Frauen kaufen anders. Was heißt das für die Gestaltung von Onlineshops?
●Ist der E-Commerce in seiner heutigen Form zu männlich? Ja, sagen Silke Berz, Creative Director UX, und Astrid Wunsch, Creative Director und Head of Design bei Triplesense Reply in Frankfurt am Main. Männliche Designdenke bestimme einen Großteil des heutigen Webdesigns und führe dazu, dass Onlineshops vor allem Männer ansprechen.
Im Interview erklären sie, was die Unterschiede in Wahrnehmung und Einkaufsverhalten von Frauen und Männern sind - und welche Vorteile geschlechtsspezifisches Webdesign Online-Händlern bieten kann.
Frauen sind eher synthetisch, das heißt, sie nehmen mehr von ihrer Umwelt wahr und beziehen diese Eindrücke in ihre Entscheidungen mit ein. Männer sind eher auf ihre Bedürfnisse fixiert.
Wunsch: Insgesamt kann man sagen: Frauen sind eher synthetisch, das heißt, sie nehmen mehr von ihrer Umwelt wahr und beziehen diese Eindrücke in ihre Entscheidungen mit ein. Männer sind eher auf ihre Bedürfnisse fixiert. Von diesem Unterschied aus kann man im Grunde alles Weitere ableiten.
Berz: Diese Andersartigkeiten wirken sich auf das Shopping-Verhalten aus: Männer wissen meist, was sie wollen, und gehen zielgerichtet darauf zu. Frauen lassen sich dagegen gern ablenken, schauen sich erst das ganze Angebot an und grenzen dann ein, was sie wollen. Das ist im E-Commerce genauso wie im stationären Handel.
Berz: Onlineshops in der jetzigen Form mit ihren Listen, Navigationssystemen, Produktbildern und Funktionen sind vorrangig auf Männer zugeschnitten - vermutlich, weil sie vorwiegend von Männern konzipiert und gestaltet werden. Letztlich sind sie einander durch die ihnen zugrundeliegenden Shopsysteme sehr ähnlich. Sie bedienen das männliche Kaufverhalten. Weibliche Vorlieben wie Stöbern und Sich-inspirieren-Lassen werden vernachlässigt.
Wenn ein Angebot dahingehend verbessert wird, bedeutet das keineswegs, dass Männer damit nicht umgehen können. Sie profitieren genauso davon
Wäre ein neutraler Shop nicht die beste Lösung? Wunsch: Was ist schon neutral? Da rutscht man schnell in eine generelle Gender-Debatte hinein. Alles, was wir heute als neutral empfinden, ist meist sehr männlich. Geschlechtsneutrales Shoppen gibt es im Grunde nicht. Geschlechterspezifische Gestaltung heißt nicht, dass für Frauen alles rosa und geblümt sein soll. Die Unterschiede sind viel subtiler und liegen etwa in der Informationsarchitektur und Produktdarstellung. Berz: Wir sagen nicht, dass man zwei verschiedene Shops für Männer und Frauen braucht. Der klassische Shop muss aber weiblicher werden, damit er neutral ist.
Herrscht auf Kundenseite ein Bewusstsein für den Bedarf an femininem Webdesign? Wunsch: Kaum. Deshalb verlaufen solche Bestrebungen häufig im Sande. Etwa wenn wir gebrieft werden, dass die Zielgruppe aus Frauen besteht, wir aus diesem Grund ein Frauenteam daransetzen und ein feminines Design präsentieren - das dann aber von männlichen Entscheidern abgelehnt wird, weil sie sich davon nicht angesprochen fühlen. Berz: Dafür kommen unsere Vorschläge jedoch bei den weiblichen Ansprechpartnern auf Kundenseite umso besser an.
Frauen reagieren stärker auf Geschichten und Erfahrungsberichte als Männer.
Das sind sehr technische Beispiele. Wie sieht es denn in einem frauentypischeren Bereich wie Mode aus? Wunsch: Hier gehen die Shops mittlerweile bei den Produktdarstellungen immer mehr auf die Bedürfnisse von Frauen ein. Also nicht mehr nur "Bluse auf weißem Grund", sondern eine Darstellung im Kontext und in Kombination mit anderen Teilen. Zum Beispiel sind Handtaschen am Körper zu sehen, sodass sich die Größe besser erfassen lässt, als wenn nur die Maße danebenstehen. Auf vielen Websites wird das gut umgesetzt - unter anderem bei Asos. Auch Nahaufnahmen von Details finden sich immer häufiger, weil Frauen bei der Bewertung von Qualität viel Wert auf Oberflächenmaterialien legen. Berz: Gut gelungen ist zum Beispiel der Onlineshop von Zara, wo die Models auch von der Seite oder in Bewegung gezeigt werden statt nur frontal. Zudem werden komplette Outfits - auch Looks oder Styles genannt - als Inspiration gezeigt, mit Verlinkungen zu allen Elementen. Diese Darstellung setzt sich zunehmend durch, etwa bei Zalando oder eben bei Asos. Aber: In der Regel erfordert es einen zusätzlichen Klick. Der Shop mit der regulären und damit eher männlichen Kategorisierung steht immer noch im Vordergrund.
Männer fühlen sich schnell angegriffen und reagieren zum Teil mit Unverständnis.
Berz: Die Kommentare in Blogs variieren meist zwischen "Ja, genau so ist es!" und "Totaler Quatsch, wir sind doch alle gleich". Dass das nicht so ist, zeigen allerdings der Status quo in Webshops und wissenschaftliche Studien. Es gibt noch viel zu tun.
Wunsch: Wir wollen gar nicht bewerten, was besser oder schlechter ist, wir wollen Gleichberechtigung schaffen. Das bedeutet nicht, Websites für Frauen zu optimieren, sondern sie einfach ein bisschen weiblicher zu machen. Davon profitieren alle - auch männliche Nutzer und vor allem die Shopbetreiber.
Astrid Wunsch, Creative Director und Head of Design bei Triplesense ReplySilke Berz, Creative Director UX
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