Elena Tonra, Frontfrau von Daughter aus London, war anfangs noch solo unterwegs. Dass sie gewiss kein Kind von Fröhlichkeit ist, zeigte sich schon damals an Songs wie „Your Kisses". Um ihre musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern, tat sie sich dann mit Schlagzeuger Remi Aguilella aus Frankreich und dem Schweizer Gitarrist Igor Haefeli zusammen und Daughter waren geboren.
Die ersten, akustischen EPs „The Wild Youth" und „His Young Heart" aus 2011 ließen den inneren Psychotherapeuten aufmerken. Das Maß an emotionaler Selbstaufgabe, wie es sich etwa bei „Landfill" oder „Run" zeigte („Throw me in the dirt pit[...]/ Wait until the snow covers me up"), schien bedenklich. Spätestens mit dem Debütalbum „ If You Leave ", dessen Singleauskopplung „Youth" als Deep-House-Remix auch den DJ Alle Farben über Indie-Elektro-Partys hinaus bekannt machte, drehten sich die Gedanken beim Hören und in Interviews vor allem um eine Frage: Wie viel suizidale Tendenz steckt hier wirklich drin? Ist das bedenklich, Koketterie, einfach nur eine maximal düstere Form des künstlerischen Ausdrucks? „Smother" trieb den Nihilismus und Rückzug in sich selbst textlich auf die Spitze: „I sometimes wish I had stayed inside my mother/ Never to come out."
Vor Album Nummer zwei scheinen die Tränendrüsen also wieder gewappnet werden zu müssen. Und wie zu erwarten beginnt auch „Not To Disappear" mit einem massiven, melancholischen Gefühl in der Magengrube, mit Emotionen der ganzen Bandbreite von Verzweiflung und Hingebung mit Hang zur Selbstaufgabe auf der einen und Nuancen von Wut und Aggression auf der anderen Seite. „I've been trying to stay out/ But there's something in you/ I can't be without/ I just need it here" - dieser Songtext könnte sich auch auf die Produktion von Daughters Musik beziehen. Denn schon der Eröffnungssong „New Ways" ist nicht minimalistisch anlegt, sondern verliert sich streckenweise im Noisepopdickicht, das schon die Songs des Debüts bestimmte. Immer wieder aufs Neue schmettern Tonra, Haefeli und Aguilella verzerrte Gitarren und andere Effekte über die ruhige, mit viel Hall bedachte Grundinstrumentierung und wühlen damit weiter auf.
„Drift", die B-Seite der 2013er-Single „Human", kann als soundästhetisches Vorzeichen für das zweite Album gelten. In jenem Track galoppierte das Schlagzeug durch ätherische Synthiewellen und langgezogene Töne aus Tonras Kehlkopf. Überhaupt ist auch auf „Not To Disappear" vor allem ihre Stimme für die Gänsehautmomente verantwortlich, sie gibt den Texten genau den Nachdruck, der für die Übermittlung dieses außergewöhnlichen Maßes an be- und erdrückendem Weltschmerz nötig ist. Die Probleme sind mannigfaltig: Einsamkeit, Mütter, Fremdheit, Neues ausprobieren und scheitern, das Richtige tun und scheitern, Unachtsamkeit, emotionale Kälte - es könnte immer so weiter gehen. Insofern ist es nur logisch, dass Daughter auch auf diesem Werk die Themen nicht ausgegangen sind. Waren es vorher noch endende Beziehungen, die alles vermiesten, sind es jetzt temporäre räumliche Trennungen oder verpatzte Neuanfänge, in denen die Stimmung ohne Aussicht auf Rettung ertrinkt.
Bei „No Care" werfen Daughter überraschend die Amphetamine ein und spendieren dem Song plötzlich einen zackigen Beat, nur um dann bei „To Belong" mit Pianomelodien und verzerrten Gitarrenflächen umso mehr in Sicherheit zu wiegen. Aber wie immer reißen auch hier die Noisepopelemente ein Loch in die Ruhe und sichern den Songs die Aufmerksamkeit der Zuhörenden. Nach dem repetitiven „Fossa" endet „Not To Disappear" mit dem ruhigen und zurückhaltenden „Made Of Stone", das die Zeiten der ersten EPs wieder aufleben lässt und nur von Gitarrenakkorden, fast flüsterndem Gesang und dezenten Hallgitarren aus dem Hause The xx getragen wird. Insgesamt ist Daughters zweites Album eine konsequente Fortführung des Debüts, mit etwas mehr Elektronik und Tempo, leicht verschobenem Themenschwerpunkt und einer Stimme, deren Fragilität nach wie vor durch Mark und Bein geht.
Zum Original
Die ersten, akustischen EPs „The Wild Youth" und „His Young Heart" aus 2011 ließen den inneren Psychotherapeuten aufmerken. Das Maß an emotionaler Selbstaufgabe, wie es sich etwa bei „Landfill" oder „Run" zeigte („Throw me in the dirt pit[...]/ Wait until the snow covers me up"), schien bedenklich. Spätestens mit dem Debütalbum „ If You Leave ", dessen Singleauskopplung „Youth" als Deep-House-Remix auch den DJ Alle Farben über Indie-Elektro-Partys hinaus bekannt machte, drehten sich die Gedanken beim Hören und in Interviews vor allem um eine Frage: Wie viel suizidale Tendenz steckt hier wirklich drin? Ist das bedenklich, Koketterie, einfach nur eine maximal düstere Form des künstlerischen Ausdrucks? „Smother" trieb den Nihilismus und Rückzug in sich selbst textlich auf die Spitze: „I sometimes wish I had stayed inside my mother/ Never to come out."
Vor Album Nummer zwei scheinen die Tränendrüsen also wieder gewappnet werden zu müssen. Und wie zu erwarten beginnt auch „Not To Disappear" mit einem massiven, melancholischen Gefühl in der Magengrube, mit Emotionen der ganzen Bandbreite von Verzweiflung und Hingebung mit Hang zur Selbstaufgabe auf der einen und Nuancen von Wut und Aggression auf der anderen Seite. „I've been trying to stay out/ But there's something in you/ I can't be without/ I just need it here" - dieser Songtext könnte sich auch auf die Produktion von Daughters Musik beziehen. Denn schon der Eröffnungssong „New Ways" ist nicht minimalistisch anlegt, sondern verliert sich streckenweise im Noisepopdickicht, das schon die Songs des Debüts bestimmte. Immer wieder aufs Neue schmettern Tonra, Haefeli und Aguilella verzerrte Gitarren und andere Effekte über die ruhige, mit viel Hall bedachte Grundinstrumentierung und wühlen damit weiter auf.
„Drift", die B-Seite der 2013er-Single „Human", kann als soundästhetisches Vorzeichen für das zweite Album gelten. In jenem Track galoppierte das Schlagzeug durch ätherische Synthiewellen und langgezogene Töne aus Tonras Kehlkopf. Überhaupt ist auch auf „Not To Disappear" vor allem ihre Stimme für die Gänsehautmomente verantwortlich, sie gibt den Texten genau den Nachdruck, der für die Übermittlung dieses außergewöhnlichen Maßes an be- und erdrückendem Weltschmerz nötig ist. Die Probleme sind mannigfaltig: Einsamkeit, Mütter, Fremdheit, Neues ausprobieren und scheitern, das Richtige tun und scheitern, Unachtsamkeit, emotionale Kälte - es könnte immer so weiter gehen. Insofern ist es nur logisch, dass Daughter auch auf diesem Werk die Themen nicht ausgegangen sind. Waren es vorher noch endende Beziehungen, die alles vermiesten, sind es jetzt temporäre räumliche Trennungen oder verpatzte Neuanfänge, in denen die Stimmung ohne Aussicht auf Rettung ertrinkt.
Bei „No Care" werfen Daughter überraschend die Amphetamine ein und spendieren dem Song plötzlich einen zackigen Beat, nur um dann bei „To Belong" mit Pianomelodien und verzerrten Gitarrenflächen umso mehr in Sicherheit zu wiegen. Aber wie immer reißen auch hier die Noisepopelemente ein Loch in die Ruhe und sichern den Songs die Aufmerksamkeit der Zuhörenden. Nach dem repetitiven „Fossa" endet „Not To Disappear" mit dem ruhigen und zurückhaltenden „Made Of Stone", das die Zeiten der ersten EPs wieder aufleben lässt und nur von Gitarrenakkorden, fast flüsterndem Gesang und dezenten Hallgitarren aus dem Hause The xx getragen wird. Insgesamt ist Daughters zweites Album eine konsequente Fortführung des Debüts, mit etwas mehr Elektronik und Tempo, leicht verschobenem Themenschwerpunkt und einer Stimme, deren Fragilität nach wie vor durch Mark und Bein geht.