Astrid Diepes

Journalistin, Frankfurt, Stuttgart & Italien

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Grenzenlose Bildung ArbeiterKind.de hilft "Studierenden der ersten Generation"

Grenzenlose Bildung

ArbeiterKind.de hilft "Studierenden der ersten Generation"
Text: 
Astrid Diepes
26. November 2014

"Arbeiterkind" – woran denkt man als Erstes, wenn man diesen Begriff hört? Wörtlich bezeichnet der Ausdruck "Kinder, die aus einer Arbeiterfamilie stammen". Dies geht oft mit schlechteren Bildungschancen für die Kinder und jungen Erwachsenen einher. Als Katja Urbatsch zusammen mit ihrem Bruder Marc Urbatsch und ihrem Partner Wolf Dermann vor sechs Jahren die Initiative ArbeiterKind.de gründete, verwendeten sie den Ausdruck jedoch mit einem Augenzwinkern und nicht streng in seiner ursprünglichen Bedeutung und mit dieser Konnotation. Sie wollen damit alle "Studierenden der ersten Generation" ansprechen, die wie sie selbst als erste in ihrer Familie studieren (wollen). Katja Urbatsch arbeitet mittlerweile hauptamtlich für die vielfach ausgezeichnete Initiative. So erhielt ArbeiterKind.de zum Beispiel den Bildungspreis für "Jugend & Zukunft" der ERGO-Stiftung oder den Studentenwerkspreis für besonderes soziales Engagement.

Wolfgang Karlstetter, Paulina Bloss und Katja Urbatsch von ArbeiterKind.de (Bild: Astrid Diepes)

ArbeiterKind.de hat die Vision, jedem Kind in Deutschland, das aus einer nicht akademischen Familie stammt, den Weg ins Studium zu erleichtern. Dazu stehen fast 6.000 Ehrenamtliche und zwölf feste Mitarbeiter den Schülern und Abiturienten mit Rat und Tat zur Seite. Auch während des Studiums helfen die Mentoren bei Fragen rund um Bafög, Stipendien oder wie eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben wird. Regelmäßige Fortbildungen für die Ehrenamtlichen gewährleisten eine hohe Qualität. Wolfgang Karlstetter ist Promotionsstudent und engagiert sich aufgrund eigener Erfahrungen seit zwei Monaten als Ehrenamtlicher in der Regionalgruppe Stuttgart. Er meint: "Hätte ich schon zu Beginn meines Studiums gewusst, dass es ArbeiterKind.de gibt, hätte ich mich sicher in Einigem leichter getan." Der aus Niederbayern stammende Politikwissenschaftler beschreibt seinen Einstieg ins Studium mit dem Satz: "In manchen Regionen kommt einem Studieren wie Paranüsse knacken vor, wenn man ein Studierender erster Generation ist."

ArbeiterKind.de unterstützt kompetent beim Start ins Studium (Bild: Astrid Diepes)

Obwohl die Initiative ArbeiterKind.de deutschlandweit schon sehr erfolgreich ist, läuft sie derzeit in Baden-Württemberg und Bayern erst richtig an. Am 17. November wurde das neue Regionalbüro Süddeutschland in der Azenbergstraße 12 in Stuttgart offiziell eröffnet. Mit dabei waren die Regionalkoordinatorin Paulina Bloss und die Gründerin Katja Urbatsch. Die Beiden stellten den Anwesenden die Initiative vor. Urbatsch, die ursprünglich aus dem ländlichen Raum Nordrhein-Westfalens kommt, erzählte von ihrem eigenen Weg ins Studium. Einige aus ihrer Familie verstünden ihre Entscheidung bis heute nicht. Viele ihrer Freunde, die gerne studiert hätten, taten es dann doch nicht. Ihnen fehlte der Mut und sie hätten keinen Ansprechpartner für ihre Fragen gehabt. Mit ArbeiterKind.de wollen Urbatsch und ihre Mitstreiter Mut machen. Dr. Ulrich Engler, Leiter des Dezernats I der Universität, sowie der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Stefan Kaufmann, der mit einem Arbeitskreis aller Parteien in Berlin die gerade beschlossene BAföG-Reform mit auf den Weg brachte, waren bei der Eröffnung ebenfalls dabei und unterstrichen, die Initiative weiterhin unterstützen zu wollen. Auch Tobias M. Burchard, Geschäftsführer des Studierendenwerk Stuttgart, und Simone Hübener, die Pressesprecherin, waren dabei, um ArbeiterKind.de zu unterstützen und das bestehende Engagement weiter auszubauen. Das letzte Regionaltreffen fand zum Beispiel in der Mensa-Stadtmitte des Studierendenwerks statt.

Dr. Stefan Kaufmann, MdB (CDU), Katja Urbatsch, Paulina Bloss (Bild: Astrid Diepes)

Damit die ArbeiterKind.de noch erfolgreicher werden kann, sind neue Mentoren immer herzlich willkommen. Doch auch der Bekanntheitsgrad von ArbeiterKind.de in Baden-Württemberg muss dringend gefördert werden. Denn nur so können die Haupt- und Ehrenamtlichen diejenigen erreichen, denen die Initiative hilft. Besonders wichtig sind beispielsweise  Schulbesuche, um dort angehende Abiturienten zu informieren. Lehramtsstudenten können dabei während ihres Referendariats oder Praktikums an ihrer Schule Aufmerksamkeit schaffen. Unabhängig davon ist jeder bei den monatlich stattfindenden Stammtischen willkommen – der nächste in Stuttgart findet im Café des Forum 3 in der Gymnasiumstraße 21 am 16. Dezember um 19:30 Uhr statt. Zusätzlich gibt es das ArbeiterKind.de-Infotelefon, über das die Mitarbeiter dienstags bis freitags von 14 bis 19:30 Uhr unter 030-679672750 zu erreichen sind. Gerne beantwortet auch Paulina Bloss direkt in Stuttgart unter 0711-88810062, per Mail unter bloss@arbeiterkind.de oder bei Sprechstunden Eure Fragen.


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