkreis Neumarkt - also ist Regensburg auch relativ heimatnah. Auch Würzburg wäre für mich eine Möglichkeit gewesen, aber durch die Wohnung war Regensburg klar. Auch die guten Rückmeldungen anderer Studenten über die Jura-Fakultät waren sehr gut. Als ich zum ersten Mal hier war, um mir die Uni anzusehen, habe ich mich direkt wohlgefühlt. Auch bei den Einführungstagen an der Uni habe ich sofort Freunde gefunden. In Regensburg ist es leicht, Kontakte zu knüpfen. Hier wird viel für die Jugend gemacht, Kneipentouren, große Einkaufszentren.

Josef, wo kommst du her?

Josef Werner: Aus Abensberg, ich bin schon die letzten 30 Jahre zum Arbeiten nach Regensburg gependelt. Regensburg hat für mich zwei große Vorteile: Es ist zum einen eine Campus-Uni, das ist wirklich gut, weil ich so auch mit anderen Fachrichtungen Kontakte schließen kann. Ich bin sehr kommunikativ, ich möchte auch sehen, wie die Studenten ticken, was sie bewegt und was ihre Ideen für die Zukunft sind. Das zweite ist, dass Regensburg eine ausgezeichnete Slavistik hat - das ist für einen Tschechisch-Studenten sehr wichtig. Hier hat Regensburg einen Ruf, der weit über die Region hinausgeht. Wir sind das Tor zum Osten - wirtschaftlich, aber auch universitär. Wichtig war für mich auch, dass meine Tochter hier gerade promoviert.

Regensburg gilt oft als Studentenstadt - stimmt das?

Josef Werner: Regensburg ist eine Studentenstadt, weil die Studenten aus Regensburg eine junge Stadt machen. Die Uni ist für Regensburg prägend. Ohne die jungen Leute wäre Regensburg nicht das, was es heute ist.

Stefan, was ist dir in deiner Studienstadt wichtig?

Stefan Ratscheu: Das Wichtigste ist, Kontakte zu knüpfen, sonst fühle ich mich ja im Studium nicht wohl. Sonst ist man komplett alleine. Ich unternehme viel mit meinen Freunden, so wird kein Tag langweilig.

Josef, du engagierst dich neben deinem Studium auch im Senat der Uni - als Vertreter der Studenten. Wie kam es dazu?

Josef Werner: Ich bin politisch sehr interessiert und engagiert. Hier wollte ich mich eigentlich nicht einbringen, es ist ja nicht üblich, dass einer mit 63 das Gesicht der Studenten prägt. Meine Tochter promoviert ja hier und wurde von der Bunten Liste gefragt, ob sie kandidieren wollte. Sie wollte nicht mehr, da sie bereits während ihres Doppelstudiums die Studierenden im Senat vertreten hat,und dann haben sie mich gefragt. Ich unterstütze die jungen Leute gern und finde es gut, wenn sich Junge politisch engagieren. Wir brauchen intelligente Leute in der Politik und nicht immer diese Dumpfbacken, die den Ton angeben! Plötzlich bin ich dann auf dieser Liste gelandet, habe mich eingebracht und wurde gewählt. Jetzt bin ich einer der vier studentischen Vertreter im Senat. Ich versuche dort, das Beste zu geben, und bin für die nächsten zwei Semester Senator. Ohne Studenten gibt es keine Uni, das ist unsere Uni - die wollen wir mitgestalten.

Was sind deine Aufgaben als Senator?

Josef Werner: Als Senator kann ich über alle Aufgaben mitbestimmen, die dem Senat obliegen: Prüfungsordnungen, Einstellungen von Professorinnen und Professoren etc. Das ist der einzige Bereich, in dem Studenten wirklich mitentscheiden können. Unsere Hauptforderung ist es, den Studenten in Bayern mehr Rechte auf Mitbestimmung zu verschaffen.

Ist Engagement für Studenten wichtig?

Josef Werner: Jegliches Engagement ist wichtig, gerade politisches. Egal, wie und in welcher Form. Das prägt das demokratische Bewusstsein der jungen Menschen. Ich will die jungen Leute davon überzeugen, sich einzubringen und kritisch zu sein.

Stefan, bist du auch ehrenamtlich aktiv?

Stefan Ratscheu: Ich bin in einem Schachverein aktiv. Da spiele ich nun seit elf Jahren, im „SC Postbauer-Heng". Dort bin ich Spielleiter, Jugendtrainer und spiele in zwei Mannschaften. Ich bin durch meinen Vater zum Schach gekommen, er wollte, dass ich schon in jungen Jahren ein Hobby habe. Zusätzlich bin ich in einem Tischtennis-Verein tätig, da spiele ich in der Herrenmannschaft mit. Das Training findet unter der Woche statt - das ist mit dem Studium schwer zu vereinbaren, weil ich da ja in Regensburg bin.

Josef, wie reagieren junge Studenten auf dich als Älteren?

Josef Werner: Anfangs waren sie etwas irritiert, das hat sich aber schnell gegeben. Ich bin genauso Student wie die anderen auch. Mittlerweile kenne ich sehr viele Studenten hier. Ich will auf die Leute zugehen - ich fühle mich total integriert in das studentische Leben hier. Ich verhalte mich wie ein Student, ich bin Student. Ganz einfach.

Was würdest du an der Uni ändern?

Josef Werner: Ich halte es für einen gesellschaftlichen Skandal und finde es untragbar, dass es besonders in der Professorenriege so einen unglaublich geringen Frauenanteil gibt. Bei Bewerbungen um die richtig guten hochdotierten Posten wird die Frau fast immer benachteiligt und ist angeblich immer ein klein wenig schlechter als der konkurrierende Mann. Hier hat die Uni großen Nachholbedarf und sollte bei den Einstellungsentscheidungen das Gedankengut des letzten Jahrhunderts über Bord werfen und sich ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung endlichbewusst werden. Ich weiß, dass in unserer Gesellschaft in den meisten Bereichen die Benachteiligung von Frauen gerade in den oberen Positionen ein Fakt ist. Allerdings ist es hier an unserer Uni schon besonders krass. Zudem ist mir unverständlich, wie es an der Uni Bereiche geben kann, wo es kein W-Lan gibt. Auch in der Mensa sollte es pro Tag wenigstens ein Essen aus biologischem Anbau geben: Ich brauche meinen Bio-Schweinsbraten!

Gibt's auch Positives?

Josef Werner: Ja! Die Uni funktioniert sehr gut, obwohl sie eigentlich nur für die Hälfte der Leute ausgelegt ist. Das liegt an der ausgezeichneten Qualität der Lehrenden, auch die Verwaltung funktioniert sehr gut.

Stefan, wie geht's dir da? Was willst du ändern, was ist gut?

Stefan Ratscheu: Politisch kenne ich mich da nicht so gut aus. Vor allem stört mich aber die Belüftung in den Hörsälen. Auch sind die Hörsäle oft zu klein. Das fördert die Konzentration natürlich nicht. Gerade abends ist es für mich auch schwer, wegen der Busverbindungen von der Uni nach Hause zu kommen: Das könnte die Stadt verbessern. Die Verknüpfung hier klappt aber wirklich gut, etwa in der Mensa trifft man Studenten aus anderen Fakultäten. Das trägt ja auch zur Studiengemeinschaft bei. Von Anfang an konnte ich mich hier gut orientieren.

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