Thaddäus Troll – Zwei Gesichter eines berühmten Schwaben
Thaddäus Troll wurde am 18. März 1914 in Bad Cannstatt geboren. Noch heute ist er einer der bekanntesten Autoren Stuttgarts. Erstmals beschäftigt sich in seinem Jubiläumsjahr eine Ausstellung kritisch mit seiner Tätigkeit als Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg.
In Bad Cannstatt wurde ein Platz nach Troll benannt (Bild: Astrid Diepes)
Vor 100 Jahren wurde Thaddäus Troll als Hans Bayer in Bad Cannstatt geboren. Bekannt ist er vor allem für seine zahlreichen Essays, Feuilletons, Glossen, Romane, Reise- und Städtebücher, Mundartgedichte, Sketche, Satiren, Kinderbücher, Hör- und Fernsehspiele sowie Theaterstücke. Seit 1948 verwendete er für seine belletristischen Werke das Pseudonym Thaddäus Troll. Er entschied sich dafür, um später in "alphabetisch geordneten Bücherschränken links neben Tucholsky zu stehen". In Bad Cannstatt ist der Thaddäus-Troll-Platz nach ihm benannt. Dort steht der "Entaklemmer" – ein schwäbischer Ausdruck für einen Geizkragen. Unter diesem Titel veröffentlichte Troll seine schwäbische Mundartübersetzung von Moliéres Komödie "Der Geizige". Später erschienen eine Hörspielfassung und ein Fernsehspiel. Außerdem war die Theaterproduktion im Kleinen Haus am Stuttgarter Staatstheater sehr erfolgreich.
"Der Entaklemmer" – Thaddäus Trolls schwäbische Mundart-Übersetzung von Molières "Der Geizige" (Bild: Astrid Diepes)
Troll war Mitarbeiter beim Spiegel und angesehener Theaterkritiker. Er verfasste mehr als 50 Bücher. Dabei gelang es ihm, den schwäbischen Dialekt gekonnt in seine literarischen Werke einzuweben. Besonders beliebt sind die beiden "Schwaben-Bibeln" "Deutschland deine Schwaben" und der Folgeband "Preisend mit viel schönen Reden". Walter Jens würdigte Troll im Nachwort zum "Troll-Lesebuch": "Thaddäus Troll – das ist einer der letzten großen Impressionisten deutscher Sprache, ein Mann, der Worte, in immer neuem Umkreisen, zum Leuchten bringen kann, der mit Hilfe einer lyrisch-melodiösen Prosa Atmosphäre veranschaulicht, so wie’s Tucholsky einmal konnte …". Troll wurde 1962 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. 1970 erhielt er in Sofia den Prix Aleko; 1979 fungierte er als Stadtschreiber in Soltau.
Eine Gedenktafel erinnert an Trolls Elternhaus (Bild: Astrid Diepes)
Doch Thaddäus Troll war nicht nur Mundartdichter. Sein Leben lässt sich in die Zeit vor Ende des Zweiten Weltkriegs und in die Zeit danach teilen. 1946 gründete der Journalist in Stuttgart die erste satirische Zeitschrift nach dem Zweiten Weltkrieg, „Das Wespennest“. Im Vorjahr hatte er sich von Mai bis Juli in englischer Kriegsgefangenschaft im Schleswig-Holsteinischen Putlos befunden. Dort hatte er das Lagertheater geleitet. Schon immer war ihm seine Karriere sehr wichtig. Nach seinem Studium der Germanistik, Literaturwissenschaft, Theater- und Zeitungswissenschaft sowie Kunstgeschichte promovierte er 1938 in Leipzig mit der Arbeit "Presse- und Nachrichtenwesen der im Weltkrieg kriegsgefangenen Deutschen". Seine frühen Berufsjahre führten ihn 1941 als Kriegsberichterstatter der Propagandakompanie an die Ostfront. Darüber berichtet diesen Herbst in Berlin die Ausstellung "Hans Bayer. Kriegsberichter im Zweiten Weltkrieg". Die Kuratorin Claudia Steur sagt: "Er war kein Nazi. Aber ich würde ihn als Mitläufer und auch als Mitwisser einstufen." Wie 15.000 Kollegen berichtete Bayer mit geschönter Propaganda über das Kriegsgeschehen. Steur vermutet auch, dass dies später zu seinen schweren Depressionen führte. 1980 nahm sich Thaddäus Troll in Stuttgart das Leben.
Dabei darf sein sozialgesellschaftlicher Einsatz in seiner zweiten Lebenshälfte nicht vergessen werden. Er war 1973 Mitbegründer des "Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg". Troll förderte junge Autoren und setzte sich für die sozialen Rechte seiner Schriftstellerkollegen ein. Auch politisch war er sehr engagiert. Mit einer Briefaktion unterstützte er Gustav Heinemann im Wahlkampf zum Bundespräsidenten. Ab 1972 engagierte er sich mit Heinrich Böll und Günter Grass für die sozialdemokratische Wählerinitiative. Vermutlich resultierte sein politisches Engagement daraus, dass er seine Tätigkeit als Kriegsberichterstatter unter den Nationalsozialisten bereute. Im Februar 1978 schrieb Troll in seinem Tagebuch: "Ich nehme es keinem alten Nazi übel, wenn er damals nicht die intellektuelle Fähigkeit hatte, das Unrecht zu erkennen. Ich nehme es unsereinem sehr viel mehr übel, die wir es erkannt haben, nicht aber den Mut hatten, diese Erkenntnis zu äußern." Thaddäus Troll bleibt ein beeindruckender Mann mit zwei Gesichtern, von dessen Lebensgeschichte wir heute viel lernen können.
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