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Der Start ins Arbeitsleben ist aufregend, anstrengend - und oft ganz anders als gedacht. In der Serie "Mein erstes Jahr im Job" erzählen Berufseinsteiger:innen, wie sie diese Zeit erlebt haben. Diesmal: Annika Sonntag, 24, arbeitet als Zootierpflegerin im Zoo Hannover."Plötzlich legte sich dieser riesige Elefant vor mir auf den Boden. Einfach so. Nur weil ich es ihm gesagt hatte, ich wollte seinen Rücken auf kleine Verletzungen kontrollieren. Es war ein emotionaler, ein schöner Moment. Der Elefant akzeptierte mich und vertraute mir. Und das, obwohl ich erst wenige Monate mit ihm gearbeitet hatte.
Elefanten sind wunderbare Tiere. Aber sie sind auch gefährlich - genau wie viele andere Zoobewohner. Daher ist zwischen uns immer eine Barriere, durch die wir miteinander arbeiten. Dazu hat jedes Tier seine Eigenheiten. Es gibt in meinem Revier zum Beispiel einen Tiger, der Langschläfer ist. Wenn ich morgens in seinen Stall gehe und das Licht anschalte, schaut er mich verwirrt an.
Auch wenn ich manchmal in anderen Gehegen arbeite: Nur bei meinen Elefanten erkenne ich ihre Laune schon von Weitem. Und meine Elefanten erkennen mich, wenn ich am Gehege vorbeilaufe. Dann schauen sie mir nach.
Dass ich mal bei den Elefanten landen würde, hätte ich in der Ausbildung nicht gedacht. Sie waren nie meine Lieblingstiere. Zoos aber liebte ich schon als Kind, und Tiere sowieso. Als Kleinkind hatte ich Meerschweinchen oder Hamster an meiner Seite, jetzt Elefanten. Und nach Feierabend warten meine Hunde auf mich.
Erst habe ich überlegt, in einem Tierheim zu arbeiten. Aber da engagierte ich mich schon privat viel. Beruflich wollte ich noch einen Schritt weitergehen, mit exotischen, gefährdeten Tieren arbeiten, meinen Horizont erweitern.
Mit der Ausbildung zur Zootierpflegerin klappte es aber nicht sofort. Das erste Mal versuchte ich, mit dem Realschulabschluss einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Doch ich wurde nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Es waren einfach zu viele Bewerber:innen und mir fehlte die praktische Erfahrung. Also hängte ich drei Jahre Schule dran, machte das Abitur und absolvierte Praktika in unterschiedlichen Zoobereichen. Beim zweiten Versuch setzte ich mich gegen rund 350 Bewerber:innen durch.
Weltreise im ZooDie Ausbildung zur Zootierpflegerin dauert drei Jahre. In der Berufsschule lernte ich alles über Ernährung, Verdauung und medizinische Grundlagen. Im praktischen Teil absolvierte ich eine Weltreise, von Kanada bis nach Indien. Im Zoo Hannover ist jedes der Reviere ein Kontinent. In Kanada leben die Eisbären, in Indien die Elefanten. Als Auszubildende wechselte ich von Kontinent zu Kontinent. So lernte ich viele Tierarten kennen.
Seit Juli 2020 arbeite ich nun fest im Zoo Hannover. Erst hatte ich eine Springerstelle, dann wurde die Stelle bei meinen sechs Elefantenmädels frei. Pro Woche arbeite ich im Schnitt 40 Stunden in einem ausgeglichenen 14-Tage-Rhythmus. Das heißt, ich arbeite einmal sieben Tage am Stück, dafür habe ich in der nächsten Woche zwei Tage frei und am Ende der Woche noch mal zwei. Bezahlt werde ich nach unserem Haustarif.
Ich habe einen unbefristeten Vertrag, mein Job ist also erst mal sicher. Das ist in der Zootierpflege nicht immer so. Man muss ein bisschen Glück haben; es gibt nicht unglaublich viele Zoos. Viele aus meiner Berufsschulklasse machen jetzt einen anderen Job oder sind weit weggezogen.
Zwei Stunden TurbomistenEinmal hörte ich einen Zoobesucher zu seinem Kind sagen: ›Schau hin, so was musst du machen, wenn du kein Abitur machst.‹ Ich war gerade dabei, auszumisten. Damals war ich noch Praktikantin, aber solche Sprüche höre ich auch heute noch ab und zu. Ich versuche, sie zu ignorieren.
Ich mache viel mehr als Scheiße schaufeln - auch wenn das Ausmisten natürlich dazugehört. Rund zwei Stunden am Tag verbringe ich mit Turbomisten. In den ersten Wochen hatte ich noch Muskelkater, Elefantendung ist groß; mittlerweile bin ich es gewohnt. Bei Regen macht das Misten besonders wenig Spaß. Aber die Arbeit mit den Tieren macht es wieder wett.
"Ich glaube, wir sind da alle ein bisschen verrückt. Wir machen nicht einfach Feierabend."
Einen großen Teil des Tages nimmt das sogenannte medizinische Training ein. Das ist wichtig, um später medizinische Kontrollen durchführen zu können. Und ich sehe gleichzeitig, wie es den Tieren geht. Ich übe zum Beispiel: Füße hochstellen, Augen kontrollieren lassen, Rüssel hochheben. Meistens sind meine Elefanten sehr engagiert.
Aber auch sie haben mal einen schlechten Tag. Als Trainerin muss ich dann entspannt rangehen und liebevoll-konsequent sein. Gebe ich ein Signal und der Elefant möchte beispielsweise den Rüssel nicht heben, überlege ich, was ihm fehlt. Tiere können nicht sagen, wenn ihnen der Fuß weh tut oder sie Kopfschmerzen haben. Also muss ich auf alle Anzeichen achten. Das ist viel Verantwortung, und man braucht viel Gefühl.
Manchmal sitze ich abends noch zu Hause auf der Couch und denke darüber nach, was einem Tier fehlen könnte. Ich habe deswegen auch schon Kolleg:innen angerufen und sie mich. Ich glaube, wir sind da alle ein bisschen verrückt. Wir machen nicht einfach Feierabend.
Wie wird man Tierpfleger:in?
Tierpflege ist ein dreijähriger Ausbildungsberuf mit drei verschiedenen Spezialisierungen: Forschung und Klinik, Zootierpflege und Tierheim- und Pensionstierpflege. Je nach Schwerpunkt unterscheiden sich die Lerninhalte und der Arbeitsort.
Für die Ausbildung gibt es offiziell keine Zugangsvoraussetzung. Laut Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hatten im Jahr 2020 aber fast 50 Prozent der Auszubildenden mit Fachrichtung Zoo die Hochschulreife. Nur rund ein Prozent hatte keinen Hauptschulabschluss.
Weil die Ausbildung dual ist, ist ein Ausbildungsvertrag mit einem Betrieb Voraussetzung, etwa einem Zoo. Die Ausbildungsbetriebe entscheiden selbst, nach welchen Kriterien sie die neuen Azubis auswählen.
Ausgebildete Tierpfleger:innen verdienen laut der Bundesagentur für Arbeit im öffentlichen Dienst zwischen 2825 und 3128 Euro brutto.
Gerade wird das neue Elefantenhaus gebaut. In Zukunft können die Besucher:innen mir dann hoffentlich beim Training zuschauen und noch mehr über die Elefanten lernen. Ich will, dass sie unsere Tiere verstehen. Meine Elefanten sind da eine Art Vertretung für die in freier Wildbahn. Man kann sich viele Bilder anschauen, aber wenn man vor einem echten Elefanten steht, ist das was ganz anderes."
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