Die Schonfrist ist vorbei! Seit vollen sechs Monaten bin ich jetzt stolze Neu-Schleswigerin, zwar kein gebürtiges, aber doch wenigstens ein Wahl-Nordlicht. Ursprünglich stamme ich, wie ich hier gelernt habe, aus dem Süden ("Anne, alles auf der anderen Seite vom Kanal ist Süden!"). Aber innerhalb des Südens liegt mein Heimatdörfchen doch eher westlich, am schönen Niederrhein in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ruhrpott. Dort ist es schon ein bisschen anders als hier. Ich bin zum Beispiel gänzlich Knick-frei aufgewachsen. Deshalb hat es etwas gedauert, bis ich verstanden habe, was ein Knick überhaupt ist und die Verwunderung darüber, warum die Knicks nicht abknicken sondern meist gerade verlaufen, hält weiter an. Auch bedurfte es einiger Übung, die vielen Gemeinden auseinanderzuhalten, die in meinen Ohren alle verdammt ähnlich klingen. Mit dieser anfänglichen Unkenntnis mussten auch meine Kollegen kämpfen:
"Anne, wo warst du denn jetzt gestern?"
"In irgendeinem Dorf mit ,bü' am Ende..."
Dass dann aber nicht alles was auf -by endet auch ,bü' gesprochen wird, versteht sich nur für Alteingesessene von allein. Die einzigen rühmlichen Ausnahmen (die gerne mit -i am Ende gesprochen werden) sind, so habe ich mir sagen lassen, Güby und Schuby. Meine Theorie ist ja, dass ihr Nordlichter so Fallstricke nur einbaut, um uns Zugezogene sofort an unserem Sprech zu erkennen.
Aber so leicht kriegt ihr mich nicht! Unermüdlich optimiere ich meinen Wortschatz: Ich quatsche nicht mehr mit meinen Nachbarn, sondern schnacke im Hausflur und grüße fleißig mit "Moin" wo immer es sich anbietet. Übrigens werde ich dafür zu Hause komisch angeguckt und mein österreichischer Nachbar antwortet penetrant mit "Servus!", aber das hält mich nicht auf.
Ich gewöhne mich auch gerne daran, mittags nicht mehr einen Mittagsschlaf zu fordern, sondern eine Mittagsstunde, setze die wörtliche Rede nicht mehr in Gänsefüßchen, sondern in Tüddelchen und wenn ich ganz gut drauf bin, beende ich meine Telefonate sogar mit dem markanten "Ersmaaaa".
Aber so gerne ich mich hier oben auch ordentlich integrieren möchte - irgendwo muss Schluss sein! Ein Wort gibt es, dass wird mir so schnell nicht über die Lippen kommen. Leider zwingt mich mein Job, diese unsäglichen neun Buchstaben immer wieder aneinander zu reihen aber ich kann mich mit ihnen einfach nicht anfreunden: Sonnabend - wie klingt denn das? Noch verkehrter klingt nur noch Karsonnabend und der doppelt gemoppelte Zungenbrecher Sonnabendabend darf gerne abgeschafft werden.
Diese Einstellung hat mir hier in der Redaktion schon den ein oder anderen Rüffel eingebracht. Die Kollegen verzeihen mir als Volontärin wirklich viele Anfängerfehler, aber wenn ich wieder einmal Samstag statt Sonnabend schreibe ist Holland in Not. Deshalb tippe ich weiter brav Sonnabend in die Zeitung, denke mir dabei meinen Teil und genieße dieses eine letzte Mal, an dem ich das schönere und nicht das für norddeutsche Ohren richtige Wort in die Zeitung schreibe: Ich wünsche Ihnen und euch einen wunderschönen SAMSTAG!
von anne welkener erstellt am 06.Apr.2013 | 08:41 Uhr