Annika Fröhlich

Freie Journalistin, Fürth/Ansbach

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Flaschenpost aus der Nazizeit

Über die Rolle der Cadolzburg als NS-Bildungsstätte recherchierten Schüler - 08.05.2019 16:00 Uhr

FÜRTH - Eine Flaschenpost aus dem Jahr 1941 als Grundlage für den Geschichtsunterricht: Die 8. Klasse der Mittelschule Cadolzburg recherchiert dazu und plant eine Ausstellung. Lehrer Roland Schönfelder arbeitet dafür mit dem Museum der Cadolzburg zusammen.

Es müssen wohl überzeugte Nationalsozialisten gewesen sein, die diese Flaschenpost auf der Cadolzburg hinterließen. Heutige Schüler und Schülerinnen nehmen den Fund zum Anlass nachzuforschen, welche Bedeutung die Burg während dieser Zeit hatte. © Roland Schönfelder

Dort wird seine Klasse ihre Ergebnisse zur Rolle der Burg im Nationalsozialismus zum Abschluss auch präsentieren.

Im Mittelpunkt steht dabei ein besonderes Fundstück, das Gärtner 2008 bei Arbeiten im Burggraben entdeckt hatten: eine Glasflasche mit zwei Schriftstücken, die offenbar Nationalsozialisten verfasst hatten. Die Flasche war zerbrochen, doch die Scherben und die Zettel konnte die Museumsleiterin Uta Piereth jetzt den Schülern vorführen.

Die Flasche trägt den Schriftzug "Cadolzburg". Auf dem ersten Papier steht unter Hakenkreuz und Reichsadler: "Dem deutschen Soldaten ist nichts unmöglich." Das zweite Dokument berichtet von der Grundsteinlegung "eines der neusten Geflügelhäuser Deutschlands" am 16. April 1941 in Cadolzburg. Damit solle die Ernährung "des deutschen Volkes gesichert" werden. Der Text schließt mit dem Satz: "Wer vom Juden frisst, der stirbt."

Viele Rätsel

Der Fund stellt die Museumsverantwortlichen vor Rätsel: Von einem Geflügelhaus war bislang ebenso wenig bekannt wie von einem Flaschenfabrikanten aus Cadolzburg. Auch über die vier Männer, die das Dokument unterschrieben haben, weiß man nichts. Antworten zu finden, das wird jetzt die Aufgabe der Schüler um Roland Schönfelder sein. Piereth wird Flasche und Schriftstücke jetzt erst einmal in die Hände von Restauratoren geben. Im Februar 2020 soll dann eine kleine Ausstellung zu sehen sein.

Bis dahin gibt es für die Klasse viel zu tun: Sechs Gruppen werden sich mit den unterschiedlichen Fragen befassen und über die Herkunft der Flasche und die Hitler-Jugend-Schule auf der Cadolzburg recherchieren. Außerdem sind die Schüler auf der Suche nach Zeitzeugen und anderen Gegenständen aus dieser Zeit.

In einem Monat treffen sich die jungen Forscher mit den Museumspädagogen, um den ersten Zwischenstand zu besprechen. Im neuen Schuljahr wird den Jugendlichen auch ein Medienpädagoge an die Seite gestellt, der ihnen helfen soll, das gefundene Material zu visualisieren.

Glanz der Kurfürsten

Die Cadolzburg ist ein geschichtsträchtiger Ort, und das nicht nur durchs Mittelalter. Um die Bedeutung der Veste in der NS-Zeit verstehen zu können, bekamen die Schüler zunächst eine Führung. "Die Burg, wie sie heute aussieht, ist geprägt von der Zeit der Kurfürsten, aber auch von der nationalsozialistischen Nutzung", erklärte Uta Piereth. "Die beiden Zeiten sind miteinander verbunden."

Denn vom Glanz der Hohenzollern wollten auch die Nationalsozialisten etwas abhaben: Im neuen Schloss war zwischen 1934 und 1945 eine von 51 Gebietsleiterschulen untergebracht. Tausende Gruppenführer aus einem Gebiet von Franken bis zur Ostmark wurden hier ausgebildet. In der Burg stand den Anwärtern neben Schulungsräumen und Schlafsälen sogar eine Turnhalle zur Verfügung. Die Schule löste sich erst Anfang April 1945 auf, bevor die Burg am 17. April während der Gefechte mit den Amerikanern abbrannte. Erst über 60 Jahre später tauchte die Flasche als Relikt aus dieser Zeit auf. Fundort war der sogenannte "kühle Grund", der normalerweise nicht öffentlich zugängliche Halsgraben.

Annika Fröhlich

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