Schnell ein Klick bei Zalando, kurz bei Zara reingeschaut und bei H&M online geshoppt. Hand aufs Herz, wann habt ihr das letzte Mal in einer richtigen Boutique eingekauft? Seid zu eurem Lieblingsladen abseits der bekannten Highstreetketten gepilgert, habt gestöbert und dann ein Lieblingsteil mit nach Hause genommen? Vor Monaten? Jahren?
Dann geht's euch so wie mir. Während ich beim Thema Möbel und Interieur gerne in kleinere Läden marschiere, bin ich bei der Mode entdeckungsfaul geworden. Das letzte Mal, dass ich bewusst in eine kleinere Boutique gegangen bin, war in Paris. Daheim klicke ich mich schnell durch Onlineshops, husche hin und wieder in die Innenstadt zu den bekannten Marken und stöbere in großen Multi-Label-Stores wie Oberpollinger. Nur selten verschlägt es mich in Münchens hippe Modeboutiquen mit Labels wie Acne & Co.. Und scheinbar bin ich damit nicht allein. Shopping hat sich in den vergangenen 15 Jahren rasant geändert. Die Folge: Die meisten deutschen Modehändler kratzen laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung an der Existenzgrenze. Statt Wachstum Schrumpfen, statt Hype leere Läden. Doch woran liegt's?
Der Einzelhandel hat es mittlerweile schwer. Zu groß ist die Konkurrenz aus der Netzwelt sowie den großen Highstreetketten. Während Global Player wie Zara, H&M und Mango ihre immer stetig aktuellen Kollektionen in ihren eigenen hochglanzpolierten Boutiquen verkaufen, setzt der Einzelhandel auf ausgewählte Marken. Doch nur wer hippe Marken wie Acne, Wood Wood und Co. führt, kann überleben. Auch der Luxus-Einzelhandel boomt. Geld ist da - geshoppt wird so viel wie noch nie. Nur wo, das ist die Frage. Tradition versus Hipness. Feine Auswahl gegen Fast Fashion. Ein Dilemma - (fast) ohne Perspektive?
Langfristig sind der schwedische Moderiese oder das spanische Großimperium wohl die Sieger. Immer neue Kollektionen, wachsender Umsatz, schnelle Mode für den kleinen Preis. Der Kunde liebt's - schlechte Produktionsbedingungen in Bangladesch und anderen Ländern sind doch weit weg. Nicht nur die Jugend kauft hier ein, auch Mütter, Väter und Großeltern zieht es mittlerweile in die bekannten Läden. Parallel dazu: Die kleinen Boutiquen, die seit Jahren ihre Mode verkaufen. Die große Modewelt als Glamour, Glanz und Gloria? Fehlanzeige. Natürlich kommt so mancher Laden auch auf den Trichter: Wir müssen etwas ändern, das Publikum wieder anlocken. Und so zogen in die großen Multi-Label-Stores hippere Marken wie Lipsy, Topshop und Vero Moda ein. Topmodels modelten auf großen Kampagnen, und ein Online-Shop wurde eröffnet. Manch einer der Moderiesen nahm sogar an einer TV-Show teil. Imagewandel für alles. Gebracht hat es wenig. Viele kleinere Shops gaben gleich auf. Doch auch große Unternehmen wie Strauss Inovation vergangene Woche mussten Insolvenz anmelden. Ein Kampf gegen die Moderiesen? Dann lieber schließen. Onlinehandel und Mono-Label-Stores haben laut Süddeutscher Zeitung den Absatzmarkt übernommen.
Irgendwie schade. Schließlich bestimmen kleine Läden das Stadtbild, zaubern einen Flair, bereichern ganze Viertel und können Tradition und Zeitgeist verbinden.
Blickt man hier nach München, sieht man glücklicherweise immer noch neue Läden mit Perspektive. Ihr Geheimrezept: Sie spezialisieren sich auf ihre Zielgruppe, sind nah am Puls der Zeit. Statt reiner Mode wird Ästhetik verkauft, Trendgespür, Hipness. Das funktioniert. Genauso wie der Trend der Nachhaltigkeit, des bewussten Konsums eine Möglichkeit sein könnte, den Markt zumindest nicht ganz zu verlieren. Schließlich stöbern auch wir mittlerweile wieder außerhalb der Highstreetketten in Multilabelstores wie Oberpollinger. Investition statt Masse ist das neue Vegan in der Modeindustrie.
Und wer hat's am Ende in der Hand? (Mal wieder) der Kunde. Und so packe auch ich mich an der Nase und will künftig wieder öfter über den Mode-Tellerrand blicken, statt bei den altbekannten Läden auch mal den kleineren Boutiquen einen Besuch abstatten. Statt mein „Muss-ich-haben"-Shirt online zu shoppen, im Laden danach stöbern, es anfassen, anprobieren, anschmachten und irgendwann mit großen Grinsen aus dem Laden gehen.