Astrid Diepes

Journalistin, Frankfurt, Stuttgart & Italien

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Artikel

Willkommen zum 28. Stuttgarter Filmwinter "Welcome to the New Age"

Text: 
Astrid Diepes
14. Januar 2015

Ab morgen ist es wieder soweit: Der Stuttgarter Filmwinter lädt bis zum 18. Januar alle Filmliebhaber und Cineasten ein – und das bereits zum 28. Mal. Publikum und Experten treffen sich immer im Januar, um gemeinsam Experimentalfilme aus aller Welt zu schauen. Auch das umfangreiche Rahmenprogramm hat Einiges zu bieten. Diesmal steht im Theater Rampe, im Kunstbezirk und im Kunstraum 34 alles unter dem Motto: "Welcome to the New Age".

Italienisches Flüchtlingsdrama "Io sto con la sposa" (Bild: Regisseure A. Augugliaro, G. Del Grande, K. Soliman Al Nassiry)

Unter diesem Motto beleuchtet das Festival kritisch die digitale Revolution. Wie wirkt sie sich auf unser Leben aus? Die Filmemacher und Festivalorganisatoren vom Verein Wand 5 versuchen künstlerische Antworten darauf zu geben. Alle Führungen, Ausstellungen und Konzerte sind kostenlos. Die Filmvorführungen kosten für Studierende 5,50 Euro, regulär 6,50 Euro, oder mit dem übertragbaren "6-er Schwabenkärtle" 30 Euro. Das gesamte Programm gibt es auf der Homepage. Den Mittelpunkt des internationalen Festivals bilden die verschiedenen Wettbewerbe. Insgesamt werden sechs Awards vergeben: der internationale Kurzfilm-Award "Norman 2015" der Team-Work-Award, der 2-Minutes-Short-Film-Award, der Wand-5-Award und Preise für Arbeiten in den Bereichen "Medien im Raum" und "Network Culture". Eine Jury hat aus 1.400 Einsendungen aus mehr als 35 Ländern insgesamt 70 Filme ausgewählt, die während des Festivals im Theater Rampe und im Kunstraum 34 zu sehen sind. Den Gewinner beim internationalen Kurzfilmwettbewerb küren die Juroren Maike Mia Höhne (Regisseurin und Kuratorin der Berlinale Shorts), Mika Taanila (Filmemacher aus Finnland), John Smith (britischer Filmemacher) und Sergio Fant (u.a. Berater beim Filmfestival Locarno). Beim 2-Minutes-Short-Film-Award wird ein zweiminütiger Film eines jungen Filmemachers unter 30 gekürt. Die Jury besteht hier aus Mihai Brecu, Katharina Duve und Johan Rijpma.  

Rauminstallation "Panopticon" (Bild: Kevin Röhl und Erik Freydank)

Die Künstler aus dem Bereich "Network Culture" hinterfragen die Möglichkeiten der Überwachung durch Internet und Smartphone. Kevin Röhl und Erik Freydank zeigen in ihrer Rauminstallation "Panopticon" die Probleme der technologischen Entwicklung. Der Besucher steht zusammen mit alten Tonbandgeräten und einem schwarzen Wählscheibentelefon in einem düsteren, abgeschlossenen Raum. Beim Anrufen auf dem Telefon hört er die Melodie zu "Die Gedanken sind frei". Eines der Tonbänder fängt an, sich zu drehen. Nach exakt 24 Stunden erhält der Besucher eine SMS mit seiner Abhörakte. Ein Foto, weitere Informationen aus der Ausstellung und die aktuellen Standortinformationen zeigen ihm, dass er in einem digitalen Panopticon gefangen ist.

Finnischer Filmemacher und Festival-Juror Mika Taanila (Bild: Laurent Torno)

Passend für unser neues Zeitalter ist auch der italienische Dokumentarfilm des Flüchtlingsdramas "Io sto con la sposa" ("An der Seite der Braut"), dessen Vorführung für den 16. Januar um 18 Uhr im Theater Rampe geplant ist. Als größtes Crowdfunding-Projekt in der italienischen Filmgeschichte zeigt der Film die Geschichte und Träume von fünf Palästinensern und Syrern, die sich auf der Flucht über Lampedusa nach Stockholm befinden. Ab Mailand reisen die Flüchtlinge als Gäste einer falschen Hochzeit weiter. So wollen sie die Gefahr, unterwegs überprüft zu werden, reduzieren. Mit dabei sind eine palästinensische Freundin als falsche Braut und zehn italienische und syrische Freunde als Gäste. Neben der emotionalen Achterbahnfahrt der Reisenden lernt der Zuschauer auch Europa aus einem neuen Blickwinkel kennen – transnational und hilfsbereit. Der Film feiert beim Stuttgarter Filmwinter seine Deutschlandpremiere. In Italien war er bereits bei den Filmfestspielen in Venedig zu sehen.

Ein besonderes Highlight für Experimentierfreudige ist der Super-8-Workshop am 16. Januar von 14 bis 18 Uhr (Teil 1) und am 17. Januar von 11 bis 18 Uhr (Teil 2). Die Teilnehmer lernen, wie sich Filme mit umweltfreundlichen Materialien wie Bier und Kaffee als Alternative zu Chemikalien entwickeln lassen. So können alle Interessierten bei Stuttgarts renommiertem Festival  spannende Filme aus aller Welt genießen und selbst im Kleinen als Filmemacher aktiv werden. Ein Besuch des Stuttgarter Filmwinters lohnt sich auf jeden Fall.


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