Dorle Knapp-Klatsch

Fachjournalistin für Kultur und Natur

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Kapitulation – Uraufführung – Festival junger Künstler Bayreuth

Kapitulation – Uraufführung – Festival junger Künstler Bayreuth

Junge Musiker aus unterschiedlichen Nationen erarbeiten - gemeinsam und in kurzer Zeit - diese Opernaufführung. Das Libretto stammt von Richard Wagner, die Musik von Paul Leonard Schäffer, Bearbeitung von Georgios Kapoglou und Kristin Päckert.


Zur Vorgeschichte des Librettos:


Ein beleidigter Richard Wagner wollte sich an den Franzosen rächen, die ihm gleich zweimal eine schroffe Abfuhr erteilten. Erst putzte er umsonst die Klinken in Paris, dann fiel zwanzig Jahre später der „Tannhäuser“ durch.

Der Meister rächt sich auf seine Weise.

Er schreibt anonym ein Theaterstück, in dem er die Pariser Gesellschaft im Allgemeinen, die Politiker im Besonderen und speziell den Kunstbetrieb mit Dreck beschmeißt. Die Protagonisten führen zufälligerweise die Namen der Personen, über die er sich geärgert hat. Das ganze nennt er dann: „Die Kapitulation – Lustspiel in antiker Manier“. Erst als sich niemand findet, der es vertont und kein Theater diesen Ausrutscher aufführen mag,  gibt er sich als Autor zu erkennen und veröffentlicht es 1873. Das löst zwar einen Sturm der Entrüstung unter seinen französischen Verehrern aus, macht die Schmähschrift aber weder verständlicher noch bekannter.

Georgios Kapoglou und Kristin Päckert gruben diese Story aus.

Sie verlegen sie in die heutige Zeit, mit dem gleichen Ergebnis – der Inhalt bleibt unverständlich, ist dafür aber erfrischend absurd. Am Schluss übernimmt der Mann aus dem Untergrund das Kommando - im rosa Strampelanzug mit einem W(agner) auf der Brust. Er (Björn Bürger)  erschreckt alle durch sein wirres Lachen, singt die Tonskala bis in die höchste Stimmlage. Gesiegt hat ein Irrer. Wenn das kein Zeichen der heutigen Zeit ist...

Im Grunde genommen ist diese abstruse Geschichte zweitrangig.

Hochbegabte junge Künstler aus aller Welt treffen sich beim Jugend-Festival in Bayreuth und ziehen ein Opern-Projekt durch, das sich hören und sehen lassen kann. Paul Leonard Schäffer komponierte die Musik für ein kleines, aber besonders feines und sensibel spielendes Blasorchester, dirigiert von Fausto Nardi. An eine Militärkapelle erinnert die Zwischenmusik, während der sich die hervorragenden Sänger gegenseitig  bekämpfen. Sie können nicht nur singen, sondern auch ihre Rolle darstellen. Besonders gilt letzteres für Björn Bürger (mit großem Stimmumfang),  Jakob Ahles, Désirée Hall  und Sören Richter.

Positiv fällt die variable Ausdrucksweise auf. Übergänge werden gesprochen, dann der rhythmische Sprechgesang, auch flüsternd. Das setzt sich von den Solisten bis zum Chor fort. Wunderbar auch die lyrischen Gesangspassagen.

Bühnenbild und Kostüme

Michaela Muchina und Kerstin Narr zeigen, dass auch ohne großen Etat eine Ausstattung möglich ist. Plastikplanen trennen Räume ab und lassen die Zuschauer trotzdem durchblicken. Baustellen-Absperrgitter und Pflastersteine trennen und verbinden.

Unterschiedlich kurz abgeschnittene Hosenbeine zeigen den desolaten Zustand der Pariser Stadtwache (Christos Pelekanos, Katharina Neufurth, Eva Hage, Johannes Grau, Peter Strömberg). Die Regierung (Esther Dierkes, Jennifer Kreßmann, Tasuku Ishizuka) schläft noch in Bademantel und Pyjama mit Nachthäubchen und Lockenwicklern.   Abgelöst werden sie durch aggressive, rappende Rocker (Annika Gerhards, Constanze Meijer, Leszek Slarski).

Das protestierende Volk (sehr engagierte und gut geführte Statisten von jung bis alt) verbündet sich abwechselnd mit den Soldaten, der Regierung und den Rockern. Mal sind alle so erfüllt von Seligkeit, dass sie zur Barcarole tanzen und die Zuschauer einbeziehen; mal sperren sie die Rocker ein.

Insgesamt eine Aufführung auf hohem Niveau! Bravi den jungen Festival-Künstlern.


Festival junger Künstler:




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