Korruption, Betrug, Steuerkriminalität: Die EU geht gemeinsam gegen Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts vor. Heute nimmt die Europäische Staatsanwaltschaft ihre Arbeit auf.
Die neue Behörde sei "ein klares Signal gegen den Missbrauch von EU-Geldern", erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht in ihrer Pressemitteilung. Dabei ginge es auch um den Schutz des Corona-Hilfspaketes. Allein dieser Fonds umfasst 750 Milliarden Euro.
Allein durch grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug entsteht der Europäischen Union jährlich ein finanzieller Schaden von rund 30 bis 60 Milliarden Euro. Bislang konnte die Strafverfolgung lange dauern. Das soll sich jetzt ändern.
Behörde gegen Missbrauch von Steuergeldern
Die neuen Europäischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der beteiligten Mitgliedstaaten können direkt kontaktiert werden. Es braucht kein Rechtshilfeersuchen mehr. Nicht nur darin bestünde ein Vorteil der neuen Behörde. Die Schwerpunktsetzung auf EU-Haushalt und Finanzen steht zum ersten Mal im Fokus, so Annegret Ritter-Victor, delegierte Staatsanwältin aus Berlin.
Thematisch beschäftigt sich die Behörde mit Delikten, die sich gegen den EU-Haushalt richten. Dabei handelt es sich unter anderem um Betrug, Steuerhinterziehung und Korruption, aber auch um Delikte gegen originäre EU-Einnahmen, zum Beispiel Zölle.
"Erste supranationale Staatsanwaltschaft"
Ausgestattet ist die Europäische Staatsanwaltschaft dazu mit umfangreichen Kompetenzen. Sie kann auf nationaler Ebene selbst Ermittlungen führen, Beschlagnahme von Vermögenswerten anordnen, Haftbefehle erlassen und Anklage erheben. Zusammenarbeiten wird die Europäische Staatsanwaltschaft mit nationalen Staatsanwaltschaften und Ermittlungsbehörden, sowie mit europäischen Ämtern wie OLAF (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung) und Interpol, so Annegret Ritter-Victor.
"Wir sind die erste jemals geschaffene supranationale Staatsanwaltschaft", erklärt Andrés Ritter, stellvertretender Europäischer Generalstaatsanwalt, im ZDF-Morgenmagazin. Bisher war er leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Rostock.
Experte hat keine zu großen Erwartungen
Für Prof. Franz Mayer, der Europäisches Verfassungsrecht an der Universität Bielefeld lehrt, sollten die Erwartungen an die neue Behörde nicht zu hoch sein. "Auch wenn es lediglich um eine Stelle zur Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU geht, weckt die Bezeichnung 'Europäische Staatsanwaltschaft' Erwartungen, denen die neue Einrichtung derzeit sicher noch nicht gerecht werden kann", sagt Mayer ZDFheute.
Das habe laut Mayer auch sehr praktische Gründe: "Begrenzte Zuständigkeiten, begrenzte Ausstattung, begrenzte Beteiligung der Mitgliedstaaten. In Anbetracht der höchst unterschiedlichen Strafverfolgungskulturen in den Mitgliedstaaten sollte man zudem die Schwierigkeiten für eine einheitliche Herangehensweise nicht unterschätzen."
22 von 27 EU-Staaten beteiligen sich
Von 27 Mitgliedstaaten sind allerdings nur 22 beteiligt. Ungarn, Irland, Polen, Schweden und Dänemark ziehen sich bisher heraus, können aber jederzeit beitreten. Ritter hofft, dass aber trotzdem eine Zusammenarbeit mit diesen Ländern möglich ist.
Die Zentrale der neuen Strafverfolgungsbehörde liegt in Luxemburg. Seit November 2019 schon wurde sie dort aufgebaut. Leitende Generalstaatsanwältin ist die ehemalige Anti-Korruptions-Staatsanwältin Laura Codruta Kövesi. Insgesamt 22 Europäische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte arbeiten mit ihr dort.
Die anderen Europäischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, es sollen 140 werden, arbeiten aus den jeweiligen Ländern. Aus Deutschland sind 11 Ermittlerinnen und Ermittler mit dabei, für die fünf Zentren in Berlin, Frankfurt/Main, Hamburg, München und Köln errichtet wurden.
Mit dem Start der europäischen Staatsanwaltschaft wehrt sich die EU zum ersten Mal grenzüberschreitend gegen Geldwäsche, Betrug und Machtmissbrauch.
Es handele sich um einen "Meilenstein in der Bekämpfung von Straftaten" so Andrés Ritter, Vize der Europäischen Generalstaats-Anwaltschaft, über die neue Behörde.