Beim Durchscrollen meines Instagram-Feeds stelle ich mir seit ein paar Monaten immer öfter die Frage: Wer ist Modeblogger oder doch noch die Person, die er sein mag und will. Wer trägt die Gucci-Tasche, weil er sie abgöttisch liebt und nicht, weil sie den Feed erfolgreicher, schöner und auch uptodate macht? Ist es Aufgabe des Modebloggers die neusten Trends zu tragen - oder darf und soll ein Modeblogger seinen eigenen Stil - der womöglich gar nicht so spannend ist - zeigen? Letzteres war definitiv der Beginn der Modeblogszene vor gut acht Jahren, ersteres ist momentan der Fall. Wer die neusten It-Sachen trägt - und ganz ehrlich, die Gucci-Tasche ist jetzt auch schon wieder durch - Loewe it is.
Bleibt also die Frage: Wie viel eigene Identität geben wir - und ja, komplett nehme ich mich da sicherlich nicht aus - ab, wenn wir uns der Gruppe Modeblogger unterordnen?
Wer sich einer Gruppe anschließt - und deren Identität sich durch ihre äußere Erscheinung mitbestimmt, gibt einen Teil seiner Identität zugunsten einer Gruppe auf.
Nehmen wir einmal die Polizisten. Ein Polizist in einer Gruppe von Polizisten ist aufgrund seiner Uniform in erster Linie ein Polizist. Ob er in Wirklichkeit Hans Meyer heißt und Angeln liebt, tritt zurück. Seine Uniform weist ihm eine Rolle zu. Dem Gegenüber ist es völlig egal, was noch dahinter steckt. Hier jedoch ist der Verlust der eigenen Identität kalkuliert, zugunsten des Berufes. Gilt das auch für uns als Modeblogger? Ist ein gewisser Identitätsverlust gewollt - oder passiert dieser automatisch?
Bei Polizisten ist der Identitätsverlust gewollt. Schließlich soll der Beamte bei der Ausübung seiner Arbeit nicht als Individuum angesprochen werden. Vielmehr ist seine Person austauschbar. Er handelt nicht persönlich, sondern im Auftrag seines Jobs. Die Gemeinschaft steht im Vordergrund, die Identität tritt zugunsten der Gemeinschaft zurück.
Tragen Menschen also aufgrund ihres Berufes (beispielsweise Modeblogger) eine Art „Uniform", und so kann man die vielen gleichen Teile auf Instagram mittlerweile bezeichen, ist das bewusst gewählt. Sicherlich nicht so klar definiert wie bei Polizisten, trotzdem vorhanden. Das Tragen dieser Uniform ist Teil der Gruppenidentität. Das bedeutet: Wer momentan eine Croped-Flared-Jeans, Mules und Gucci Dionysus Bag trägt, ordnet sich bewusst und optisch sichtbar in diese Gruppe ein. Die persönliche Identität - quasi das, was die Person ebenfalls ausmacht, tritt jedoch zurück. Wer ist Modeblogger XY? Was mag sie? Was macht sie sonst noch? Gerade auf Instagram spielt das kaum mehr eine Rolle. Wer Teil der Gruppe sein will, strebt viel mehr Homogenität an. Im Feed, in den Sachen, die man trägt, in den Orten, die man besucht. Diese Homogenität kann jedoch von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Während die Rocker mit ihrer schwarzen Lederkluft sich vom Rest der Menschen differenzieren wollen, ist die Jugendgruppe, die den neusten Sneakertrend verfolgt, rein von der Nachahmung getrieben. Mit jedem weiteren Menschen, der sich der Jugendgruppe anschließt, indem er ebenfalls diesen Turnschuh trägt, geht ein Stück der Individualität verloren, zugleich bekommt derjenige Zugang als Mitglied der Gruppe. Infolgedessen kann derjenige, der sich dem Trend bewusst oder unbewusst nicht beugt, seine Identität hervorheben und von der Gruppe abgrenzen.
Das bedeutet im Fall der Modeblog-Szene: Nicht nur Mode prägt das Bild der Gruppe. Auch Events und Reisen zeigen, wer tatsächlich vorne mit dabei ist. Bin ich beim Coachella dabei? Bin ich auf dem Event xy eingeladen? Bin ich auch endlich an Ort xy gewesen? Dann gehöre ich dazu. Bin Teil der großen Gruppe. Dass man womöglich Festivals hasst, Bloggerevents mit Cupcakes und Club Mate langweilig findet und überhaupt den neusten Trend Off-Shoulder gar nicht abkann, Gucci-Bags eigentlich immer schrecklich fand und grundsätzlich viel lieber auf dem Sofa abhängen würde, als die neuste Acai-Bowl zu machen, tritt zurück.
Ein durch Kleidung und der damit einhergehenden Mode provozierter Identitätsverlust ist ein Nebeneffekt, den die Mode bewusst beziehungsweise in anderen Situationen unbewusst hervorbringt. Der Einzelne - und hierbei ist es egal, ob Modeblogger oder nicht, macht sich über Mode identifizierbar. Seine Identität erschließt sich jedoch oftmals über eine Gruppe, die für Außenstehende nicht greifbar ist. Er wird Teil einer großen Identität, in der er durch das Tragen von Kleidung deutlich für Außenstehende wahrnehmbares Mitglied ist.
Das bedeutet: Wenn ich in meinem Umfeld die Chloé Tasche trage, bin ich Antonia. Meine Freunde interessieren sich nicht groß für Labels oder Trends. Im Modeblogger-Kosmos bin ich jedoch eine von vielen, ordne mich ein und bewusst unter.
Will ich das? Das ist die Frage, die mich immer öfter umtreibt. Ist für den weiteren Erfolg Voraussetzung, dass ich die neusten Trendteile in solch einer Geschwindigkeit trage, dass mein Bankkonto und mein Umfeld nur noch mit dem Kopf schütteln? Auch Amelie hat sich hier schon Gedanken gemacht. Eine richtige Lösung gefunden haben wir noch nicht. Aber der Satz, „es würde reichen, wenn wieder mehr Menschen anfangen, sich etwas zu kaufen, was sie tatsächlich schön finden - abseits der tausenden Trends und Hypes auf den Laufstegen unserer Wall. Wenn mehr Menschen darüber nachdenken, was sie tatsächlich ausmacht.", trifft es wohl ganz gut.
Entscheiden muss das am Ende jeder für sich selbst.
Photocredit: A Love is blind