Osnabrück. Soleen Yusef gehört mit „Haus ohne Dach" zu den Kandidaten um den diesjährigen Friedensfilmpreis beim Unabhängigen Filmfest. Noch während der Vorproduktion wurde ihr Drehbuch von der Realität eingeholt.
Es ist schon ein Bild für sich. Nach einer Autopanne sind drei Geschwister irgendwo in einer ländlichen Gegend in der Autonomen Republik Kurdistan zu Fuß unterwegs und tragen einen Sarg auf ihren Schultern. Jan, Alan und Liya sind in Deutschland aufgewachsen und wollen nun den letzten Wunsch ihrer Mutter erfüllen. Die hat sich gewünscht, neben dem Vater in ihrem Heimatdorf beerdigt zu werden. Nach seinem Tod ist sie mit ihren Kindern nach Deutschland geflüchtet. Jan, Alan und Liya bringen ihre tote Mutter gegen den Willen ihres Familienclans zurück in das kleine Dorf.
Zwischen den Dreien leben auf dem Weg alte Konflikte auf. Dazu kommt noch ein Familiengeheimnis, das die Mutter zwei von ihren Kindern verschwiegen hat und das auch für die Filmzuschauer erst nach und nach enthüllt wird. Der Film von Soleen Yusef (Regie und Buch) packt einen schon allein aufgrund dieses Familiendramas. Doch „Haus ohne Dach" verbindet die persönliche Geschichte noch mit der aktuellen politischen Situation. Als eine „Art Biografie eines ganzen Landes", bezeichnet denn auch die 1987 geborene Filmemacherin ihr Werk, für das sie vor kurzem den First Steps Award gewonnen hat und mit dem sie außerdem beim Filmfest ins Rennen um den Friedenfilmpreis geht.
„Biografie eines Landes"Soleen Yusef ist selbst in Dohuk geboren, der kurdischen Stadt im Irak, in der Teile des Films spielen. Als sie neun war, kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Dennoch ist „Haus ohne Dach" nicht ihre eigene Geschichte. Das Verhältnis unter den Brüdern und ihrer Schwester sei von ihren eigenen Erfahrungen inspiriert, sagt Yusef, die selbst vier Geschwister hat. Doch insgesamt stecken viele Geschichten aus ihrem eigenen Umfeld in dem Stoff.
Während der Vorproduktion holte die Realität die Geschichte ein. Da waren Soleen Yusef und ihr Kamaramann auf der Suche nach Drehorten in Dohuk unterwegs. Als sie von einer ihrer Recherchen in der Umgebung der Stadt zurückkehrten, erfuhren sie, dass in der Zwischenzeit der IS das nur 60 Kilometer entfernte Mossul überfallen hatte.
Persönliche und politische WeltenDamit sei vorerst klar gewesen, dass aus dem Film nichts wird, sagt Soleen Yusef. Doch zurück in Deutschland, schrieb sie das Drehbuch um und verarbeitete so die Erlebnisse, die jetzt mit in die Geschichte einfließen. Die Verknüpfung von persönlichen und politischen Welten macht den Film so überzeugend. Yusef schafft es zudem, dass keine einzige ihrer Figuren unsympathisch ist. Jeden einzelnen Charakter mag man trotz aller Fehlerhaftigkeit.
Und wie schätzt sie ihre Chancen ein, den Friedensfilmpreis zu bekommen? Das sei schwierig zu sagen, so die Filmemacherin. Die Beiträge seien alle sehr unterschiedlich. Eine große Sache wäre der Preis für sie trotz bereits vier Auszeichnungen für „Haus ohne Dach" auf jeden Fall. Schon allein, weil sie damit in einer Tradition mit „Schildkröten können fliegen" des iranischen Regisseurs Bahman Ghobadi stehen würde. Das sei einer ihrer Lieblingsfilme, sagt Soleen Yusef. 2007 gewann er in Osnabrück den Filmpreis für Kinderrechte.