Diese Frau ist so ziemlich das genaue Gegenteil von Azealia Banks und Angel Haze, nach denen zumindest die Stimme klingt. Weißer und preppier könnte Iggy auf den ersten Blick wirklich nicht sein, noch dazu kommt sie aus Australien, einer mit Rappern und vor allem Rapperinnen nicht überschwänglich gesegneten Nation. Trotzdem klingt ihre Stimme nach Bronx, Black Music und tougher Attitüde und genau das ist die Überraschung.
„Ain't no going back now, this is the line that I walk along". Gleich im ersten Song wird die typische "Ich mach mein Ding, egal was die Hater sagen"-Attitüde, die sich durch das gesamte Album zieht, ausgepackt und mit ordentlich Beat hinterlegt. Gepresstes Rhyming, das ziemlich aggressiv klingt, zeichnet „Walk The Line" aus. Iggy Azalea hat einiges mitzuteilen und das mit Nachdruck, schon der Albumtitel „The New Classic" lässt wenig Interprationsspielraum bezüglich ihrer grundsätzlichen Selbstüberzeugtheit. „Don't Need Y'all" schlägt thematisch in dieselbe Kerbe, hat aber einen eher Drake-haften, entspannten Beat und lässt Azalea in Sachen Aggressivität einen Gang runterschalten.
Ein Blatt vor den Mund nimmt sie trotzdem nicht. Schon bei Songtiteln wie „Fuck Love" und „New Bitch" schlackern die US-amerikanischen Jugendschützer beherzt mit den Ohren, sonderlich viel geflucht wird in den Songs jenseits von "Fuck" und "Shit" aber nicht. „New Bitch" wirft eher die Frage auf, ob die Formulierung „I'm his new bitch" allein dadurch weniger sexistisch ist, dass Iggy Azalea selbst die HipHop-Sprache für sich einnimmt. Vielleicht funktioniert es ähnlich wie der inflätionäre Gebrauch des N-Wortes im selben Genre, der dadurch an Beleidigungscharakter verloren hat. „Goddess" versucht dann den Gegenschlag à la „Run The World (Girls)" von Beyoncé: „Ain't no one man who can stop us, bow down to a goddess". Hier wird aber deutlich zu viel Sound und Beat auf kleinem Raum untergebracht, als für den Hörer zumutbar ist.
Mit T.I. und Rita Ora sind auf „The New Classic" zwei Acts der Stunde mit dabei. Gerade „Change Your Life", bei dem T.I. mitrappt, ist aber ein mittelschweres Dupstep-Autotune-Gemetzel, das eher Schmerzen als Spaß bereitet. Besser und hörbarer klingt das minimalistische „Black Widow" mit Ora, das in Strophe und Bridge die Stimmen für sich wirken lässt, ohne sie wie in anderen Songs im Sound verschwinden zu lassen. Azaleas Stimme hat an sich viel Wiedererkennungswert, den die Produzenten stärker für sich und sie hätten nutzen können.
Beim Hit „Fancy" mischt der britische Pop-Darling Charli XCX mit, die schon mit Icona Pop sehr erfolgreich das ebenfalls von ihr geschriebene „I don't care, I love it" ins Mikro schreien durfte. Diesmal heißt es „I'm in the fast lane from L.A. to Tokyo" - nicht revolutionär, aber die Message wird klar. „First things first: I'm the realest!" lautet Azaleas Ansage, eine weitere Selbstbeweihräucherungspose also, die auch im weiblichen HipHop wohl einfach zum guten Ton gehört. Aber catchy ist der Song ohne Frage und als "guilty pleasure" definitiv zu vertreten. Das restliche Album dagegen ist weder textlich noch musikalisch spannend und lädt durch die genreverwurstende und überambitionierte Produktion eher zum Durchskippen ein als zum gründlichen Hören. Dann verpasst man mit etwas Glück auch Zeilen wie „Valley girls giving blow jobs for Louboutins. Whatcha call that? Head over heels", die wirklich weh tun.