Obwohl Diane Pernet wohl eine der ersten Modebloggerinnen der Welt war, hasst sie das Wort Blog. „Es ist so hässlich." Die Pariser Fashion-Ikone ist in der Modeszene eine Koryphäe, wenn es um Meinung und Kritik geht. Und erst diese Woche setzte sie mit ihrem Artikel Who watches the Watchman den perfekten i-Punkt auf Suzy Menkes Artikel The Circus of Fashion von vor ein paar Wochen. Diane Pernet fehlt Meinung in der Mode. „In jeder anderen Branche wie Theater oder Film kann man seine Meinung sagen, ohne Angst zu haben, nicht wieder zu Screenings oder Aufführungen eingeladen zu werden." Wer jedoch in der Fashion-Szene seine Meinung sagt, riskiert laut Pernet bei Dior in der nächsten Saison nicht mehr in der Frontrow zu sitzen. „Das ist doch verrückt." Genauso wären Blogger immer öfter meinungslos - sehr zum Ärger der Ikone, wie sie im Gespräch mit amazed beim Absolut Blank Atelier in München verriet.
„Das Modebloggen hat sich extrem verändert." Kein Wunder: Heute gibt es Millionen Blogger. 2005, als Pernet ihren Blog A shaded view on fashion ins Leben rief, gab es nur vereinzelt Leute, die das Internet zu ihrem Sprachrohr machten. „Als ich 2005 in Paris bei den Schauen war, war es einfach cool, dass man dort war, ein Foto schoss und es sofort hochladen konnte", so die Französin. Der Zeitfaktor sei faszinierend gewesen. Man wollte möglichst schnell seine Erfahrungen teilen - mit Familie, Freunden oder daheimgebliebenen Mode-Menschen. „Heute könnte man sagen: Things gotten crazy", so Pernet zu amazed. Der Artikel von Suzy Menkes sei gut gewesen. Sie habe Recht. Blogger würden heute kaum noch für Freunde oder Familie bloggen, sondern hauptsächlich um Teil des Zirkus zu sein. „Es ist wirklich total verrückt, gleichzeitig aber auch schon wieder lustig."
Diese Saison beispielsweise habe Pernet die Fotografen in Paris beobachtet. „Es sind so viele mittlerweile. Sie stehen alle vor dem Zelt und machen Fotos. Und keiner weiß genau, wer sie sind und was sie mit den Fotos machen. Das ist doch verrückt." Diese Streetstyle-Fotografen seien im Grunde nicht wirklich wichtig für die Modeszene. Sie seien zwar dabei, zeigten aber eine ganz andere Sichtweise der Mode. „Sie wollen ein Teil des Modezirkus sein. Die vermeintliche Magie der Mode einfangen, von der sie glauben, dass es sie gibt", so Pernet. Kritische Meinungen zu den Schauen seien selten. Genauso wie eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Kollektionen, den Gästen, den Models. „Sie fotografieren wie wild - ohne bestimmte Leute überhaupt zu kennen."
Aber ist es tatsächlich so schlimm? Können Blogger denn nicht langfristig auch Journalisten ersetzen? „Für mich gibt es immer noch einen Unterschied zwischen Bloggern und Journalisten, definitiv." Die meisten Blogger sind laut Pernet reine Konsumenten. Blogger wie Susie Bubble, Bryanboy oder Tavi: Sie alle lieben es, einzukaufen, sich schön anzuziehen. Sie setzen Trends. Zeigen Trendgespür. „Aber sie nehmen nicht den Platz von Journalisten ein." Für Pernet seien Journalisten immer noch Leute, die Wörter lieben. Die reflektieren, was sie schreiben, worüber sie schreiben wollen. „Blogger - wie ich beispielsweise - schreiben keine langen Texte. Da geht es um Schnelligkeit", so die Fashion-Ikone. Sobald sie aber für Printmagazine schreibe, nehme sie sich Zeit, spiele mit den Worten und Inhalten. „Blogger und Journalisten haben einfach unterschiedliche Ansatzpunkte. Es bringt auch nichts, wenn ein Magazin versucht, mit Blogs zu konkurrieren. Das wäre Schwachsinn." Schnelligkeit zähle hier nicht, sondern Texte, die zeitloser sind.
Doch ist es wirklich so, dass nur Journalisten kritisch sind und Blogger konsumieren. Oder täuscht sich Pernet nicht? Schließlich sind Journalisten oft abhängig von Werbekunden und Anzeigen. Blogger können ihre freie Meinung äußern. „Im Grunde wäre es toll, wenn es so wäre - und ganz zu Beginn war es sicherlich auch so", sagte Diane Pernet zu amazed. Am Anfang sei es beim Modebloggen darum gegangen, dass man frei seine Meinung äußern konnte. Niemand war an Vogue und Elle gebunden. „Du konntest dir deine Themen frei aussuchen genauso wie du sagen konntest, was du willst. " Doch dann sei der Zirkus losgegangen. „Blogger wurden eingeladen - zu Shows, zu Labels. Bekamen Geschenke. Und sie haben schnell begriffen, wenn ich jetzt etwas schlechtes sage, werde ich nie mehr eingeladen." Frei seien nur noch die wenigsten. Kaum einer traue sich mehr wirkliche Haltung zu zeigen - weder bei Bloggern noch bei den Magazinen. „Dabei wäre es so schön, wenn jemand sagen würde, wie es wirklich war. "
Eine Veränderung wäre toll - doch momentan sieht Pernet keine Chance.
„Blogger kooperieren mit Marken, mit Designern. Aber die Frage ist doch: Are you really getting a true opinion anymore? Ich glaube nicht." Viele Blogger begannen vielleicht zu bloggen, weil sie es liebten, ihre Meinung zu sagen, Texte zu schreiben. Und dann haben sie bemerkt: Ich bekomme Einladungen, Geld und Kleidung. „Und sie haben ganz schnell ihre Integrität verloren", so Pernet. Vor ein paar Jahren hätten Leute Blogs gestartet, um ihr Talent zu zeigen, ihre Interessen. „Heute starten sie Blogs, um Geld zu verdienen, um berühmt zu werden. Das war zu Beginn nie nie nie das Ziel. Aber es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass sie eben nur Fame wollen, Teil des Modezirkus sein wollen. Das ist wirklich sehr sehr schade."
Eine Szene ist Pernet besonders im Kopf geblieben - die wohl die Situation der Blogger und Journalisten am besten beschreibt. „Ich erinnere mich, wie ich in Paris bei einer Schau neben einem Blogger saß, und er hatte über die Show getwittert. Plötzlich bekam er eine Nachricht von der PR-Agentur, die ihn eingeladen hatte, dass er diesen Tweet löschen solle. Er gefalle der Agentur nicht. Und er sah mich und fragte: Soll ich das wirklich löschen? Und ich: Mein Gott, es ist ein Tweet. Das ist doch nichts. Und er so: Soll ich darüber schreiben. Und ich: Auf jeden Fall."
Meinung zeigen. Egal, was für eine es ist. Frei sein - und das Medium Blog nutzen.Als Plattform für die eigene Kreativität und eigenes Sprachrohr. Nicht für den Fame. Oder die Einladung. Oder die Kooperationen. Das ist die Botschaft von Diane Pernet.
Fotos: amazed